• 06.10.2011 12:07

  • von Dieter Rencken

Alonso: "In zwei Monaten sind die Positionen vergessen"

Ferrari-Pilot Fernando Alonso spricht über seine Pläne für die noch ausstehenden Saisonrennen und seinen Eindruck von der Rennstrecke in Suzuka

(Motorsport-Total.com) - Fernando Alonso und das Ferrari-Team reisten ohne Druck nach Japan, denn in der Gesamtwertung spielt das spanisch-italienische Gespann nun keine Rolle mehr. Sebastian Vettel (Red Bull) macht seinen erneuten Titelgewinn möglicherweise in Suzuka perfekt, in der Teamwertung liegt Ferrari schon länger recht aussichtslos hinter Red Bull zurück. In seiner Medienrunde erklärt Alonso, dass er in den letzten Rennen des Jahres trotzdem alles geben möchte - auch im Hinblick auf 2012.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso möchte sich jetzt schon auf die Saison 2012 vorbereiten

Frage: "Fernando, du bist nicht mehr in den diesjährigen Titelkampf involviert. Wie gelingt es dir, deine Motivation trotzdem hochzuhalten? Was sind deine Ziele für den restlichen Saisonverlauf?"
Fernando Alonso: "Um ehrlich zu sein: Auch wenn das jetzt das erste Rennen ist, in dem wir nicht mehr um den Titel kämpfen können - wir hatten schon vor drei oder vier Events keine großen Hoffnungen mehr, noch einmal in den WM-Kampf einzugreifen."

"Die Herangehensweise an dieses Wochenende hat sich also nicht dramatisch verändert. Ich fühle mich stets motiviert, denn als Formel-1-Fahrer bist du eine konkurrenzfähige Persönlichkeit. Es gefällt mir nicht, wenn ich überholt werde. Ich überhole viel lieber selbst andere Autos."

"Es macht mir auch keinen Spaß, in der dritten oder vierten Startreihe zu stehen. Ich möchte auf die Pole-Position fahren. Das ist die einzige Motivation in der Formel 1, die dich alltäglich dazu anspornt, Druck zu machen. Das ist jetzt nicht anders als in den vergangenen Rennen."

"Ich will die Pole-Position und den Sieg. Bei unserer derzeitigen Leistung ist das vielleicht nicht drin. Dessen bin ich mir bewusst. Du hoffst aber trotzdem stets darauf, dass es doch klappen kann. Insgesamt geht es für uns in den noch ausstehenden Rennen darum, unser Bestes zu geben. Wie ich schon sagte: Platz zwei oder Rang drei sind nicht interessant für mich. Wir wollen uns die bestmögliche Position sichern."

"Für uns kommt es darauf an, McLaren vom zweiten Platz zu verdrängen." Fernando Alonso

"Was den Titelkampf anbelangt, ist die Herstellerwertung sicherlich das Wichtigste. Für uns kommt es darauf an, McLaren vom zweiten Platz zu verdrängen. Das ist gewiss ein sehr schwieriges Ziel, aber trotzdem werden wir dahingehend Druck machen. In der WM-Wertung der Fahrer ist Platz zwei ebenfalls möglich, doch ich denke nicht, dass es einen Unterschied macht, ob ich nun Zweiter, Dritter, Vierter oder Fünfter bin."

"In zwei Monaten sind die Positionen eh vergessen. Im Zweifelsfall würde ich es vorziehen, eines der verbleibenden Rennen zu gewinnen, statt Zweiter in der Gesamtwertung zu sein. Wir versuchen einfach, unser Bestes zu geben. Hoffentlich ist das Auto in ein paar Rennen so konkurrenzfähig, dass wir um den wirklich wichtigen Platz kämpfen können."

Entwickeln für eine bessere Zukunft

Frage: "Kannst du in den letzten Saisonrennen noch etwas für 2012 lernen? Handelt es sich dabei gewissermaßen um schmückendes Beiwerk oder sinnvolle Entwicklungsarbeit?"
Alonso: "Nun, natürlich wollen wir etwas für 2012 dazulernen. Es geht darum, unterschiedliche Komponenten zu evaluieren."

"Es könnten experimentelle Dinge sein, die wir nun ausprobieren und im kommenden Jahr einführen. In diesem Jahr wird es sicherlich noch wechselhafte Bedingungen geben, wenn auch nicht an diesem Wochenende. Ich denke da an Südkorea und Brasilien. Wir können also in unterschiedlichen Rennphasen einige Dinge ausprobieren. Dann sehen wir, ob es funktioniert."

"Niemand in der Box ist glücklich darüber, in der dritten oder vierten Startreihe zu stehen." Fernando Alonso

"Wie ich schon sagte: Wir sind konkurrenzfähig veranlagt. Niemand in der Box ist glücklich darüber, in der dritten oder vierten Startreihe zu stehen. Wir wollen vorne sein. Wir sind so konzentriert, als wäre dies das letzte Rennen des Jahres und als würden wir um den Titel kämpfen. Wir wollen gut abschneiden und das ist die Motivation für die kommenden Grands Prix."

Frage: "Was fehlte Ferrari, um nach wie vor im Titelrennen mitmischen zu können? Wie lautet deine Einschätzung?"
Alonso: "Ein besseres Auto. Ich denke, wir hatten nur in einem Rennen ein wirklich konkurrenzfähiges Fahrzeug. Diesen Grand Prix gewannen wir. Wenn wir also ein konkurrenzfähiges Auto haben - es muss nicht notwendigerweise das beste sein -, dann können wir auch den Titel gewinnen."

