• 14.09.2010 11:46

  • von Roman Wittemeier

Sarrazin-Interview: Die Erfolge und die Ziele

LMS-Champion Stéphane Sarrazin spricht im Interview über den Erfolg in Silverstone, den neuen ILMC und den traurigen Abschied vom Peugeot 908 HDi FAP

(Motorsport-Total.com) - Stéphane Sarrazin gilt in Prototypen-Kreisen als einer der schnellsten Piloten überhaupt. Der Peugeot-Pilot konnte seinen Speed vor allem mit Pole-Runden in Le Mans immer wieder eindrucksvoll zeigen. In diesem Jahr wurden die Qualitäten endlich mal wieder mit einem großen Pokal belohnt. Sarrazin holte sich deutlich den Titel in der Le-Mans-Series (LMS) und hat nun weitere große Ziele.

Titel-Bild zur News: Stéphane Sarrazin

Stéphane Sarrazin holte bereits zum zweiten Mal den Titel in der LMS

Im neuen Intercontinental Le Mans Cup ist Sarrazin nach dem Silverstone-Rennen ebenfalls ein Favorit auf die Krone. Außerdem will er sich 2011 endlich den Traum vom Le-Mans-Sieg erfüllen. Ob dieser in Reichweite sein wird, weiß bisher niemand, weil das neue ACO-Reglement komplett neue Autos verlangt. Stéphane Sarrazin spricht im Interview mit 'Motorsport-Total.com' über Erfolge, Ziele und den traurigen Abschied vom schnellen Peugeot 908.#w1#

Frage: "Stéphane, erst einmal Gratulation zum Titel. Habt ihr gefeiert?"
Stéphane Sarrazin: "Es gab eine kleine Party mit allen Mechanikern von Peugeot und Oreca. Auch die Chefs waren dabei. Das war cool. Wir haben ein Gläschen Champagner getrunken, weil wir nicht nur ein gutes Rennen hatten, sondern sogar drei Titel auf einmal geholt haben. Wir sind in Team-, Hersteller- und Fahrerwertung vorne. Also: Ziel erreicht!"

"Das war für uns unglaublich wichtig, nach unserer Pleite in diesem Jahr in Le Mans. Ein Sieg beim 24-Stunden-Rennen stand natürlich auch in dieser Saison auf der Prioritätenliste ganz oben. Das hat nicht geklappt. Umso besser war es in Silverstone. Ein Doppelsieg für Peugeot und die Titel in der Tasche - das war wichtig und gut."

Frage: "Wie ist das Gefühl, wenn man schnellster Prototypen-Pilot ist?"
Sarrazin: "Naja, ich will das nicht so hoch hängen. Alle Piloten wollen jederzeit ganz vorne sein. Ich habe natürlich im Peugeot gute Voraussetzungen dafür. Ich liebe mein Auto und kann sehr selbstbewusst herangehen. Ich kann immer Dampf machen, und es läuft nicht allzu schlecht."

"Ich liebe mein Auto und kann sehr selbstbewusst herangehen." Stéphane Sarrazin

Frage: "Du hast aber irgendwie einen besonderen Speed. Allein drei Pole-Positions in Folge in Le Mans kommen nicht per Zufall zustande. Liegt es daran, dass der 908 für dich maßgeschneidert ist?"
Sarrazin: "Es ist einfach so, dass ich für dieses Auto ein fantastisches Gefühl aufbauen konnte. Dann fällt es auch leichter, ordentlich Druck zu machen. Ich kenne den Wagen in- und auswendig, weil ich unwahrscheinlich viele Kilometer damit abspulen durfte. Dadurch baut man Zuversicht und Selbstvertrauen auf."

"In der Vergangenheit hatte ich nie die Chance, für einen großen Hersteller zu fahren. Aber dann kam Peugeot. In diesen vier Jahren habe ich mich selbst auch verbessern können. Ich durfte so viel fahren, und das ist wichtig. Ein Pilot muss Kilometer abspulen - je mehr, desto besser wirst du dann auch. Ich hatte das Glück, dass mir Peugeot diese Chance gegeben hat. So konnte ich immer mehr an mein Limit gehen. Daher bin ich nicht ganz so schlecht unterwegs."

