• 23.07.2010 19:34

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Vorübergehende Liquiditätskrise bei Renault

Renault braucht jetzt Geld für den Kampf gegen Mercedes und die 2011er-Entwicklung, die nächsten Sponsorenzahlungen kommen aber erst im September

(Motorsport-Total.com) - Sportlich gesehen ist das Renault-Team in dieser Saison dank Robert Kubica eine der positiven Überraschungen, aber hinter den Kulissen scheint einiges in Bewegung zu sein. Denn wie 'Motorsport-Total.com' erfahren hat, befindet sich der französisch-britische Rennstall derzeit in einer vorübergehenden Liquiditätskrise.

Titel-Bild zur News: Gerard López und Eric Boullier

Die starken Männer bei Renault: Gerard López und Teamchef Eric Boullier

Erst im vergangenen Dezember ist die luxemburgische Investmentgesellschaft Genii Capital des spanischen Geschäftsmannes Gerard López als 75-Prozent-Teilhaber beim Renault-Team eingestiegen, sodass der französische Automobilhersteller sein Engagement in der Formel 1 zurückfahren konnte, um Kosten zu sparen. Doch weil wichtige Sponsorengelder erst im September überwiesen werden, gibt es einen vorübergehenden finanziellen Engpass.#w1#

Nur Ecclestone wollte helfen

Genii soll angesichts dieses Engpasses zuerst versucht haben, den Renault-Konzern um ein Darlehen zu bitten, der lehnte aber angeblich ab. Auch die Idee, bei einer Bank einen Kredit aufzunehmen, wurde vermutlich wegen der hohen Zinsen verworfen. Nun soll Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone angeboten haben, zu günstigen Konditionen einen Vorschuss auf die TV- und Preisgelder zu gewähren, die eigentlich erst später ausgezahlt werden müssten.

"Wir haben dieses Team im Januar übernommen", erklärt Teamchef Eric Boullier gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "In sechs Monaten mussten wir ein neues Geschäftsmodell und eine neue B2B-Plattform erschaffen, um neue Sponsoren zu finden. Bisher haben wir drei neue Sponsoren an Land gezogen, darunter prestigeträchtige Namen wie HP. Kürzlich haben wir zwei weitere Sponsoringverträge unterschrieben - einen mit zehn, einen mit drei Millionen Euro Volumen."


Fotos: Renault, Großer Preis von Deutschland, Freitag


"Mir wurde grünes Licht gegeben, um die Weiterentwicklung stärker voranzutreiben, damit wir den Kampf mit Mercedes aufnehmen können. Gleichzeitig müssen wir mit der Entwicklung des R31 beginnen. Das Geld der neuen Sponsoren kommt erst im September, aber ich brauche jetzt Cash", klagt der Franzose und unterstreicht: "Bis September kann ich nicht warten, sonst verschwenden wir zwei Monate!"

"Also habe ich dieses Thema bei Gerard angesprochen. Er ist zu Bernie Ecclestone gegangen, der uns gesagt hat: 'Warum bittet ihr nicht um einen Vorschuss auf euer FOM-Geld?'", so Boullier. Doch so einem Vorschuss, wie ihn vor einigen Jahren auch Williams in Anspruch genommen hat, müssen auch alle anderen Teams zustimmen. Das ist offenbar nicht passiert. "Damit kann ich leben", winkt Boullier etwas entnervt ab.

Teams legen Veto ein

"Es ist unser Geld, das uns ohnehin zusteht. Im Concorde-Agreement steht, dass wir einen Vorschuss anfordern dürfen, aber wir brauchen die Zustimmung aller anderen Teams. Wir wollen dieses Geld, um Druck zu machen und für nächstes Jahr zu entwickeln. Deshalb sind die anderen Teams vielleicht besorgt, weil sie diese Hintergründe kennen. Sie wollen uns blockieren, damit wir nicht mit dem 2011er-Auto beginnen können", ärgert er sich.

Bernie Ecclestone

Formel-1-Boss Bernie Ecclestone hat wie immer seine Finger im Spiel Zoom

Wer Ecclestone kennt, weiß außerdem, dass der 79-Jährige keinen Deal aus reiner Nächstenliebe machen würde. Das lässt vermuten, dass Ecclestone auf diese Weise versucht hat, erneut einen Keil in die bisher so starke Teamvereinigung FOTA zu treiben. Denn dass sich das von Genii geführte Renault-Team schlecht gegen Ecclestone stellen hätte können, wenn es um heikle politische Themen wie zum Beispiel ein neues Concorde-Agreement geht, versteht sich von selbst.

Doch das Thema scheint sich ohnehin erledigt zu haben. Boullier legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass das Renault-Budget für diese und die nächste Saison in keiner Weise gefährdet ist: "Wir haben kein finanzielles Problem. Es ist nur ein vorübergehendes Liquiditätsproblem", hält er fest. Dass Ecclestone dabei helfen wollte, könnte übrigens auch noch einen anderen Hintergrund haben: Der Formel-1-Geschäftsführer ist mit López eng befreundet...