• 21.09.2010 07:59

  • von Roman Wittemeier

Zukunft in Le Mans: Flosse, F-Schacht und Fights

Oreca-Technikchef David Floury im Exklusivinterview: Die Chancen auf ein neues Peugeot-Kundenfahrzeug und die neuen technischen Kniffe in Le Mans

(Motorsport-Total.com) - Oreca hat Peugeot die Saison etwas gerettet. Nach der herben Pleite in Le Mans mit reichlich Motorschäden am schnellen 908 HDi FAP, half die französische Kundenmannschaft dem Werksteam zu wichtigen Erfolgen. Mit einem Kundenwagen der Löwen holte Oreca gleich drei Titel in der Le-Mans-Series (LMS): Herstellerkrone, Teammeisterschaft und Stéphane Sarrazin feierte seinen zweiten LMS-Meistertitel.

Titel-Bild zur News: Le Mans

Die Herren des ACO machen sich erneut Gedanken über die neuen Regeln

Am wichtigsten dabei: Diese Erfolge wurden mit dem 908 erzielt, bevor der Wagen Ende dieses Jahres im Museum verschwindet. Oreca-Technikchef David Floury berichtet im Exklusivinteriew mit 'Motorsport-Total.com' über die Erleichterung nach dem Silverstone-Finale, die technischen Kniffe im Prototypenbau und die Aussichten auf tolle Kämpfe in Le Mans.#w1#

Frage: "David, zunächst Gratulation zu den Titeln in der LMS. Verspüren sie große Erleichterung?"
David Floury: "Ja, die Saison war nicht ganz einfach. Vor allem Le Mans war natürlich für uns alle eine riesige Enttäuschung - vor allem für die Leute von Peugeot. Die haben dermaßen hart an dem Projekt gearbeitet und wurden dann nicht einmal ansatzweise dafür belohnt."

"Deshalb war unser Auftritt in Silverstone so wichtig. Ich will nicht sagen, dass uns das nun für die Pleite von Le Mans entschädigt, aber es war natürlich schon eine gewisse Erleichterung, die man verspüren konnte. Diese Erfolge in Silverstone waren einfach sehr wichtig für die Moral."

Frage: "Wäre der gleiche Erfolg mit dem eigenen Wagen, also dem Oreca 01, auch möglich gewesen?"
Floury: "Schwierige Frage. Das muss man auf verschiedenen Perspektiven sehen. Wenn nicht wir den Peugeot-Kundenwagen genommen hätten, dann wäre jemand anderes gekommen und hätte die Chance genutzt. Dann hätten wir also wahrscheinlich diesen Kunden-908 vor der Nase gehabt. Entsprechend schwierig wäre es dann mit unserem Oreca 01 geworden."

Nicolas Lapierre

Stéphane Sarrazin und Nicolas Lapierre fuhren 2010 den Kunden-Peugeot Zoom

"Wenn es natürlich gar keinen Peugeot in der Meisterschaft gegeben hätte, dann hätten wir mit unserem Eigenbau durchaus Chancen gehabt. Für uns hatte der Peugeot-Deal allerdings nicht nur sportliche Bedeutung in diesem Jahr. Wir planen eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Werk. Das war nun also ein erster Schritt in die richtige Richtung."

Frage: "Wie sehr hat Peugeot-Leihgabe Stéphane Sarrazin durch seine Einsätze im Oreca-Wagen helfen können?"
Floury: "Mit Stéphane ist es schon ganz besonders. Er hat mit uns 2001 seine Karriere auf der Langstrecke begonnen. Das ist lustig: sehr viele der aktuellen Peugeot-Werksfahrer haben bei uns begonnen. Franck Monrtagny und Nicolas Minassian waren ebenso bei Oreca wie Pedro Lamy und Simon Pagenaud. Von neun Werksfahrern waren also fünf schon bei uns."

"Stéphane ist ein sehr schneller Fahrer, der sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt hat. Aus menschlicher Sicht ist es einfach toll, mit einem Kerl wie ihm im Team zusammenarbeiten zu dürfen. Er ist halt früher bei uns gewesen und dann wie ein Sohn nach Hause zurückgekehrt."

Frage: "Hat er euch auch beim Verstehen des Peugeot 908 helfen können?"
Floury: "Unsere Zusammenarbeit mit Peugeot ist auf technischer Ebene hervorragend. Wir haben im Winter den Wagen selbst zusammengebaut, haben dabei natürlich sehr viel gelernt. Aber beim Betrieb des Autos mussten wir natürlich noch lernen. Zum Saisonbeginn in Paul Ricard hatten wir noch keine perfekten Kenntnisse. Jetzt aber können wir die perfekte Leistung herausholen. Dabei hat er uns geholfen."

