• 26.09.2023 10:01

  • von Roland Hildebrandt

Fiat 600 Elektro (2023) im ersten Test: Mokka auf Italienisch

Der Fiat 500 Elektro bekommt mit dem 600 einen größeren Bruder zur Seite gestellt: Der neue Seicento ist mit Opel Mokka und Jeep Avenger verwandt

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Es ist eine historisch bedeutsame Nummer für Fiat, die 600 respektive "Seicento". Ab 1955 mobilisierte der erste 600 mit Heckmotor nicht nur halb Italien, sondern auch Länder wie Spanien, Jugoslawien und als NSU-Fiat Jagst auch Deutschland. Ein Comeback des Namens Ende der 1990er kann dezent verschwiegen werden.

Titel-Bild zur News:

Fiat 600e La Prima (2023) im Test Zoom

Denn erst jetzt kehrt der Fiat 600 zurück. Wie einst als größerer Bruder des 500 und zwar auch optisch. Aber natürlich im Trend der Zeit rein elektrisch, wenngleich 2024 noch ein leicht hybridisierter Turbo-Benziner mit 100 PS Leistung kommt. Wir konnten den neuen 600 Elektro (oder 600e, je nach Gusto) bereits fahren.

Bunt und freundlich

Mit einer Länge von 4,17 Meter ist der 600 etwas kürzer als der Fiat 500X, dem er optisch ähnelt. Durch Zufall entdeckten wir nahe Turin einen 500X zum direkten Vergleich, hier wirkt der 600 gestraffter. Wie beim 500 wird das alte Verbrennermodell (seit 2014 auf dem Markt) vorerst noch weiterproduziert, allerdings nicht bis in alle Ewigkeit. Eine weitere Gemeinsamkeit zum 500: Beide Elektroversionen tragen ihre Ziffer forsch an der Frontpartie, die zugleich Retro-Gefühle weckt. Dabei guckt der 600 freundlich, man kann sogar "Wimpern" erkennen.

Und wie beim halben Meter kürzeren 500 Elektro setzt Fiat auf bunte Farben. In Anlehnung an Henry Ford könnte das Motto lauten: Sie können jede Farbe bekommen, vorausgesetzt, sie ist nicht langweilig. So fällt der 600 im grau-schwarzen Einheitsbrei positiv auf. Gut so!

Bewährte Technik

Nicht nur in der Länge liegen die Unterschiede zwischen Cinquecento und Seicento, auch im Bereich der Technik. Während der 500 Elektro noch eigene Wege beschreitet, nutzt der 600e (so schreibt ihn Fiat) die neue CMP-Plattform (Common Modular Platform) des Stellantis-Konzern, die sich sowohl für vollelektrische als auch für hybridisierte Antriebe eignet.

Bedeutet: Der 600 ist unter dem Blech eng mit Jeep Avenger, Opel Mokka, Peugeot e-2008 und anderen Konzernmodellen verwandt. Und wie diese gibt es ihn auch als Verbrenner. Doch zur Technik später mehr.

Raum, aber ohne Wunder

Sehen wir uns den neuen Fiat 600 erst einmal in Ruhe an. Ein eigenständiges Design, dem auf der Straße durchaus hinterhergeguckt wird. Doch sachlich genug und sicher bewusst mit Anleihen am 500X. Innen setzt sich dieser Grundgedanke fort: Alles ist nett anzuschauen, kleinere Fiat- beziehungsweise 600-Details inklusive, aber nicht zu verspielt.

Kommen wir zunächst zu den Minuspunkten: Im Detail dominiert innen Hartplastik, besonders an den Türverkleidungen. Hier wären hinterschäumte Kunststoffe schöner gewesen. Das Platzangebot im 360 Liter großen Kofferraum und auf der Rückbank geht zwar in Ordnung, allzu opulent ist es aber nicht. Ein Schicksal, dass sich der Fiat 600 mit seinen Konzernbrüdern teilt. Vorne fällt insbesondere als Beifahrer die Anwinklung der Füße auf, eine Folge der Spritzwand. Das sei auch beim Opel Mokka so, meinte mein Kollege.


