• 16.03.2010 09:31

Allison: "Wir sind immer für Punkte gut"

Renault-Technikchef James Allison und die Lehren aus dem Saisonauftakt in Bahrain: Der R30 ist besser als erwartet

(Motorsport-Total.com) - Nach den abschließenden Wintertests in Barcelona sah Renault nicht allzu gut aus, doch pünktlich zum Saisonstart in Bahrain konnten die Franzosen das Ruder herumreißen. Robert Kubica und Formel-1-Rookie Vitaly Petrov zeigten im Qualifying solide Leistungen, wurden aber im Rennen aus unterschiedlichen Gründen nicht mit Punkten belohnt. Renault-Technikchef James Allison analysiert das erste Rennwochenende des Jahres.

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

Der Renault R30 trumpfte in der Wüste von Bahrain stärker auf als erwartet

Frage: "James, wie bewerten Sie den Auftritt von Renault beim Saisonauftakt in Bahrain?"
James Allison: "Alles in allem bin ich enttäuscht, dass wir mit leeren Händen abreisen müssen. Das ist nicht die gerechte Belohnung, die wir für unseren Einsatz der vergangenen Monate und das Potenzial des Renault R30 eigentlich verdient hätten. Auf der anderen Seite bin ich zufrieden, dass wir auf Anhieb unsere selbstgesteckten Performance-Ziele erfüllen konnten. Vom reinen Speed her hätten wir im Qualifying Platz sechs oder sieben erreichen können - das wäre deutlich besser als zu Beginn und gegen Ende der vergangenen Saison. Es beweist, dass uns mit dem neuen Auto ein großer Schritt nach vorne gelungen ist."#w1#

Frage: "Bahrain war die Premiere für ein erstes großes Updatepaket. Wie hat es funktioniert?"
Allison: "Im Vorfeld der Saison war es sehr schwierig, die Leistungsfähigkeit der einzelnen Teams exakt einzuschätzen. Dennoch versuchten wir uns auszurechnen, wo wir stehen. Das Wochenende in Bahrain hat unsere Vorhersagen teilweise übertroffen. Unsere relative Leistungsfähigkeit in Verbindung mit den gesammelten Daten lässt mich vermuten, dass das neue Paket genau das gebracht hat, was wir uns erhofft hatten. Zwar handelt es sich bei Bahrain um einen recht unüblichen Kurs mit nur wenigen schnellen Kurven, aber ich glaube dennoch, dass wir in Melbourne an das gezeigte Niveau anknüpfen und vielleicht sogar einen weiteren Schritt vorwärts machen können."

Frage: "Der Windkanal in Enstone wurde vergangenen November mit einem neuen Rollband ausgestattet. Wirkt sich diese Modifikation bereits aus?"
Allison: "Bereits während des Umbaus, vor allem aber danach legten wir ein hohes Entwicklungstempo an den Tag. Und wir erwarten praktisch zu jedem Saisonlauf eine Performancesteigerung. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht vergessen, dass wir im Qualifying rund eine Sekunde langsamer waren als die Spitze. Wir sind auf einem achtbaren Leistungsniveau in die Saison gestartet, und wir wollen sie beenden auf einem Level, das ich als gut bezeichnen würde."

"Wir sind auf einem achtbaren Leistungsniveau in die Saison gestartet." James Allison

Frage: "Wie schätzen Sie die Leistung Ihrer Fahrer beim Saisonauftakt ein?"
Allison: "Robert glänzte in Q2 mit einer tollen Runde, die das Potenzial des R30 widerspiegelte. Am Sonntag fuhr er ein fehlerloses Rennen, obwohl er nach der unverschuldeten Kollision bis ans Ende des Feldes fiel. Als Fahrer bringt er exakt das mit, was wir wollen. Er motiviert das Team, ist bereit, genauso hart zu arbeiten wie alle anderen, und bringt konstruktive Ideen ein, wie wir uns weiter verbessern können. Es ist fantastisch, mit einem Fahrer zu arbeiten, der hohe Anforderungen an sich selber und das Team stellt - genau das, was wir auf dem Weg zurück an die Spitze brauchen."

