Stallorder: Was die Experten sagen

Marc Surer bedauert das Verhalten von Ferrari, Eddie Jordan fordert eine Disqualifikation, Martin Brundle hätte es genauso gemacht

(Motorsport-Total.com) - Die offensichtliche Ferrari-Stallorder von Hockenheim bringt einige brisante Details mit sich. So ist heute ausgerechnet jener Mann FIA-Präsident (Jean Todt), der 2002 den bisher größten Stallorder-Skandal der Formel-1-Geschichte ("Let Michael pass for the Championship!") angeordnet hat - und das heutige Opfer Felipe Massa wird von dessen Sohn Nicolas gemanagt...

Titel-Bild zur News: Felipe Massa und Fernando Alonso

Felipe Massa und Fernando Alonso im Rahmen der FIA-Pressekonferenz

'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer bedauert, dass Ferrari in Hockenheim so gehandelt hat, denn: "Ferrari hat hier einen Doppelsieg rausgefahren, aber das machen sie mit dieser Teamorder kaputt, denn jetzt werden alle von der Teamorder reden und niemand von der tollen Ferrari-Leistung. Die war nämlich sensationell", lobt der ehemalige Formel-1-Pilot vor laufenden Kameras der Pay-TV-Kollegen von 'Sky'.#w1#

Jordan findet klare Worte

Von einem "illegalen" Manöver und sogar einem "Raub" spricht der frühere Teamchef Eddie Jordan: "Sie haben uns die Chance auf ein Rad-an-Rad-Duell der beiden Fahrer gestohlen. Ferrari sollte sich schämen! Es war ganz klar eine Stallorder. Ich halte das für Betrug. Beide Autos sollten disqualifiziert werden", fordert der heutige 'BBC'-Experte. Auch für Surer ist klar: "Daran, wie es Massa gemacht hat, kann man eindeutig ablesen: Er wollte das nicht, er musste es machen."

"Das ist Teamorder, wenn ein Fahrer etwas machen muss. Dass man Platz macht, wenn der Teamkollege schneller ist, mit einer anderen Strategie fährt, andere Reifen hat, das ist Teamtaktik, aber wenn man einem sagt, dass er Platz machen muss, was heute indirekt geschehen ist, dann ist das schon hart", urteilt der Schweizer, der sich dennoch vorstellen kann, dass Red Bull auf einen Protest verzichten wird, um später eventuell auch selbst eine Stallorder anwenden zu können.


Fotos: Großer Preis von Deutschland, Sonntag


Fest steht: Ferrari hat sich nicht allzu viel Mühe gegeben, die Stallorder zu vertuschen. Eine Runde vor dem Positionswechsel gab es einen offensichtlichen Funkspruch von Renningenieur Rob Smedley, dann ging Massa demonstrativ vom Gas. Nächster Funkspruch, nach dem Zwischenfall: "Sorry, Felipe!" Hätte sich Massa einfach unauffällig verbremst, wäre wahrscheinlich niemandem etwas aufgefallen, da Alonso ohnehin schneller war.

Aber Surer findet nicht, dass der Brasilianer etwas falsch gemacht hat, sondern das Team: "Die Ansage von Smedley war dumm. Das war so eine klare Order, denn er hat noch dazu gesagt: 'Please confirm!' Das war sowas von eindeutig. Dass Massa dann sauer reagiert, vom Gas geht und es offensichtlich macht, ist verständlich." Dass Smedley der Welt absichtlich gezeigt haben könnte, dass Massa schneller ist, ist auch eine Theorie, denn: "Ein Renningenieur ist verbrüdert mit dem Fahrer."

Coulthard kritisiert Domenicali

David Coulthard meint indes: "Es ist offensichtlich, dass Rob Smedley nicht derjenige sein wollte, der die Nachricht überbringt, und ich finde es ziemlich unfair vom Teammanagement, ihn darum zu bitten", sagt er in Richtung von Teamchef Stefano Domenicali. Das Verbot der Stallorder versteht er sowieso nicht: "Ich finde diese Regel ehrlich gesagt lächerlich. Genau wie beim Videobeweis im Fußball: Es ist an der Zeit, das zu ändern."

"Wenn er sich von Alonso hätte absetzen können, hätte er diesen Funkspruch nie erhalten." Anthony Davidson

Ex-Formel-1-Pilot Anthony Davidson bringt einen anderen Blickwinkel ins Spiel: "Wenn er sich von Alonso hätte absetzen können, hätte er diesen Funkspruch nie erhalten", kritisiert der Brite Massa gegenüber der 'BBC'. "So war klar, dass es so kommen würde, denn Alonso hätte auf jeden Fall etwas probiert und dann hätte es sicher gekracht - wir kennen Alonso. So läuft das eben, so leid es mir tut. Das Team steht im Vordergrund."

Martin Brundle wittert indes "einen Beigeschmack von Österreich 2002", gibt aber zu: "Was würde ich als Ferrari-Teamchef machen? Nun, ich weiß nicht, wie die Verträge sind. Wäre ich Teamchef, hätte ich es aber genauso gemacht. In Österreich 2002 wäre es nicht nötig gewesen, denn Schumacher lag in der WM meilenweit voraus, aber heute war es nötig. Sie hatten ein paar schwierige Rennen und sie müssen Alonso wieder ins Spiel bringen."