Frage: "Der 908 verschwindet nun bald im Museum. Welches Auto fährt Oreca im kommenden Jahr?"
Floury: "Gute Frage, wir wissen es nämlich noch nicht. Die Entscheidung darüber steht immer noch aus. Natürlich planen wir für 2011 Langstreckenrennen in der LMP1. Im Moment laufen die Gespräche, ich kann noch nicht sagen, welche Variante wir umsetzen werden."

"Es gibt Pläne für den Bau eines eigenen Autos mit Motor und Getriebe von Peugeot." David Floury

"Ich kann aber bestätigen, dass es bei uns Pläne für den Bau eines eigenen Autos mit Motor und Getriebe von Peugeot existierten - es war sogar mehr als ein Plan. Da hätte der neue Motor und das neue Getriebe von Peugeot für 2011 eingepasst werden sollen. Das Design hatten wir fast abgeschlossen, aber wir haben uns dann gegen den Bau des Autos entschieden, weil das wirtschaftliche Klima nicht passte. Nun betrachten wir eben andere Optionen."

Frage: "Da liegen nun also die Pläne für ein tolles Auto, aber die werden nie umgesetzt?"
Floury: "Nein, zumindest nicht für 2011. Jetzt wäre es ohnehin zu spät, das Projekt noch rechtzeitig zum kommenden Jahr umzusetzen. Wir haben uns schon kurz vor dem diesjährigen Le-Mans-Rennen dagegen entschieden. Jetzt könnten wir das nicht mehr kurzfristig wieder aufnehmen. Sicher ist also, dass der Wagen zumindest im nächsten Jahr nicht laufen wird."

Frage: "Könnte es möglich sein, dass Oreca für 2011 sogar den brandneuen Peugeot-Prototypen als Kundenfahrzeug bekommt?"
Floury: "Das hätte ich natürlich am allerliebsten! Ich kann nicht bestätigen, dass es so kommen wird. Ich kann nur sagen, dass wir eine gute Lösung für uns finden werden."

Frage: "Geht der ACO mit den neuen Regeln in die richtige Richtung?"
Floury: "2011 wird es eine komische Situation, weil es ein Übergangsjahr wird. Die alten Autos von 2010 werden modifiziert noch einmal fahren dürfen. Vor allem für die Zuschauer und Fans könnte es dann etwas verwirrend werden. Auf der anderen Seite halte ich es für eine angemessene Entscheidung. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage hätten manche Teams sonst gar keine Chance auf eine Teilnahme in Le Mans."

"Ich halte auch den Weg zum Downsizing für richtig. Man muss immer im Auge behalten, was sich außerhalb der Motorsportwelt abspielt. Alle reden von Downsizing, der erste Schritt ist also gut. Der wichtigere Schritt folgt aber erst später, wenn wir voraussichtlich 2014 das nächste Reglement bekommen. Dann rückt der Umweltaspekt noch stärker in den Vordergrund."

"Es werden verschiedene Antriebskonzepte möglich sein, die Frage nach der Energienutzung wird dann wichtig. Es ist gut, dass man diesen Weg geht. Im ersten Schritt finde ich es richtig, dass man mit kleineren Motoren anfängt."

"Ich halte den aktuellen Speed in Le Mans schon für etwas gefährlich - das ist schon sehr extrem." David Floury

Frage: "Der ACO will Rundenzeiten von mindestens 3:30 Minuten sehen. Ist das nicht zu langsam?"
Floury: "Nein. Das Ziel ist es, dass viele auf Augenhöhe gegeneinander kämpfen können. Natürlich sind schnellere Autos womöglich spektakulärer, aber ich halte den aktuellen Speed in Le Mans schon für etwas gefährlich - das ist schon sehr extrem. Ich finde es gut, dass man das nun etwas im Zaum halten will."

"Wenn man zurückblickt, dann hatte man Ende der 1990er-Jahre mit BMW, Mercedes, Toyota und zum Beispiel Nissan tolle Hersteller, die sich auf der Strecke nichts geschenkt haben. Da gab es tolle Kämpfe in Le Mans, Audi kam dann auch hinzu. Die Rundenzeiten lagen damals im Bereich von 3:30 Minuten, die Rennen waren trotzdem sehr spannend."

Frage: "Als Sicherheitselement kommt im kommenden Jahr die 'Haifischflosse' obligatorisch an alle Prototypen. Bringt das wirklich etwas?"
Floury: "Das Fahrzeugverhalten bei hohen Geschwindigkeiten soll sich dadurch ändern. Man will damit wohl verhindern, dass die Fahrzeuge abheben - wie wir das in den vergangenen Jahren mehrfach gesehen haben. Ich will ganz ehrlich sein: Wir haben eine Studie angefertigt, die sich mit den Auswirkungen der Flosse beschäftigt hat. Ich bin seither nicht mehr ganz so überzeugt von der Lösung."

