• 03.11.2012 12:46

Die neue Formel 1: Was zählt, sind Märkte

Europa ist tot, es lebe Asien: Der Formel-1-Kalender bietet für alle Beteiligten schon riesige Herausforderungen, doch das war wohl erst der Anfang

(Motorsport-Total.com/SID) - In der vergangenen Woche hieß der große Rivale Kricket, aktuell sind es Kamelrennen, beim nächsten Lauf dann Rodeo-Reiten und zum Saisonabschluss geht es in die Hochburg von Samba, Karneval und Fußball: Die Formel 1 wird mehr und mehr zu einer echten Welt-Meisterschaft - mit allen Vor- und Nachteilen. Die Expandierung gen Osten bringt moderne Rennstrecken, neue Märkte und damit zusätzliche Gelder. Sie sorgt aber auch für manchmal fast unmenschliche Reisestrapazen, leere Ränge oder ein gefährliches Umfeld.

Titel-Bild zur News: Armut in Neu-Delhi

In Indien ist der Kontrast zwischen Paddock und Realität dramatisch Zoom

2013 werden nach bisherigem Stand 19 Rennen auf fast allen Kontinenten ausgefahren, davon nur noch sieben in Europa. 1997 waren es noch zwölf von 17 Läufen. Und das Ende der Entwicklung ist noch nicht abzusehen. "Das System in Europa ist verrückt, dadurch wird Europa langsam, aber sicher zerstört", sagt Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone. "Deshalb war es immer mein Anliegen, nach Osten zu gehen."

Der Brite hat längst klar gemacht, dass er weitere Europa-Läufe streichen will. Vier seien genug, philosophiert der 82-Jährige. Damit stehen wohl selbst Traditionsrennen wie in Monza, Silverstone oder Spa-Francorchamps auf der Kippe. Dafür werden 2014 New York und die russische Olympiastadt Sotschi in den Kalender rücken. Mexiko, Thailand und Argentinien stehen bereits in der Warteschleife. Nur Afrika ist weiter außen vor. Ecclestone ist zwar der Meinung, dass wir "da auch sein sollten", nur umgesetzt hat er es bisher nicht.

Geld regiert die Welt

Und politische Motive sind bestenfalls ein Vorwand oder ein positiver Nebeneffekt. Was zählt, ist allein das Geld. Mit Japan, China, Südkorea, Singapur, Indien oder Abu Dhabi ist man inzwischen auch auf den wichtigsten Wachstumsmärkten in Asien vertreten. Die vier zuletzt hinzugekommenen Austragungsländer zahlen zusammen mehr Antrittsgage, als 2012 die acht Europa-Rennen einbrachten. Deshalb stehen die Teams trotz einiger Nachteile hinter Ecclestone: Mindestens die Hälfte davon wird nämlich unter den Rennställen verteilt.

Manchmal entstehen so jedoch Rohrkrepierer. Zurück bleiben teuer gebaute Rennstrecken, nutzlos irgendwo im Nichts. Der Kurs in Istanbul wurde von den Fahrern geliebt, die Zuschauer blieben aber weg, die Veranstalter wollten das Antrittsgeld kürzen und so flog die Türkei nach sieben Jahren aus dem Kalender. Dasselbe Schicksal droht Südkorea, wo viele Formel-1-Gäste im drei Stunden von Seoul entfernten Mokpo in Stundenhotels untergebracht werden müssen und die Rennen vor gähnend leeren Tribünen ausgefahren werden. Schon die vierte Auflage 2013 ist fraglich.

Hamilton von Zuständen in Indien geschockt

Andere Orte öffnen den privilegierten Fahrern die Augen. Lewis Hamilton flog vergangene Woche beispielsweise völlig geschockt von Indien "ans andere Ende der Skala" nach Abu Dhabi weiter: "Ich komme gerade aus einer der ärmsten Regionen, die ich je gesehen habe", meinte der Brite. "Ich habe Frauen gesehen, die ihre Babys auf der Straße großziehen, unterernährte Kinder, die sterben müssen. Es war sehr traurig, das ansehen zu müssen."

Bleibt die Frage, ob die Formel 1 mit ihrem Luxus und Protz in diesen Ländern nicht fehl am Platz ist. Das Rennen in Indien wird jedenfalls nicht vom Staat finanziert, sondern von privaten Investoren. Die mussten jedoch im zweiten Jahr schon einen drastischen Zuschauer-Rückgang um mehr als 30 Prozent verzeichnen.

Paddock in Abu Dhabi

Der Paddock in Abu Dhabi wurde mit Millionen an Petro-Dollars gepflaster Zoom

Eine Motorsport-Tradition gibt es zwar in Indien, aber im Süden des Landes. Egal, das Rennen findet trotzdem in der Hauptstadt Delhi statt. "Das ist einfach der am schnellsten wachsende Markt in Indien", sagt Samir Gaur, Geschäftsführer des Veranstalters Jaypee Sports. Und Märkte sind eben das, was zählt in der Formel 1 am Anfang des dritten Jahrtausends.