• 14.09.2023 09:51

  • von Stefan Leichsenring

Nio ET5 Touring im Test: Lifestyle-Kombi mit viel Power

Der ET5 Touring ist im Vergleich mit der Limousine durch die große Heckklappe sicher die praktischere Variante - Aber wie fährt sich das Auto?

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Den Nio ET7 kennen Sie vielleicht - das ist eine große Elektro-Limousine. Den ET5 vielleicht auch, das ist ein Konkurrent des Tesla Model 3 und hat wie dieses nur einen kleinen Kofferraumdeckel. Sein Fahrrad einpacken, das geht damit kaum. Nun startet der Nio ET5 Touring: ein Lifestyle-Kombi mit großer Heckklappe und einem sehr starken Elektroantrieb.

Titel-Bild zur News: Nio ET5 Touring

Nio ET5 Touring Zoom

360 kW und ein Vier-Sekunden-Sprint sind wie bei der Limousinenversion Standard. Wählen kann man bei der Batteriegröße; wir haben die Version mit 100 kWh und 560 km Reichweite getestet. Für ein Reiseauto ist diese Version wohl auch die richtige - die 435 km der Basisversion sind inzwischen nur noch für Kleinwagen oder kleine SUVs angemessen.

Schick, aber kein Stauraum-Champion

Der Nio ET5 Touring aber ist ein 4,79 Meter langes Auto. Ein Fahrrad (zumindest mit ausgebautem Vorderrad) dürfte man damit locker transportieren können, wahrscheinlich sogar zwei. Mit 492-1.300 Litern schluckt der Touring allerdings nicht so viel wie der Opel Astra Kombi (516 bis 1.553 Liter), obwohl der Opel 15 Zentimeter kürzer ist.

Die Ladekabel müssen zudem im Kofferraum transportiert werden - einen Frunk (oder auch nur ein genügend großes Unterboden-Fach) hat der Wagen nämlich nicht. Der ET5 Touring ist eben ein Lifestyle-Kombi oder Shooting Brake. Wer ein schönes Auto will, muss beim Stauraum eben Abstriche machen.

Denn schick ist er, unser Mittelklasse-Kombi. Auf unserer anderthalbstündigen Testfahrt im Südosten Münchens ernteten wir durchaus interessierte Blicke von Passanten. Die Optik ähnelt dem Nio ET7. Wie dieser hat das Auto rahmenlose Fenster und automatisch ausfahrende Türgriffe - sehr elegant.

Eine Neuheit gegenüber der Limousine ist das große Glasdach, das sich transparent oder opak stellen lässt. Bis sich die Moleküle darin umgeordnet haben, dauert es allerdings ein paar Minuten.

Beim Ändern der Glas-Transparenz und bei vielem anderen half in meinem Testwagen Nomi Mate, der vom ET7 bekannte, kugelige Helfer im Cockpit. Wer die je nach Situation wechselnde Mimik kindisch findet, braucht sie nicht zu erdulden: Das kugelige Erscheinungsbild ist ohnehin aufpreispflichtig; serienmäßig ist die unscheinbare Sprachsteuerung Nomi Halo an Bord.

Starker Antrieb

Hilfreich ist die Sprachsteuerung jedenfalls; sie scheint auch dazugelernt zu haben. Sie verstand mich nun öfter als bei meinem ET7-Test und entschuldigte sich nicht mehr so wortreich. Nomi half mir zum Beispiel, als ich den Button nicht fand, um am Touchscreen zur Kartenanzeige zurückzukehren. Auch den Fahrmodus änderte sie auf Wunsch, wenn auch nur nach einer Nachfrage: "Willst du wirklich in den "Sport+"-Modus wechseln?"

O ja, das wollte ich. Denn der starke Allradantrieb nutzt seine 360 kW nur in dieser Betriebsart. Dann aber drückt es einen bei entsprechender Pedalarbeit schon deutlich in den Sitz - der Tempo-100-Sprint dauert nur 4,0 Sekunden. Auch die Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h wird ohne Probleme erreicht.

So recht wohl fühlte ich mich bei diesem Tempo nicht mehr, was wohl auch am Fahrwerk liegt. Aber das dürfte weniger relevant sein, denn so schnell fährt man nur selten mit einem Elektroauto. Denn sonst verbringt man die gesparte Zeit eben an der Ladesäule.

Akku tauschen nur bei Batterie-Abo

Apropos Ladesäule: Zu Ladeleistung und -dauer macht Nio keine Angaben. Ein Nio-spezifischer Vorteil in dieser Hinsicht ist, dass man den leergefahrenen Akku auch gegen einen vollen tauschen kann, was im Optimalfall nur fünf Minuten dauert.