"Man kann kaum abschätzen, ob dieses Bauteil wirklich einen positiven Effekt haben wird. Es könnte sein, dass die Flosse nur unter bestimmten Voraussetzungen so wirkt, wie man es gerne sehen würde. Es hat sich gezeigt, dass die Flosse nur bei einem bestimmten Winkel zuverlässig wirkt. Verlässt du dieses Fenster, wird der Effekt nicht nur geringer, sondern er kann sogar ins Negative umschlagen. Ich finde es nicht logisch, die Flosse verpflichtend zu machen."

Frage: "In der Formel 1 ist die 'Haifischflosse' seit einigen Jahren salonfähig. Und es hat sich seither viel getan. Nun nutzt man das Element auch zur Realisierung des F-Schachts. Ist so etwas im Prototypen ebenfalls denkbar? Zumal es gerade in Le Mans sehr hilfreich sein könnte..."
Floury: "Ja (lacht). Ich hoffe, dass man so etwas verbietet, bevor jemand so etwas einbaut. Bisher ist es erlaubt, jedenfalls beinhalten die aktuellen Regeln nichts, was es verbieten würde. In der Formel 1 ist gerade auch der angeblasene Diffusor aktuell. So etwas wäre übrigens bei uns nicht erlaubt."

Der Oreca 03: Auch in der LMP2 wird die Haifischflosse verpflichtend Zoom

Frage: "Auch Oreca baut ein Auto für die neue LMP2-Klasse und bietet es Kunden an. Viele verschiedene Chassishersteller und unterschiedliche Triebwerksfabrikanten buhlen um einen überschaubaren Kreis von möglichen Interessenten. Gibt es ein Überangebot?"
Floury: "Vielleicht, aber es gibt für Kunden ja nur eine wirklich gute Wahl... (lacht)!"

Frage: "Ich will dem Oreca 03 auch gar nicht die Qualitäten absprechen..."
Floury: "War auch nur ein Scherz! Fakt ist aber nun einmal, dass wir einen guten LMP1-Wagen gebaut haben, den Oreca 01. Wir haben das bewiesen, denn die Performance des Autos war im Vergleich zu anderen mit AIM-Judd-Motor wirklich sehr gut. Die Zuverlässigkeit stimmt bei dem Auto auch. Wir haben das mit Platz fünf und Rang vier in den vergangenen Jahren in Le Mans klargestellt. Die Idee war dann, auf Basis dieses Autos eine kleinere Version für die LMP2 zu bauen."

Frage: "In der kleinen Prototypenklasse sind die Preise für Chassis und Motor gedeckelt. Wird die LMP2 denn tatsächlich so günstig wie es bisher den Anschein hat?"
Floury: "Ja, es wird deutlich günstiger. Es gab bisher keine Kostendeckelung. Im kommenden Jahr darf das Auto 345.000 Euro kosten. Wenn man sich jetzt mal im Vergleich anschaut, was ein Acura oder ein Porsche RS Spyder kostet, dann liegen diese Autos im Preis meilenweit entfernt von den Kosten des kommenden Jahres."

"Es wird also günstiger in der LMP2, vor allem dann, wenn du vorne mitfahren und siegen willst. Wenn du dir in diesem Jahr ein Auto für 350.000 Euro gekauft hast, dann konntest du mitfahren, aber du hast niemals eine Chance gegen Acura oder Porsche gehabt. Das wird sich im kommenden Jahr ändern. Da hat der ACO gute Arbeit geleistet."

David Floury leitet seit Jahren die Technikabteilung von Oreca Zoom

"Die LMP1-Klasse sollte die Hightechklasse sein, wo man Hybrid und andere Dinge in eine gewisse Richtung entwickelt. Das ist gut und richtig so. Aber man braucht auch eine andere Klasse, wo private Teams mitmischen können. Die neue LMP2 ist ein guter Schritt, man kann da in Zukunft vielleicht sogar noch weiter gehen."

"Für uns als Anbieter eines Autos ist es wahrscheinlich nicht ganz einfach, denn es gibt viel Wettbewerb. Wenn man so viel Konkurrenz durch andere Chassishersteller hat, dann muss man einfach das beste Paket anbieten können. Das ist wiederum bei der Preisobergrenze nicht ganz leicht zu erreichen. Aber wir haben beim Bau unseres Oreca 03 auch die Erkenntnisse vom Formula-Le-Mans-Wagen einfließen lassen. Auch bei der Entwicklung dieses Autos hatten wir eine Preisvorgabe."

Frage: "Ist diese neue LMP2-Klasse also nicht nur eine Chance für bestehende und neue Teams, sondern vielleicht auch die Möglichkeit für Leute wie Henri Pescarolo, wieder auf die Bühne zurückzukehren?"
Floury: "Ich weiß es nicht. Henri muss im Grunde noch einmal bei Null beginnen. Das ist unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schwierig. Ich wünsche ihm nur das Beste und hoffe, dass er 2011 wirklich wieder ein Gegner von uns sein kann. Aber man hört im Moment so viel. Ich weiß nicht, was davon wahr ist und was nicht."

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