Fotostrecke: Fiat 600 Elektro (2023) im ersten Test: Mokka auf Italienisch

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Man sitzt im 600 durchaus akzeptabel. Aber Raumwunder sind bei der Länge und 2,56 Meter Radstand nicht drin. Was uns wirklich gut gefallen hat, die die Gestaltung des Cockpits: Ein sehr tiefes Ablagefach in der Mittelkonsole samt Kunstlederdeckel, klar gezeichnete digitale Instrumente und ein Infotainmentsystem, welches seine 10,25 Zoll in die Breite verteilt.

Ebenso fein ist die Tatsache, dass Fiat nicht auf klassische Knöpfe verzichtet, etwa für die Klimatisierung, als Home-Taste unterhalb des Bildschirms. Lautstärkeregler oder im Lenkrad. Wie im 500 Elektro werden die Fahrstufen per Knopfdruck ausgewählt. Lange studieren muss man im 600 vor der Abfahrt nicht.

Niedriger Verbrach trotz mäßiger Rekuperation

Auch die Technik ist von Jeep, Opel und Co. bekannt: 115 kW (156 PS) Leistung, neun Sekunden auf 100 km/h, Spitze 150. Die Lithium-Ionen-Batterie fasst 54 kWh Strom, maximal kann mit 100 kW geladen werden. An AC-Ladestationen ist Laden mit 11 kW über das serienmäßig enthaltene Mode-3-Kabel möglich. Die vollständige Aufladung der Batterie ist dann in weniger als sechs Stunden gewährleistet. Eine Wärmepumpe bietet Fiat nicht an.

Mehr als 600 Kilometer Reichweite seien im rein städtischen Betrieb möglich, sagt der Hersteller, im Normalbetrieb exakt 400 Kilometer. Genau diese Ziffer erscheint auch auf dem Display, als wir auf dem Dach der berühmten Fiat-Fabrik in Lingotto starten. Recht schnell fällt auf, wie leise der 600 fährt. Seine Beschleunigung geht in Ordnung: Klar, ein Porsche Taycan ist er nicht, aber man kann gut im Verkehr mitschwimmen.

Cockpit des Fiat 600

Cockpit des Fiat 600 Zoom

Während das Fahrwerk die schlechten Straßen Italiens manierlich filtert, ist die Lenkung unverbindlich, gar schwammig. Eine typische Fiat-Marotte, die Otto Normalfahrer im Alltag aber kaum stören wird. Insgesamt fährt sich der 600 Elektro nämlich sehr anständig. Seltsam nur, dass Fiat zwar in der Preisliste einen One-Padel-Drive-Modus angibt, davon in der Praxis nicht viel zu spüren ist. Zwar rekuperiert der 600 in "B" fleißig, aber anders als etwa in einem BMW i3, verlangsamt sich der Wagen nicht deutlich, wenn man vom Fahrpedal geht.

Rekuperationsstufen sind auch nicht einstellbar. Vielleicht ist der 600 von Fiat bewusst als Auto für Elektro-Umsteiger gedacht, die nicht durch einen echten One-Pedal-Modus erschreckt werden sollen. Letztlich bleibt das Geschmackssache, ich mag One-Pedal-Driving, andere nicht.

Doch trotz dieser Tatsache erweist sich der Fiat 600 Elektro als ausgesprochen sparsam: Am Zwischenstopp standen nach einiger Bergauf-Fahrt 14,6 kWh auf 100 km zu Buche, danach mit langen Geraden in der Ebene sogar nur 12 kWh. Beides im Normal-Modus. Offizell nennt der Hersteller 15,1 bis 15,2 kWh nach WLTP, dieser Wert erscheint definitiv erzielbar. Dabei hilft, dass der 600 mit 1.520 Kilogramm Leergewicht für ein Elektroauto relativ leicht ist.

Schön auch: Obwohl der 600 mit Assistenzsystemen nicht geizt, halten diese sich akustisch zurück. Grazie Mille!