Frage: "Silverstone war nicht nur das LMS-Finale, sondern gleichzeitig auch der Auftakt zum neuen ILMC. Jetzt folgen noch das Petit Le Mans und das Rennen in China. Peilst du auch dort den Sieg an?"
Sarrazin: "Ja, klar. Es kommen noch zwei große ILMC-Rennen und unser Ziel ist, dass wir mit Peugeot den Titel holen. In Silverstone haben wir durch den Doppelerfolg ordentlich Punkte geholt. Jetzt wollen wir auch in Road Atlanta und Zhuhai gewinnen."

"Wir treten dort jeweils mit zwei Werksautos an. Das macht deutlich, dass Peugeot es ganz klar auf den Titel abgesehen hat. Es spielt auch noch etwas anders mit hinein: Wir alle wollen dem 908 einen würdigen Abschied verschaffen."

"Wir alle wollen dem 908 einen würdigen Abschied verschaffen." Stéphane Sarrazin

Frage: "Es sind dann tatsächlich die letzten beiden Einsätze mit dem 908, bevor ihr 2011 ein neues Auto bringen werdet. Bist du beim Abschied von deinem schnellen Dieselwagen etwas traurig?"
Sarrazin: "Und wie! Der 908 ist ein dermaßen tolles, schnelles Auto mit richtig viel Power und Abtrieb. Der Wagen ist ein wichtiger Teil meiner Karriere, weil ich in den vier Jahren viele tolle Rennen erleben durfte."

"Es bleiben viele schöne Erinnerungen. Es ist also wirklich schade, wenn man das beste Auto der Welt in den Händen hat und es bald abgeben muss. Man weiß auch nicht genau, was danach kommen wird. Ich hoffe natürlich, dass wir im kommenden Jahr auch ein tolles Auto haben werden. Aber sicher kann man sich nicht sein."

Frage: "Hast du den neuen 90X schon testen dürfen?"
Sarrazin: "Nein. Peugeot arbeitet hart an dem Projekt, aber ganz so weit sind wir noch nicht. Es ist alles weit fortgeschritten und es sieht gut aus, aber wann er fertig sein wird, das weiß ich nicht - darüber sprechen sie mit uns Fahrern nicht."

Frage: "Kannst du uns schon Details des neuen Prototypen verraten?"
Sarrazin: "Nein, auf keinen Fall. Das ist wirklich top secret. Ich will auch jetzt noch gar nicht allzu viel darüber wissen, sondern konzentriere mich auf die noch anstehenden Rennen. Das Petit Le Mans habe ich im vergangenen Jahr zusammen mit Franck (Montagny; Anm. d. Red.) gewonnen. Das wollen wir dieses Jahr wieder schaffen. Ich bin absolut konzentriert auf die jetzige Saison."

Stéphane Sarrazin

In der LMS war Stéphane Sarrazin zuletzt mit Nicolas Lapierre im Oreca Zoom

Frage: "Hast du für das kommende Jahr einen festen Vertrag bei Peugeot?"
Sarrazin: "Ich habe noch keinen neuen Vertrag unterzeichnet. Peugeot hat aber gesagt, dass sie alle Fahrer an Bord behalten möchten. Ich hoffe daher natürlich, dass ich dabei bleiben darf."

Frage: "Wie denkst du über diesen neuen Intercontinental Le Mans Cup. Ist der ILMC wirklich ein erster Schritt in Richtung Prototypen-Weltmeisterschaft?"
Sarrazin: "Defitnitiv. Sie versuchen es zumindest auf diesem Wege hinzubekommen. Eine Weltmeisterschaft wäre aus meiner Sicht wirklich ein Traum - aber es ist schwierig, so etwas zu installieren. Mit dem neuen ILMC, der auch 2011 Le Mans einschließen wird, ist es natürlich ein sehr guter Ansatz. Die Hersteller danken es und haben Interesse. Es wird mehr Unterhaltung, Spaß, Zuschauer und Spektakel geben."

"In der Folge könnten dann noch mehr Hersteller Interesse bekommen. Der Langstreckensport ist für die Entwicklung der Autos gut, außerdem kann man als Hersteller gut am Image feilen. Wenn du ein solches 24-Stunden-Rennen gewinnst, vorher deine Pole-Position umjubelt wird, dann ist das fantastisch. 2009 war es für Peugeot unglaublich wertvoll und wichtig, in Le Mans den Doppelsieg zu holen. Das Markenimage wird sofort durch so etwas positiv beeinflusst."

