• 20.03.2006 13:43

  • von Adrian Meier

Alonso ist Volksheld und Familienmensch zugleich

Der 24-Jährige gilt derzeit als einer der besten Formel-1-Piloten - privat ist der junge Spanier dagegen ein sehr ruhiger und bodenständiger Mensch

(Motorsport-Total.com) - Fernando Alonso mag es nicht, abseits der Rennstrecke im Rampenlicht zu stehen. Der amtierende Weltmeister versucht, ein normales und bodenständiges Leben zu führen, so weit seine Bekanntheit dies zulässt. Deshalb fährt er nicht nur in seinem Renault in den Rennen allen anderen Piloten davon, sondern geht auch abseits der Formel 1 eigene Wege.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso gilt als einer der besten Formel-1-Piloten

Während die meisten anderen Fahrer auch in ihrem Urlaub in der Öffentlichkeit stehen, wenn sie sich auf großen Yachten oder mit sonstigen Millionärs-Spielzeugen sehen lassen, hatte Alonso im vergangenen Jahr ein ganz anderes Urlaubsziel, um dem Druck des Formel-1-Zirkus' zu entfliehen. In der Sommerpause entspannte er sich in dem walisischen Städtchen Tenby. "Das war eine kritische Phase", erzählte Alonso der 'Times' über die Anspannung, die er zu dieser Zeit in der Formel 1 verspürte.#w1#

Urlaub als Erfolgsgeheimnis

"Ich musste dem Druck entfliehen und den Kopf freibekommen." Fernando Alonso

"Ich musste dem Druck entfliehen und den Kopf freibekommen, deswegen habe ich mich mit ein paar Freunden ins Auto gesetzt und bin an die walisische Südküste gefahren", berichtet der junge Spanier weiter. "Wir sind da herumgezogen, haben in lokalen Hotels übernachtet. Das hat mir eine Menge geholfen. Letztendlich konnte ich mich wirklich entspannen, ohne Druck von außen zu verspüren, und ich denke, das war wichtig für den Gewinn der Meisterschaft", glaubt Alonso, dass er die Pause und völlige Ungestörtheit dringend nötig hatte.

In der Folge legte der 24-Jährige dann auch eine starke zweite Saisonhälfte hin, sicherte sich gegen Konkurrent Kimi Räikkönen als jüngster Formel-1-Weltmeister den Titel und hatte nebenbei einen großen Anteil an der ersten Konstrukteursmeisterschaft seines Renault-Teams. Auch wenn die Einwohner Tenbys also wohl nichts davon wissen, halfen auch sie dem Spanier auf dem Weg zu seinem Triumph.

In Spanien ist er der Superstar

Seit Alonso sich zu einem ernsten Sieganwärter gemausert hat, kennt ihn in Spanien jedes Kind. Dominierte zuvor die Motorrad-Weltmeisterschaft das Motorsportgeschehen in dem südeuropäischen Land, so konnte die Formel 1 dank dem spanischen Star diese inzwischen deutlich hinter sich lassen. Diese Bekanntheit macht Alonso jedoch hin und wieder auch das Leben schwer. In Wales konnte er entspannt Urlaub machen, ohne von allzu vielen Menschen erkannt zu werden. In seiner Heimat ist dies inzwischen unmöglich.

"Selbst wenn ich mir im Stadion ein Spiel von Real Madrid ansehe, muss ich mich verkleiden." Fernando Alonso

"Ich kann nicht mehr einfach in der Nähe meiner Heimatstadt Oviedo in Spanien herumlaufen, denn das macht zu viel Aufhebens", sagt Alonso. "Selbst wenn ich mir im Stadion ein Spiel von Real Madrid ansehe, muss ich mich verkleiden, um nicht zu viel Aufsehen zu erregen", meint der bekennende Real-Madrid-Fan weiter zu der Begeisterung um seine Person. "Das ist traurig, denn ich vermisse meine Familie und Freunde sehr", sagt ein nachdenklicher Alonso neben jeder Freude über die große Aufmerksamkeit.

