• 01.09.2009 09:17

  • von Roman Wittemeier

2010: Von Hockenheim nach Spa mit einer Tankfüllung

Das kommende Tankverbot in der Fomel 1 und seine Auswirkungen: veränderte Autos, mehr Verbrauchsoptimierung, weniger Strategie?

(Motorsport-Total.com) - Im Zuge der Sparmaßnahmen in der Formel 1 wird für die kommende Saison das Nachtanken während der Rennen wieder verboten. 16 Jahre lang hatte das Nachfüllen des Treibstoffs für taktische Spielchen, Spektakel an den Boxen und auch mehrere Zwischenfälle gesorgt. Als es 1994 wieder erlaubt wurde, sorgte ein Feuerunfall des damaligen Schumacher-Teamkollegen Jos Verstappen für erste Aufregung. In den vergangenen Jahren war die Prozedur zwar zunehmend sicherer, aber dennoch gab es immer Kritiker.

Titel-Bild zur News: Fuel out

Ab 2010 wird das Nachtanken im Rennen verboten sein: Ende der Taktik?

"Wir müssen mal abwarten, wer mit wie viel Benzin unterwegs ist" - Wie oft hat man diesen Satz in den vergangenen Jahren gehört. Die Treibstoffmenge im Qualifying und zum Rennstart ist bis heute das große taktische Mittel, welches von den Teams angewandt werden kann. Zwar spielt man den Benzin-Poker seit Beginn dieser Saison mit offenen Karten, aber dennoch ist nicht immer sofort ersichtlich, wer für das Rennen einen Straight Flush legt.#w1#

Angeblich soll durch die Abschaffung des Nachtankens pro Team eine Einsparung von rund einer halben Million Euro pro Jahr möglich sein. Dabei wird allerdings häufig vergessen, dass diese Regeländerungen Folgekosten nach sich ziehen, die das Sparpotenzial um ein Vielfaches übersteigen dürften. Die Formel-1-Boliden brauchen ab 2010 größere Tanks, um überhaupt genug Benzin für eine komplette Renndistanz aufnehmen zu können.

Höheres Gesamtgewicht der Fahrzeuge

Statt bisher rund 80 Kilogramm muss der Tank ab dem kommenden Jahr rund 160 Kilogramm fassen. Das hat deutliche Konsequenzen beim Bau der Autos. "Vielleicht werden wir die längsten Formel-1-Autos aller Zeiten sehen", vermutet Willy Rampf. Der Technische Direktor im BMW Sauber F1 Team erklärt: "Die Platzierung des Tanks ist vorgegeben. Er muss hinter dem Fahrer sein. Dort können wir in der Breite nichts machen. Also wird man das Auto in die Länge ziehen müssen."

Durch die baulichen Anpassungen dürfte sich der Radstand verändern. Es werden neue Analysen und Bauteile fällig, um die Boliden auf gute Balance im kommenden Jahr zu trimmen. Durch die höhere Benzinlast ändert sich die Gewichtsverteilung deutlich, der Schwerpunkt rückt weiter nach oben. Durch das höhere Gesamtgewicht wirken ganz andere Kräfte, vermutlich müssen die Autos in Zukunft härtere Dämpfereinstellungen und mehr Bodenfreiheit bekommen. Ein Rattenschwanz, der sich auch in der gesamten Aerodynamik niederschlagen dürfte.

Felipe Massa

Tankstopp Barcelona 2007: Felipe Massa mit reichlich Feuer am Heck Zoom

Auch die Reifen werden aufgrund des höheren Gewichts mehr gefordert. "Für uns kann das nur gut sein, denn mit mehr Gewicht generiert man in der Regel höhere Reifentemperaturen", freut sich Ross Brawn. Der Teamchef merkt allerdings an, dass sich im Reglement für 2010 eine Krux - durch KERS bedingt - befindet: "Die Vorderreifen werden schmaler, die Reifen werden also ganz schön unter Belastung stehen. Ich glaube daher, dass es nächstes Jahr entscheidend wird, im Rennen gut mit den Reifen zu haushalten."

Gut möglich, dass man im kommenden Jahr mehr Boxenstopps erleben wird. Einerseits werden die Pneus gerade im ersten Stint extrem belastet, andererseits dürften die Standzeiten an der Box kürzer werden, ein zusätzlicher Stopp in manchen Fällen also noch attraktiver. "Die Reifenwechsel dürften dann jeweils in etwa drei bis vier Sekunden erledigt sein", meint Flavio Briatore. Der Renault-Teamchef ist ein Fan der Regeländerung: "Ich glaube, das kann der Show nur gut tun."

Mehr Überholmanöver auf der Strecke?

