• 15.03.2010 10:28

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Lotus: Die Chapman-Kappe ist wieder da!

Teamchef Tony Fernandes kämpfte nach der geglückten Premiere in Bahrain mit den Tränen - Mike Gascoyne ebenfalls zufrieden

(Motorsport-Total.com) - Das Lotus-Team hat sein erklärtes Ziel, beide Autos beim Saisonauftakt ins Ziel zu bringen, erreicht: Während HRT und Virgin jeweils Doppelausfälle zu verzeichnen hatten, wurde Heikki Kovalainen mit zwei Runden Rückstand 15. und Jarno Trulli trotz massiver Hydraulikprobleme, die unter anderem seine Servolenkung eliminierten, 17.

Titel-Bild zur News: Heikki Kovalainen

Lotus feierte gestern in Bahrain ein respektables Formel-1-Comeback

"Mir fehlen die Worte", zeigte sich Teamchef Tony Fernandes nach der Zieldurchfahrt gerührt. "Ich bin herumgehüpft wie ein Verrückter, ich bin wirklich aus dem Häuschen! Wir haben gesagt, wir wollen dieses Rennen beenden, und jetzt sind wir 15. und 17. und damit sogar besser als ein etabliertes Team wie Sauber. Das ist ein fantastisches Gefühl! Die Jungs waren klasse und das Beste heute war der Teamgeist."#w1#

Der Anfang ist gemacht

"Bahrain war wohl unser schwierigstes Rennen", weiß Technikchef Mike Gascoyne. "Wir haben ja gesagt, dass wir ein professionelles Team sein wollen, dass wir da sein und bereit sein werden, zuverlässig. Jetzt können wir an der Performance arbeiten. Die war gar nicht so schlecht, denn es gab viele, die nicht unter 2:00 Minuten gefahren sind. Unser Problem scheint die Einzelrunde zu sein, aber im Longrun sind wir schon ganz passabel. Wir sind zufrieden."

"Ohne die Probleme wären wir nur eine Runde hinten gewesen. Heikki hat sogar mit Hülkenberg gekämpft, wir waren also durchaus im Rennen", so Gascoyne, der ohne Angabe von Gründen behauptet, Kovalainen habe Timo Glock auf Weisung des Teams durchgelassen. "Alle haben sechs Monate lang hart gearbeitet, da ist das ein großer Motivationsschub. Auch für Tony ist es fantastisch, so ein Ergebnis zu holen, denn er hat seinen Kopf hingehalten. Ich bin sehr stolz auf alle."

Seit den Tests habe Lotus mit dem T127 noch einmal Fortschritte gemacht: "Es gab Hydraulikprobleme, aber die glauben wir im Griff zu haben. Das heute war etwas anderes, im Bereich der Kupplung", sagt er zum Defekt bei Trulli. Nun richtet sich Gascoyne schon nach vorne aus: "Wir müssen uns in Zukunft besser qualifizieren. Der Toro Rosso ist das nächste Auto vor uns - auf die konzentrieren wir uns jetzt."


Fotos: Lotus, Großer Preis von Bahrain, Sonntag


Fernandes kündigt schon für die nächsten Rennen in Australien und Malaysia neue Teile an, "aber ein größeres Update konnt dann in Barcelona". Der Malaysier war mit dem gestrigen Abschneiden zufrieden, hat jedoch immer die aktuellste Zeitentabelle eingesteckt. In Bahrain lief er damit durch die Boxengasse und erzählte jedem Journalisten: "Ganz oben steht 1:55 Minuten. Da wollen wir auch hinkommen!"

"Nach dem Qualifying", spricht Fernandes das Nachzüglerduell mit dem Virgin-Team seines früheren Chefs Richard Branson an, "haben alle gesagt, dass Virgin vor uns ist, aber wir waren uns sicher, dass wir sie in Sachen Zuverlässigkeit im Griff haben." Und weiter fügt er an: "Es war das erste von 19 Rennen und es werden sicher noch schmerzvolle Momente kommen, aber der Anfang hätte besser nicht sein können."

Zuverlässigkeit im Mittelpunkt

"Die Pace kannst du finden, aber die Zuverlässigkeit musst du haben. Ich habe Mike immer gesagt, er soll kein schnelles Auto bauen, sondern ein zuverlässiges", meint der Teamchef. "Bei einer Airline oder bei einem Haus ist es auch so: Du brauchst zuerst das Fundament und dann kannst du darauf aufbauen. Wenn das Fundament fehlt - in der Formel 1 ist das die Zuverlässigkeit -, dann wirst du die ganze Saison Probleme haben. So haben wir eine gute Plattform."

Colin Chapman

Legendär: Colin Chapman wirft nach einem Sieg seine Kappe in die Luft Zoom

Von Punkten, Podestplätzen oder gar Siegen ist Lotus natürlich noch meilenweit entfernt, aber das Team hat einen respektablen Einstand hingelegt. Vor allem wurde unterstrichen, dass man die große Tradition der Marke wahren möchte. Das unterstützt sogar Clive Chapman, der Sohn des 1982 verstorbenen Lotus-Gründers Colin Chapman. Der war bekannt dafür, nach jedem Sieg seine Kappe in die Luft zu werfen.

"Clive hat mir die Kappe seines Vaters gegeben. Er hat gesagt, wenn wir gewinnen, soll ich sie genau wie früher sein Vater in die Luft werfen! Das rührt mich sehr. Lotus ist wieder da", sagt Fernandes. "Wir sind nicht hier, um Drittletzter zu werden, sondern wir wollen Lotus wieder den alten Glanz geben. Es ist ein schönes Gefühl, diese Kappe bekommen zu haben, und eines Tages werde ich sie an der Boxenmauer in die Luft werfen. Das wird dann einer der Höhepunkte meines Lebens sein!"

"Wir haben eine gute Marketingstrategie, eine gute Marke und eine nette Fabrik", erklärt Fernandes und sieht sich als Zwischenführender im Wettbewerb der neuen Teams: "Die Leute vergessen, dass Virgin Manor hatte, also ein bewährtes Team. Hispania wurde von Dallara aufgebaut, aber wir bei Lotus hatten am Anfang nur vier Leute. All das - noch dazu drei Monate später, was oft vergessen wird - aufgebaut und auch noch ein Auto entwickelt zu haben, ist eine tolle Leistung."