Bekanntheit bringt Vor- und Nachteile

Auch seine Familie bekomme den Druck deutlich zu spüren, verrät der 24-Jährige; so sei beispielsweise das Haus seiner Angehörigen ständig von einer Schar Paparazzi belagert: "Die Aufmerksamkeit der Medien außerhalb der Formel 1 stört mich wirklich", meint Alonso. "Es ist für mich stressiger, in meinem Privatleben gehetzt zu werden, als meinen Formel-1-Boliden zu fahren. Wenn ich im Auto sitze, fühle ich die komplette Kontrolle - das ist mein Büro. Ich genieße den Druck, der auf mir lastet, den Titel zu verteidigen, aber Druck außerhalb des Autos ist ein bisschen nervig."

"Die Aufmerksamkeit der Medien außerhalb der Formel 1 stört mich wirklich." Fernando Alonso

Spätestens seit seinem Triumph ist Alonso in Spanien also endgültig ein Volksheld. Noch vor drei Jahren schalteten auf der iberischen Halbinsel kaum Menschen den Fernseher ein, wenn die Formel 1 übertragen wurde. Als Alonso sich jedoch 2005 anschickte, ein ernstes Wörtchen um den Titel mitzureden, schnellten die Einschaltquoten nur so in die Höhe. Die Steigerung betrug 2005 verglichen mit dem Vorjahr gigantische 45 Prozent.

Damit wurde Spanien innerhalb kürzester Zeit zum Land mit den weltweit viertmeisten Zuschauern - im Durchschnitt fiebern 4,5 Millionen Menschen mit, wenn Alonso um Siege und Positionen kämpft. Doch nicht nur die Fernsehanstalten profitierten von dem enormen Boom der Formel 1 in Spanien. Auch Autohersteller Renault konnte seine Verkaufszahlen in dem südeuropäischen Land dank seines spanischen Stars um zehn Prozent steigern.

Die zweite Heimat

Fernando Alonso

Privat stört Fernando Alonso die Medienaufmerksamkeit Zoom

Um dem Druck, der in Spanien auf ihm lastet, ein Stück weit zu entfliehen, hat sich Alonso trotz der Liebe zu seiner Heimat für eine britische Stadt als Wohnort entschieden. Seit seinem Formel-1-Einstieg 2001 bei Minardi wohnt der 24-Jährige in einem Apartment in Oxford. Dort versucht er, so normal zu leben, wie es für einen amtierenden Champion eben möglich ist.

Oxford sei dafür jedoch sehr gut geeignet: "In Oxford erkennen mich nicht so viele Leute, deswegen kann ich mich dort aufhalten und ganz normale Dinge tun, zum Beispiel Einkaufen gehen", erläutert Alonso. "Ich gehe sehr gerne im lokalen Supermarkt einkaufen. Und ja, ich bin dann auch glücklich, in der Schlange anzustehen, so wie jeder andere. In meinem normalen Leben bin ich ein geduldiger Mensch, ich muss nicht immer alles besonders schnell tun", stellt der Spanier klar, dass er in seinem Privatleben keine Privilegien haben möchte.

Idol Miguel Indurain

Weiterhin outet sich Alonso als wählerischer Esser. Dabei kocht er selbst sehr gerne: "Mir macht es Spaß, zu kochen. Entweder für mich selbst oder zuhause zusammen mit meiner Mutter. Das ist eine gute Möglichkeit, um auszuspannen", erklärt der Spanier. Daneben ist Alonso leidenschaftlicher Fahrradfahrer. In seiner Kindheit war der fünfmalige Tour-de-France-Sieger Miguel Indurain sein Idol: "Ich habe das Fahrradfahren schon immer geliebt. Ich fuhr mit dem Fahrrad zur gleichen Zeit, als ich mit dem Kartfahren angefangen habe - da war ich ungefähr drei", erinnert sich der heute 24-Jährige. Dabei sei es zwar in England schwierig, gute Strecken zu finden, jedoch habe er rund um die Fabrik seines Teams einige brauchbare Passagen entdeckt.