McLaren-Mercedes-Teamchef Martin Whitmarsh sieht es differenzierter: "Ich denke, es hat gute und schlechte Seiten. Für uns Fachleute hat die aktuelle Möglichkeit, mit der Benzinlast zu spielen, durchaus reizvolle Seiten. Aber wir müssen natürlich auch an das Publikum denken. Die Leute, die nur ab und zu Formel 1 schauen, können kaum nachvollziehen, dass manchmal im Qualifying nicht das schnellste Auto vorne steht. Es wird dadurch nun weniger komplex."

Ein weiterer Hintergedanke bei der Abschaffung der Tankstopps war eine mögliche Veränderung des Fahrerverhaltens. Wenn aktuell ein Pilot mit mehr Benzin einem leichteren Auto folgen kann, dann ist ein Überholmanöver ein unnötiges Risiko. Man wartet, bis der andere Fahrer zum Tanken kommen muss, legt ein paar schnelle Runden auf die Bahn und sortiert sich automatisch nach dem eigenen Stopp vor dem Konkurrenten wieder ein.

Das Tankverbot soll also mehr Action bringen, weil die Piloten zum Überholen gezwungen werden. Kein Manöver, keine Platzverbesserung - so einfach soll die Rechnung aussehen. Aber es gibt auch Kritiker, die berechtigt fragen: "Wie soll jemand überholen, der im Qualifying ohnehin langsamer war, also sowieso das langsamere Auto hat?" Genau dort haben einige Teamchefs und Piloten ganz eigene Ansichten.

David Coulthard

Seit 1994 war das Nachtanken wieder fester Bestandteil der Formel-1-Action Zoom

"Im Qualifying werden wir mit leeren Tanks fahren, aber starten tun wir dann auf einmal mit einem vollen Tank. Das ist wie Tag und Nacht", erklärt Robert Kubica. "Es wird darauf ankommen, wer ein breites Betriebsfenster schafft - mit einem Fahrverhalten, das in einem möglichst breiten Fenster halbwegs neutral ist. Dieses Jahr ist dieses Fenster sehr klein, daher ist es auch so schwierig, das Setup auf die Reihe zu bekommen."

Nicht zwangsläufig muss jenes Auto, welches den besten Speed im Qualifying hatte, auch unter voller Benzinlast das schnellste Fahrzeug im Feld sein. Dies lässt sich bereits in diesem Jahr am Beispiel Toyota bestens ablesen: In den Rennen machen Jarno Trulli und Timo Glock oft eine bessere Figur, weil sie für die zusätzliche Benzinlast nicht genauso hart auf der Uhr bestraft werden wie mancher Konkurrent. Es könnte also beispielsweise sein, dass sich 2010 Ferrari immer die Pole-Position holt, im Rennen dann aber McLaren das bessere Auto hat.

Verbrauchsoptimierung rückt in den Vordergrund

Ein weiterer Faktor wird ab 2010 entscheidend sein: Benzinverbrauch. Das Team um Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug wird vermutlich schon jetzt ein wenig grinsen, denn deren Aggregat gilt als sehr effizient. Klare Sache: Wer auf den rund 300 Kilometern von Hockenheim bis Spa-Francorchamps weniger verbraucht, muss zu Beginn weniger tanken. Dies hat einen deutlichen Effekt, denn das Gesamtgewicht des Fahrzeugs ist während des Rennens konstant geringer als bei der durstigen Konkurrenz.

Die aktuellen Motorenhersteller in der Formel 1 - und auch Neuzugang Cosworth - müssen sich also anstatt auf minimale Leistungsverbesserungen durch Optimierungen des Motorumfeldes nun auf Verbrauchsperfektion stürzen. Immerhin bekommt die Formel 1 dadurch indirekt wieder eine leicht grüne Note, wo das Hybridsystem KERS doch schon nach nur einer Saison wohl wieder ganz von der Bildfläche verschwindet.

¿pbvin|512|1904||0|1pb¿"Wir müssen es einfach mal versuchen", meint Ross Brawn und macht damit deutlich, dass auch er als Formel-1-Fuchs noch nicht alle Auswirkungen des Tankverbots für 2010 überschaut hat. Man werde im Winter und auch bei den ersten Rennen des kommenden Jahres viele neue Erfahrungen sammeln müssen, meint der Brite. "Während der Stopps bleibt dann die Benzinmenge gleich und es gibt sich der Vorteil frischer Reifen als Plus", so Brawn. Dies könne dazu führen, dass man die schnellsten Rennrunden regelmäßig zu Beginn des letzten Stints sehen werde.

Insgesamt geht man in der Formel 1 davon aus, dass sich die Rundenzeiten mit voller Benzinlast am Start deutlich erhöhen werden. Von drei bis vier Sekunden ist die Rede." Lasst es uns ein paar Jahre probieren. Das Wichtige ist, eine gute Show zu bieten", appelliert Renault-Chefingenieur Pat Symonds an die Kritiker der neuen Regeln. Vielleicht bringt das Tankverbot eine tatsächlich eine gute Show: 1986 bot Alain Prost ein schönes Spektakel, als er seinen Wagen wegen Spritmangel per Hand über die Ziellinie schieben musste.

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