• 24.07.2010 10:19

Rechenzentrum auf Rädern: Der Ingenieurs-Truck

Immer, wenn ein Formel-1-Team an die Rennstrecke ausrückt, geht ein kompletter Bürotrakt mit auf Reisen: der Ingenieurs-Truck

(Motorsport-Total.com) - Und der ist beim Renault-Team nicht nur wegen seiner 35,5 Tonnen ein echtes Schwergewicht. In diesem eindrucksvollen Aufleger arbeiten an Grand-Prix-Wochenenden rund 30 Ingenieure. Hier werden die strategischen Entscheidungen getroffen, hier finden die Briefings und Debriefings mit den Piloten statt, hier brüten die Spezialisten über den massenhaft anfallenden Telemetriedaten.

Titel-Bild zur News: Renault-Truck

In den Trucks des Renault-Teams ist jede Menge Technik verstaut

"Für uns ist der Truck die wichtigste Informations-Drehscheibe, dort laufen alle Fäden zusammen", erklärt Vitaly Petrovs Renningenieur Mark Slade. "In der Rennvorbereitung sammeln wir dort sämtliche Daten. Und während der Freien Trainings wird von dort aus über die meisten Abstimmungsänderungen der beiden Renault R30 entschieden."#w1#

Wer darf überhaupt hinein ins Allerheiligste des Rennstalls? Zunächst hat jeder Fahrer ein Team von Spezialisten, das jede seiner Aktionen auf der Rennstrecke exakt beobachtet. Während die Renningenieure von Robert Kubica und Vitaly Petrov das Geschehen vom Kommandostand an der Boxenmauer oder in der Teamgarage verfolgen, werden sie von einem Back-up-Team im Truck unterstützt: ein Performance-Ingenieur, einer für die Messsysteme und Datensammlung und zwei Motoren-Ingenieure. Ihre Arbeitsplätze bestehen vor allem aus einer eindrucksvollen Ansammlung von Computer-Monitoren, auf denen alles abzulesen ist, was draußen passiert.

"Jeder Ingenieur bedient zwei Laptops, denn die Menge der Computer-Programme, die wir gleichzeitig laufen haben, wären für einen Rechner zu viel", erklärt Jon Marshall, Robert Kubicas Performance-Ingenieur. "An jedem Laptop wiederum hängen je zwei Monitore. Über diesen vier Bildschirmen hängen nochmals die Displays mit dem TV-Signal und der Zeitmessung. Und über eine Webcam in der Garage können wir sogar sehen, was die Kollegen in der Box gerade machen, ohne den Truck zu verlassen. Alles in allem hängen mehr als 60 Bildschirme in unserem Ingenieurs-Truck."

Während der Trainings-Sessions müssen die Daten-Ingenieure sicherstellen, dass alle Mess- und Regelsysteme in den Autos funktionieren. Die Performance-Ingenieure haben die Aufgabe, aus den gesammelten Daten die wesentlichen Informationen herauszufiltern. Wenn sie einen Ansatzpunkt entdecken, um die Autos schneller zu machen, oder sehen, dass sich ein Defekt anbahnt, melden sie dies über Funk an den Renningenieur.


Fotos: Renault, Großer Preis von Deutschland


In Silverstone entdeckten sie zum Beispiel den schleichenden Plattfuß an Petrovs Auto per Telemetrie. Durch die rechtzeitige Nachricht an seinen Renningenieur waren Vitaly und die Boxencrew auf den Radwechsel vorbereitet und eine möglicherweise gefährliche Situation entschärft.

Am Ende jeder Session begeben sich die Piloten schnurstracks zum Truck, um ihre Trainingseindrücke von Auto und Strecke in einem Debriefing "downzuloaden". Diese Berichte der Fahrer verfolgen die Ingenieure Wort für Wort, bevor sie sich den gesammelten Daten widmen. Denn je nach den persönlichen Eindrücken lassen sich die Telemetriedaten unterschiedlich interpretieren.

Renault-Ingenieur

Die Renault-Ingenieure haben immer mehrere Monitore im Blick Zoom

"Ein klassisches Problem besteht darin, dass ein Rennfahrer immer versucht, die Probleme eines Autos zu umfahren", berichtet Mark Slade. "Dann würden die Daten nicht unbedingt aufzeigen, wo es noch etwas zu verbessern gibt. Du musst herausfinden, warum er bestimmte Dinge im Auto tut, und dann eine Lösung für die Probleme finden."

Gleicht das nach so vielen Trainingsrunden und mit einer derartigen Datenmenge nicht einer Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen? Woher wissen die Ingenieure, wo sie anfangen sollen? "Das ist eben die besondere Kunst", lächelt Jon Marshall. "Es kommt darauf an, sich auf die relevanten Dinge zu konzentrieren und die Möglichkeiten zur Verbesserung auszunutzen. Wir arbeiten sehr diszipliniert eine Liste ab und befassen uns systematisch mit allen wichtigen Systemen des Autos."