"Alles ist ein Wettkampf für mich, sogar Kartenspiele. Das muss in meinen Genen liegen." Fernando Alonso

Neben Fahrradfahren und Einkaufen geht Alonso auch gerne ins Kino, um "Komödien anzusehen, keine traurigen Filme. Ich möchte mich glücklich fühlen, nicht bedrückt." Auch wenn er privat normalerweise eher ein ruhiger Typ ist, liebt er den Wettkampf, auch außerhalb der Formel 1: "Ich bin sehr konkurrenzbetont, ich war schon immer sehr konkurrenzbetont. Wir haben in Malaysia letzte Woche Tennis gespielt, und ich wollte das Match genauso unbedingt gewinnen wie ein Formel-1-Rennen. Alles ist ein Wettkampf für mich, sogar Kartenspiele. Das muss in meinen Genen liegen", berichtet Alonso.

Hätte er seine zweite Karrieremöglichkeit ergriffen, würden die Menschen in Spanien Alonso wohl nicht aus dem Fernsehen kennen, sondern er würde ihnen eventuell eines Tages an der Haustüre gegenüber stehen. Einer seiner engsten Freunde handelt mit Isolierverglasungen - und möglicherweise wäre Alonso ihm nachgefolgt: "Ich habe ihm immer bei der Arbeit in den Häusern geholfen. Wir waren beide verrückt nach Autos, aber unsere Familien haben immer dafür gesorgt, dass wir nicht abheben. Wir mussten einen Plan B parat haben, wenn es mit dem Rennfahren nicht klappen sollte", erläutert er.

Süße Siege gegen Michael Schumacher

Michael Schumacher Fernando Alonso

Mit Michael Schumacher duelliert sich Fernando Alonso besonders gerne Zoom

In der Saison 2006, in die der Spanier mit einem Sieg und einem zweiten Platz gestartet ist und die Fahrerwertung erneut anführt, sieht er vor allem im neuen Qualifikationssystem eine enorme Herausforderung: "Vermassele den ersten Abschnitt, und dein Wochenende ist ruiniert, weil man dann mit den ersten sechs Fahrern ausscheidet. Vermassele den zweiten Teil, und du verpasst die Top 10", berichtet er. Auch die Motorenregel mit den Strafversetzungen habe es in sich. Deshalb müsse man einfach rausfahren und jede Runde sein Bestes geben.

Indes empfindet Alonso für den siebenfachen Rekordweltmeister Michael Schumacher enormen Respekt: "Ich kann mir nicht vorstellen, 2019 noch um die Weltmeisterschaft zu kämpfen", erklärt er mit einem Augenzwinkern. Kämpfe und Siege gegen den deutschen Routinier schmecken Alonso deshalb immer besonders gut, weshalb er großen Spaß an seinem Duell mit Schumacher in Bahrain hatte. "Ich habe den Sieg in Bahrain genossen. Mit dem siebenfachen Weltmeister um den Sieg zu kämpfen, ist immer großartig. Mit einer Sekunde Vorsprung zu gewinnen und Michael zu überholen, ist besser, als irgendeinen anderen Fahrer zu überholen, und ich mag den Gedanken, dieses Duell bis zum letzten Rennen weiterzuführen."

Zukunftspläne in und nach der Formel 1

Unabhängig davon, ob er in dieser Saison seinen Titel verteidigen kann, wird er sein Renault-Team Ende des Jahres verlassen und für 2007 zu McLaren-Mercedes wechseln. Vielfach machen Spekulationen die Runde, dass er diesen Wechsel nur des Geldes wegen vollziehen würde. Dem widerspricht Alonso jedoch: "Ich bin glücklich bei Renault, aber man muss im Leben immer neue Motivationsmöglichkeiten finden, und das war nur ein Teil meiner Entscheidung für die Zukunft."

Und von dieser Zukunft hat der junge Spanier bereits genaue Vorstellungen, die weit über seine Zeit als Formel-1-Pilot hinaus reichen. Während er momentan seinen Traum auf den Rennstrecken dieser Welt auslebt, äußert er sich zu seiner Zeit danach so: "Meine ideale Zukunft wäre, mein eigenes Haus in Spanien zu haben, eine Frau und Kinder zu haben, und nahe meiner Eltern und meiner Schwester zu leben. Eines Tages wird dieses Leben vorbei sein, und dann werde ich glücklich sein, wieder in das normale Leben zurückzukehren."

Aber dieser Schritt hat - zum Glück und zur Freude aller Formel-1-Fans - noch eine Weile Zeit...