"Vitaly lieferte genau das, was wir von ihm erwartet hatten. Während der Saisonvorbereitung hatte er Pech mit dem Wetter und konnte nur wenige Runden unter optimalen Bedingungen fahren. Um genau zu sein, fuhr er in den Freien Trainings am Freitag mehr im Trockenen als während der gesamten Wintertests. Trotzdem war er bereit, als es drauf ankam. Er qualifizierte sich souverän für den zweiten Qualifying-Durchgang. Und keiner war frustrierter über seine Leistung in Q2 als er selber. Trotzdem war das eine durchweg gute Vorstellung für einen Debütanten. Er wusste mit dem Druck umzugehen und ihm gelang ein guter Start. Anschließend fuhr er bis zu seinem Ausfall konstante Rundenzeiten. Er war auf dem Weg zu einem guten Ergebnis, vielleicht sogar in Richtung Punkteränge."

Frage: "Der Grund für Vitalys Ausfall war ein Problem mit der Aufhängung. Können Sie erklären, was passiert ist?"
Allison: "In der elften Runde berichtete Vitaly per Funk, dass sein Auto sich komisch verhält. Gleichzeitig verlor er viel Zeit auf den vor ihm fahrenden Rubens Barrichello. Wir riefen ihn an die Box für einen Sicherheitscheck. Dort stellten wir ein Problem mit der Pushrod-Aufhängung vorne rechts fest, wir konnten ihn nicht weiterfahren lassen. Unsere Analyse ergab, dass das Gestänge wegen des hohen Fahrzeuggewichts zu Beginn die Karosserie touchierte. Dadurch wurde ein Befestigungsbolzen beschädigt und eine Abstandscheibe ging verloren."


Fotos: Renault, Großer Preis von Bahrain


"Bei Robert trat dieses Problem nicht auf, weil er eine etwas andere Bodenfreiheit bevorzugte. Wir sind natürlich unglücklich darüber, dass uns dieses Problem während der Saisonvorbereitung nicht aufgefallen ist. Die betroffenen Komponenten werden wir bis zum nächsten Rennen so modifizieren, dass uns so etwas nicht noch einmal passiert."

Frage: "In Bahrain sammelte das Team wieder fleißig Überstunden - und knüpfte damit nahtlos an den enormen Arbeitsaufwand der vergangenen Wochen und Monate an. Was sagen Sie zu diesen fast schon übermenschlichen Anstrengungen?"
Allison: "Die Leistung eines Rennteams lässt sich letztlich nur an der auf der Strecke gezeigten Leistung bewerten. Im vergangenen Jahr mussten wir in puncto Selbstbewusstsein einige Tiefschläge einstecken. Die einzige Möglichkeit zurück besteht für uns darin, einen achtbaren Rennwagen zu bauen und mit Anstand Rennen zu fahren."

"Wir wollten für das erste Rennen der Saison so viel Performance aus dem Renault R30 holen wie möglich. Wegen des Windkanal-Umbaus im vergangenen November mussten wir einen Großteil unserer Entwicklungsarbeit bis zuletzt aufschieben. Dadurch entstand nicht nur großer Druck auf unsere Entwicklungsabteilung, sondern auch auf die Kollegen aus der Produktion und dem Einkauf sowie auf unsere Zulieferer. Um bis zum Saisonauftakt fertig zu werden, mussten wir mit Zeitvorgaben arbeiten, die es so in der Vergangenheit noch nie gab und die unser System an seine Grenzen führte."

¿pbvin|512|2537||0|1pb¿"Auch das Rennteam an der Strecke musste regelmäßig die Nacht zum Tage machen. Auf ihren Schultern lastete eine enorme Verantwortung, die sie aber zu tragen wussten. Der ganze Einsatz hat sich zwar am vergangenen Wochenende nicht in Form von WM-Punkten ausgezahlt, aber das gezeigte Engagement ist der beste Beweis für unsere Entschlossenheit, uns in alter Stärke zurückzumelden."

Frage: "Das Ziel für Melbourne lautet also, den eigenen Einsatz mit Punkten zu versüßen?"
Allison: "Absolut. Wir haben mit dem R30 ein Auto konstruiert, dass in jedem Rennen für WM-Punkte gut sein sollte. Wenn wir das Tempo in puncto Weiterentwicklung aufrecht halten, wird sich daran auch nichts ändern.