Frage: "Im kommenden Jahr gibt es komplett neue Regeln. Wie denkst du über die neuen LMP1-Maßgaben, über KERS und die Aussichten für die Zukunft?"
Sarrazin: "Als erstes fällt mir dazu ein, dass sie uns einbremsen wollen. Die Autos werden deutlich langsamer, weil wir angeblich zu schnell geworden sind. Das ist sehr schade. Ich liebe diesen Speed, ich liebe mein heutiges Auto. Es ist einfach unfassbar schön, wie man mit den heutigen Prototypen durch die Porsche-Kurven oder durch die Indianpolis-Ecke jagen kann. Das ist dermaßen schnell, aufregend..."

"Es ist einfach unfassbar schön, wie man durch die Porsche-Kurven oder durch die Indianpolis-Ecke jagen kann." Stéphane Sarrazin

Frage: "...und zu gefährlich? Immerhin hatte dein Peugeot-Kollege Marc Gené 2008 bei Topspeed ausgangs der Porsche-Kurven einen gewaltigen Abflug..."
Sarrazin: "Ach nein. Zu gefährlich ist es nicht. Wenn man sich den Crash von Marc von vor zwei Jahren anschaut, dann war das sicherlich ein heftiger Abflug und Einschlag, aber er hat rein gar nichts abbekommen. Diese Autos sind entsprechend sicher gebaut. Ich respektiere, was der ACO vorhat - das ist nicht meine Sorge. Aber ich denke eben, dass wir bisher das beste Auto aller Zeiten hatten."

Frage: "Die Rundenzeiten sollen wieder über 3:30 Minuten liegen. Ist dir das zu langsam?"
Sarrazin: "Ja, der ACO möchte es aber nun einmal gerne so haben. Die beste Rundenzeit war eine 3:18 Minuten, die ich 2008 in Le Mans fahren konnte. Das war richtig schön schnell. Mal sehen, wo wir im kommenden Jahr wirklich herauskommen. Das Ziel sind wohl Zeiten von dreieinhalb Minuten. Es ist schwierig. Wenn du mal ein solch schnelles Auto hattest, dann fallen Rückschritte immer schwer."

"Aber wir müssen es mal abwarten. Die Grundlagen sind jetzt für alle gleich. Wir müssen erst einmal sehen, was wir machen und was die Konkurrenz auf die Beine stellt. Dann schauen wir im kommenden Jahr in Le Mans nochmal nach den wirklichen Rundenzeiten."

Frage: "Für 2011 ist wieder ein Le-Mans-Sieg das vorrangige Ziel?"
Sarrazin: "Ja, natürlich. Aber ich würde es nicht darauf beschränken, denn das sollte man nicht tun. Wir wollten jedes Jahr dort gewinnen, aber es ist uns nur einmal gelungen. Es ist einfach so schweirig zu erreichen. Man hat das in diesem Jahr gesehen, was alles passieren kann. Nicolas, Franck und ich haben in diesem Jahr einen tollen Speed gehabt, wir haben alles richtig gemacht."

"Es war traumhaft. Später folgte aber eher ein Albtraum." Stéphane Sarrazin

"Am Sonntagmorgen um sieben Uhr lagen wir mit zwei Runden Vorsprung in Führung. Es war traumhaft. Später folgte aber eher ein Albtraum. Es ist so dermaßen schwierig in Le Mans. Wir wissen, dass Siege dort unglaublich schön sind, aber das sind sie gerade deswegen, weil es so kompliziert ist. Wir geben immer unser Bestes, so werden wir es auch nächstes Jahr tun. Ich will aber noch nicht zu sehr an einen möglichen Sieg denken."

Frage: "Es ist September und das Jahr ist noch realtiv lang. Droht dir - abgesehen von den zwei ILMC-Rennen - bis 2011 nun Langeweile?"
Sarrazin: "Nein, denn ich habe noch reichlich Arbeit. Im ganzen Jahr hatte ich viel zu tun. Ich habe die komplette LMS bestritten, dann war ich in Le Mans, außerdem gab es jede Menge Tests und bei der Rallye Monte Carlo war ich auch dabei. Ende Oktober fahre ich noch eine Rallye in Frankreich. Es gibt also viel zu tun: ILMC-Rennen, Rallyetests, Rallye-Teilnahmen. Ich habe das große Glück, dass ich jede Woche etwas vor habe."