Das erlaubt Nio freilich nur, wenn man die Batterie abonniert, nicht kauft. Der große 100-kWh-Akku für 560 Kilometer kostet 289 Euro pro Monat. Das Auto selbst kostet 47.500 Euro. Alternativ kann man den Wagen mit Batterie für 69.500 Euro kaufen. Beide Preise gelten für die Limousine wie für den Kombi - da fiele mir die Wahl leicht.

Zu den Minuspunkten des Nio ET5 Touring würde ich die Sitze zählen, die bei schnell gefahrenen Kurven zu wenig Seitenhalt bieten. Zudem ist die Sicht durch den Rückspiegel direkt nach hinten arg eingeschränkt.

An Fahrwerk und Lenkung fand ich dagegen nicht viel zu mäkeln. Aber da bin ich ohnehin nicht so anspruchsvoll wie manche Kollegen, die bei Elektroautos standardmäßig die schlechte Rückmeldung der Lenkung bemängeln.

Als inzwischen reiner "Elektroauto-Mann" bin ich froh, mich nicht mehr mit Verbrenner-SUVs herumschlagen zu müssen, die in der Kurve wanken ohne Ende, weil sie keine schwere Batterie im Boden haben. Da nehme ich gern in Kauf, dass die Autos wegen des hohen Gewichts tendenziell eher untersteuern.

Bedienung? Nomi hilft

Und die Bedienung? Nun, erstens hilft Nomi. Zweitens sind hier (anders als etwa beim BYD Seal oder dem MG4 Electric) die Menüpunkte schon recht ordentlich und verständlich eingedeutscht.

Allerdings gelang es uns nicht, den Abstandstempomaten (ACC) und den Spurhalteassistenten zu aktivieren - den Lenkrad-Knopf dafür haben wir auf die Schnelle nicht gefunden. Auch die Einstellung der Außenspiegel ist erklärungsbedürftig: Sie werden über Vier-Wege-Wippen am Lenkrad adjustiert, und seltsamerweise muss man danach auch noch auf einen Button am Touchscreen ("Schlusseinstellung") tippen.

Störend finde ich auch, dass man die Rekuperations-Stärke nur in den Tiefen des Menüs ändern kann - Lenkradwippen, ein dedizierter Button oder auch Hilfe von Nomi wären besser. Apropos Rekuperation: Echtes One-Pedal-Driving (also Verlangsamung bis zum Stand, allein durch Loslassen des Gaspedals) ist leider nicht möglich.


Fotostrecke: Nio ET5 Touring im Test: Lifestyle-Kombi mit viel Power

Lobenswert aber: Das Navi erstellt eine komplette Ladeplanung, es schlägt passende Ladestationen vor, wenn man zum Beispiel von München nach Rom möchte. Und man kann die Batterie manuell oder automatisch fürs Schnellladen vorkonditionieren.

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Fazit

Der Nio ET5 Touring ist wegen der großen Heckklappe viel praktischer als ein Tesla Model 3 oder der normale ET5. Das Auto ist ideal für Leute, die ein Elektroauto mit Power wollen, aber auf annehmbare Transportkapazität und eine große Heckklappe nicht verzichten möchten - zum Beispiel, weil sie ihr Rennrad im Auto transportieren wollen.

Zu den Alternativen zählen Crossover wie der ebenfalls sehr starke Volvo C40 Twin Motor (ab 61.500 Euro) oder der Zeekr 001 AWD (noch kein Preis, aber sicher über 60.000 Euro). Wer keine SUV-Abneigung hat, kauft sich vielleicht ein Tesla Model Y Performance für rund 64.000 Euro.

Deutlich teurer kommen ein Porsche Taycan Sport Turismo (ab rund 94.000 Euro) oder ein BMW i5 Touring (ab Frühling 2024, mit vergleichbaren Allradantrieb wohl über 100.000 Euro). Billiger aber auch unendlich viel schwächer sind Elektro-Kombis wie der erwähnte Astra-Kombi oder der MG5 Electric.

Nio ET5 Touring AWD 100 kWh

Motor: 150 kW vorn (ASM), 210 kW hinten (PSM), Systemleistung 360 kW
Max. Drehmoment: k.A.
Antrieb: Allradantrieb
Beschleunigung 0-100 km/h: 4,0 Sek. (Sport+)
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
Verbrauch: k.A.
Batterie: 100 kWh (NCM)
Elektrische Reichweite: 560 km (WLTP)
Ladeanschluss: CCS2, keine Angabe zur Ladeleistung
Aufladezeit: k.A.
Länge: 4.790 mm
Breite: 2.178 mm
Höhe: 1.499 mm
Kofferraumvolumen: 450-1.300 Liter
Anhängelast: 1.400 kg
Basispreis: 68.500 Euro mit Batterie oder 47.500 plus 289 Euro pro Monat
Marktstart: Bestellstart 1. August 2023, Auslieferung ab Oktober (in Deutschland)