Fair eingepreist

Was kostet der neue Fiat? Praktischerweise hat der Hersteller das Modellangebot übersichtlich gestaltet, zusätzliche Extras gibt es außer den Farben keine: Die Einstiegsversion RED hat naheliegenderweise ein lippenstiftiges Rot als Umsonstfarbe, auch innen gibt es rote Akzente. Zur Serienausstattung RED zählen unter anderem elektrisch verstellbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber vorne, ein Audiosystem mit vier Lautsprechern, Parksensoren hinten und die Ein-Zonen-Klimaautomatik.

Die Preise beginnen vor Prämien in Deutschland bei 36.490 Euro. Zum Vergleich: Der kleinere und schwächere 500 Elektro mit 42-kWh-Batterie ist nur 1.500 Euro günstiger! Für Privatpersonen (nur sie bekommen noch die Umweltprämie) beginnt der 600 somit knapp unter 30.000 Euro. Fair. Optional kann der Wagen auch über 48 Monate und 40.000 Kilomedter ohne Anzahlung für 299 Euro im Monat geleast werden.

Fiat 600

Fiat 600 Zoom

Der La Prima ist die Topversion des neuen Modells. Inklusive hier: Vordersitze aus elfenbeinfarbenem Kunstleder mit Heizung und Massagefunktion. Dazu ein adaptiver Tempomat, 360-Grad-Parksensoren, 18-Zoll-Alus, eine elektrische Heckklappe und das Navi. Preis hier: 42.490 Euro vor Prämien.

Für ausgewählte Länder ist der Fiat 600 Hybrid konzipiert und wird auch in Deutschland verfügbar sein. Allerdings übertreibt der Zusatz "Hybrid" hier ein wenig. Als Mild-Hybrid-Fahrzeug (MHEV) kombiniert er einen Verbrenner mit einem Riemen-Starter-Generator. Der Dreizylinder-Benziner produziert aus einem Hubraum von 1,2 Litern 74 kW (100 PS). Der Elektromotor mit 21 kW Leistung wird aus einer 48-Volt-Lithium-Ionen-Batterie gespeist. In Italien startet dieser 600 bei rund 25.000 Euro.

Die Konkurrenten des Fiat 600:

Renault Megane E-Tech Electric (2023) im Alltagstest
Mini Cooper Electric: Neue Generation mit puristischem Design

Fazit:

Wer die knubbelige Retro-Optik des Fiat 500 mag, aber mehr Platz benötigt, bekommt mit dem 600 ein angenehm unaufgeregtes und praktisches Elektroauto. Pluspunkte sammelt der Italiener bei Reichweite und Verbrauch, die Preisgestaltung bleibt im Rahmen. Gerade im Vergleich zum Elektro-500 ist der 600 das günstigere Angebot.

Wer auf einen wirklich preiswerten Elektro-Fiat spekuliert, muss sich noch bis 2024 gedulden. Dann zeigt die Marke einen neuen Panda im Bereich von 25.000 Euro. Und das Trio der legendären Modellnamen ist komplett.

Fiat 600 Elektro (2023)

Motor: Permanentmagnet-E-Motor
Leistung: 115 kW (156 PS)
Max. Drehmoment: 260 Nm
Antrieb: Frontantrieb
Getriebeart: 1-Gang-Untersetzungsgetriebe
Beschleunigung 0-100 km/h: 9,0 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h

Länge: 4.171 mm
Breite: 1.781 mm
Höhe: 1.523 mm
Kofferraumvolumen: 360 Liter
Leergewicht: 1.520 kg

Batterie: 54 kWh, Lithium-Ionen
Ladeanschluss: 11 kW dreiphasig (AC), 100 kW (DC)
Aufladezeit: unter 6 h (0-100 Prozent, AC), ca. 30 Minuten (bis 80 Prozent, DC)
Elektrische Reichweite: bis zu 409 km kombiniert (WLTP), bis zu 604 km innerorts (WLTP)
Verbrauch: 15,1 - 15,2 kWh/100 km (WLTP)
Basispreis: 36.490 Euro (vor Prämien)

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