Frage: "Wie könnte es dir gelingen, Jenson Button zum Weltmeister zu machen, und nicht Sebastian Vettel? Siehst du eine Möglichkeit?"
Alonso: "(lacht; Anm. d. Red.) Nein, nein. Ich sehe keine Möglichkeit. Selbst wenn Sebastian ab sofort nur noch am TV-Bildschirm zusieht, kann man sich nur schwer vorstellen, dass Jenson fünf Rennen in Folge gewinnt."

"Mark (Webber) dürfte im Red Bull extrem konkurrenzfähig sein. Wir sind ebenfalls konkurrenzfähig und Hamilton wird in manchen Rennen vor, in anderen Läufen hinter Jenson liegen. Sebastian hat den Titel also schon in der Tasche."¿pbvin|512|4151||0|1pb¿

Der zweite Titel geht einfacher von der Hand...

Frage: "Du kennst die Situation, in der sich Sebastian Vettel im Augenblick befindet. Er steht vor dem Gewinn seines zweiten WM-Titels. Was bedeutet dieser Erfolg im Vergleich zum ersten Triumph?"
Alonso: "Es gibt einen Unterschied. Der zweite Titelgewinn geht meist etwas ruhiger vonstatten. Du hast dann bereits einen Titel in der Tasche und es ist kein unrealistischer Traum mehr."

"Beim ersten Mal ist es mehr oder weniger eine Überraschung, dass du Formel-1-Weltmeister bist. So war es auch im vergangenen Jahr, als Vettel als Dritter nach Abu Dhabi reiste. In diesem Jahr hatte er schon zur Mitte der Saison einen derart großen Vorsprung, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er erneut Weltmeister ist."

"Ich denke, er wird seinen zweiten Titelgewinn mehr genießen." Fernando Alonso

"Ich denke, er wird seinen zweiten Titelgewinn mehr genießen, weil er jetzt einfach entspannter sein kann. Es ist ja auch keine Überraschung. Jeder weiß, dass er siegen wird. Dementsprechend kannst du dich auch besser darauf vorbereiten."

Frage: "Viele Fahrer nennen Suzuka als eine ihrer Lieblingsstrecken. Weshalb ist das so? Wie stehst du zu dieser Thematik?"
Alonso: "Da wäre als Erstes das Layout zu nennen. Es ist wie in Fuji - die japanischen Kurse sind einfach ein bisschen anders. Aus welchen Gründen auch immer, aber sie haben hängende Kurven und recht einmalige Kurventypen. Manche davon sind fast im Kamikaze-Stil. Das ist etwas Einmaliges, doch wir Fahrer lieben es, hier zu fahren."


Fotos: Fernando Alonso, Großer Preis von Japan


"Hinzu kommt die Atmosphäre. In Suzuka treten wir vor so vielen Fans und Leuten an, die den Motorsport ungeheuer genießen. Wir finden das klasse. Die Tribünen sind einfach immer voll. Dabei spielt es keine Rolle, ob es ein gutes oder schlechtes Jahr ist oder welche Session gerade ansteht. Das ist schon sehr schön für uns. Alle Fahrer mögen Suzuka - aus den genannten Gründen."

Alonso begrüßt Sicherheits-Fortschritte

Frage: "Dein Teamkollege Felipe Massa hatte in Singapur eine Kollision mit Lewis Hamilton. Aus deiner Sicht: Wie schwierig ist es nach einem Rennen, die Fragen der Journalisten zu beantworten, wenn das Adrenalin durch deinen Körper strömt und du versuchst, die Ruhe zu bewahren?"
Alonso: "Ich weiß nicht. Das kommt ganz auf die Situation an."

"Es ist nicht sehr oft der Fall, dass ich Rad-an-Rad-Duelle mit meinen Konkurrenten habe. Das kann einmal in zwei Jahren passieren, bei anderen Piloten ist es alle zwei Rennen soweit. Für diese Fahrer ist das viel mehr ein Problem als für mich."

Frage: "Sprechen wir über den neuen Schutzstreifen an der Oberkante des Helmvisiers. Was hältst du davon und wirst du diese Neuerung am Wochenende einsetzen?"
Alonso: "Ja. Wenn ich mich nicht irre, ist es in diesem Event für alle Fahrer vorgeschrieben. Wir müssen es verwenden. Der Plan scheint wohl zu sein, dieses System im kommenden Jahr in die Formel 1 einzuführen."

"Ich habe es bisher noch nicht ausprobiert, freue mich aber über die Gelegenheit." Fernando Alonso

"Ich habe es bisher noch nicht ausprobiert, freue mich aber über die Gelegenheit, dies jetzt einmal zu tun. Es ist etwas, das die Sicherheit verbessert. Als damals das HANS-System eingeführt wurde, musste man auch ein bisschen damit experimentieren, bis es mehr oder weniger komfortabel war. Unterm Strich verbessert es halt deine Sicherheit."

"Dieser Schutzstreifen über dem Visier ist also eine gute Sache und sollte uns im Falle eines Frontalunfalls schützen. Ich bin zufrieden damit, es zu nutzen. Hoffentlich bleiben wir da am Ball - und das nicht nur im Hinblick auf die Formel 1, sondern auch in anderen Kategorien oder im Kartsport und dergleichen. Die Formel 1 ist auch eine Rennserie, in der man Dinge erstmals umsetzt, die dem Motorsport insgesamt zugute kommen können."