Albert-Park-Chef: "Fordern keine Rückkehr zum alten Sound"

Zu Saisonbeginn drohten die Promoter des Australien-Grand-Prix wegen des leisen Sounds der Formel 1 sogar mit Klagen, nun zeigt man sich deutlich versöhnlicher

(Motorsport-Total.com) - Der diesjährige Grand Prix von Australien sorgte für einen mächtigen Nachhall - und das gerade deswegen, weil die Lautstärke der neuen V6-Turbotriebwerke nicht annähernd an die ihrer Vorgänger herankommt. Die Königsklasse des Motorsports war plötzlich leiser als diverse Nachwuchsserien - für viele Puristen eine Bankrotterklärung.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen, Valtteri Bottas, Jean-Eric Vergne

Viele Fans im Albert Park vermissten dieses Jahr die dröhnenden Motoren Zoom

Andrew Westacott, Geschäftsführer der Australian-Grand-Prix-Corporation, drohte sogar mit einem gerichtlichen Nachspiel, weil man nicht das Produkt geliefert bekam, für das man die teure Lizenzgebühr zahlte. In seinem Büro liefen damals die Telefone heiß, der Postkasten ging über. "Ich habe 30 bis 40 Briefe von Leuten bekommen, die Tribünentickets hatten", bestätigt der Australier gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Viel kam auch über 'Twitter', 'Facebook' und per Telefon herein."

Der Tenor: "Die gesamte Show und ein Teil dessen, was die Leute lieben, hat mit dem Lärm zu tun. Das löst die Aufregung aus. Sie hatten das Gefühl, dass ihnen ein Teil der Atmosphäre einfach weggenommen wurde. Und sie reisen teilweise um die halbe Welt, um den Grand Prix zu sehen."

Westacott weiß: Alter Sound ist Geschichte

Nico Rosberg Megafon-Auspuff

Mercedes' Trichter-Trick hat sich in Barcelona nicht als Geniestreich erwiesen Zoom

Inzwischen haben sie die Gemüter etwas beruhigt, dennoch ist es den Promotern ein Anliegen, dass in der Soundproblematik für Abhilfe gesorgt wird. Aus diesem Grund gab es am Samstag in Barcelona sogar ein Treffen der Rennpromoter, das von Ron Walker, dem Vorsitzenden des Grand Prix von Australien, geleitet wurde. Um diese Sitzung wurde bewusst wenig Wind gemacht, denn man will unbedingt verhindern, dass sich die negativen Aussagen über den Motorenlärm auf die Besucherzahlen der kommenden Grands Prix auswirken.

Westacott, der ebenfalls in Barcelona weilte, gibt aber zu, dass der Hauptgrund für das Treffen die Sorgen um mögliche Besucher-Rückgänge war: "Alles steht im Zeichen der Sound-Debatte - ob es da eine Änderung geben kann."

Die Klagsdrohung Westacotts dürfte wohl eher ein Säbelrasseln gewesen sein - doch welche Position nimmt er nun in Hinblick auf den Sound der Formel-1-Zukunft ein? "Niemand fordert, dass wir wieder zurückgehen zur gleichen Klangfrequenz", überrascht er. "Das wäre bei diesen Motoren auch unmöglich."

Mittelweg als Optimallösung?

Formel-1-Dorf in Bahrain

Die Merchandising-Händler freuen sich über den gesunkenen Lärmpegel Zoom

Dennoch wünscht er sich - wie gestern in Barcelona von Mercedes mit dem "Megafon"-Auspuff getestet - einen deutlichen Anstieg der Lautstärke: "Es muss wieder lauter werden. Es ist, wie wenn man auf ein Pink-, Madonna- oder U2-Konzert geht: Wenn es zu leise ist, dann löst das bei den Besuchern zu wenig aus. Daher mein Vorschlag: Dreht die Lautstärke ein bisschen nach oben."

Ihm ist bewusst, dass man mit mehr Motorenlärm nicht alle zufriedenstellen würde: "Für die Verkäufer an der Rennstrecke war die niedrige Lautstärke gut. Sie haben gesagt, dass es besser für das Geschäft ist. Sie konnten mit den Kunden sprechen und besser auf sie eingehen. Für alle, die in der Formel 1 arbeiten, ist es so besser. Für kleine Kinder ist es gut, aber ich denke, dass wir da einen Mittelweg finden können, denn wir müssen eine Show bieten."

Formel 1 muss besseres Produkt liefern

Fans in Barcelona

Hat sich die Formel 1 zu weit von den Fans distanziert? Die Promoter wollen das ändern Zoom

Doch gerade, wenn es darum geht, die Formel 1 dem Zuschauer näher zu bringen, hat die Motorsport-Topklasse Nachholbedarf. Nach dem Grand Prix von Australien klagte man zwar überall über den Sound, im Programmheft des Rennens wurde es aber verabsäumt, die Zuschauer mit der neuen Technologie vertraut zu machen. Dabei geben die Hersteller Millionen aus, um sich als High-tech-Konzerne in der Formel 1 zu präsentieren.

"Ich stimme absolut zu", sieht auch Westacott diesbezüglich Defizite. "Wir geben viel Geld aus, um das Publikum zu unterhalten - auf der Strecke und abseits der Strecke. Man muss die Zuschauer informieren, es benötigt Inserts auf den Bildschirmen - man muss alles tun, damit die Zuschauer ein interaktiveres Erlebnis haben, so wie sie es erleben, wenn sie bei einem Basketballspiel sind. Dort werden sie mit Statistiken versorgt, bekommen mit, wer wie viele Assists geleistet hat."

Promoter wollen mehr bewegen

Die Präsentation des Sports dem Zuschauer gegenüber war daher ein weitere Punkt, der beim Treffen der Promoter besprochen wurde. "Die Formel 1 geht stark in Richtung digitaler Applikationen", fällt Westacott auf. "Da gibt es viel Content. Wir müssen versuchen, diese Inhalte an den Kunden zu bringen, wir müssen die Leute besser informieren, damit sie wissen, worum es geht. Am Ende geht es um Autos, aber die normalen Autos sind nicht aus Karbon gemacht, haben keine Schaltwippen und KERS und ERS und so weiter. Das muss der Zuschauer besser verstehen."

Die Rennpromoter, die bislang ein zerstreuter Haufen waren, wollen sich nun formieren, um sicherzustellen, "dass die Show, der Zugang zu den Fahrern, die gesamte Werbung - auch über die Landesgrenzen hinaus - absolut top ist." Als Vorbilder sieht man diesbezüglich US-Ligen wie die National Basketball League (NBA) oder die National Football League (NFL): "Auch dort investiert man viel Zeit und Bemühungen, um das Marketing zu verbessern."