Kolumne: Na also, geht doch!

Chefredakteur Christian Nimmervoll kommentiert das beste Racing seit Jahren und freut sich, dass die Teams in Bahrain intern auf Stallorder verzichtet haben

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Mercedes ließ am Sonntag in Bahrain Formel-1-Racing vom Allerfeinsten zu Zoom

Liebe Leser,

jetzt sind sie ruhig geworden, die Nörgler, die die neue Formel 1 schon nach zwei Rennen totgesagt haben. Denn das, was gestern beim Grand Prix von Bahrain geboten wurde, war mit das beste Racing, das ich in der Königsklasse des Motorsports seit Jahren erlebt habe. Von wegen Taxifahren, von wegen Economy-Runs, von wegen von der Boxenmauer und von Computern gesteuerter Strategiepoker, bei dem die Stars in den Cockpits nur noch ferngesteuerte Marionetten sind. Lewis Hamilton, Nico Rosberg & Co. haben in der Sachir-Wüste unter Flutlicht ein Bilderbuch-Rennen mit jeder Menge Rad-an-Rad-Action hingelegt.

Zugegeben, der Sound der V6-Turbos ist für das Ohr eines puristischen Formel-1-Liebhabers eine Zumutung. Bernie Ecclestones Meinung, dass es live vor Ort weniger schlimm ist als zu Hause vor dem Fernseher, teile ich ganz und gar nicht. Bestes Beispiel: Als am Freitag das Freie Training begann, verpasste ich im Media-Center den Anfang der Session - weil man dort die Autos nicht mehr hören kann. Früher wurde man mit ohrenbetäubendem Lärm darauf aufmerksam gemacht, dass sich auf der Strecke etwas tut, jetzt sind sogar die GP2 und der Porsche-Cup lauter als die Königsklasse.

Neuer Sound leiser als die Rahmenserien

Aber mit dem leidigen Sound-Thema (das die Verantwortlichen jetzt ohnehin anpacken wollen) möchte ich mich gar nicht weiter beschäftigen. Sondern lieber Mercedes gratulieren. Erstens zu einer sportlich fabelhaften Leistung in den ersten drei Saisonrennen, die keines weiteren Kommentars bedarf. Und zweitens vor allem zur Entscheidung, Hamilton und Rosberg frei fahren zu lassen. Damit hätte von den hunderten Journalisten im Media-Center in Bahrain kaum noch jemand gerechnet, als Paddy Lowe zu Beginn des letztens Stints höchstpersönlich am Funk warnte, man möge sicherstellen, dass beide Autos die Zielflagge sehen.

Weit gefehlt! Rosberg, im letzten Stint auf den weicheren Reifen der schnellere Mann, fackelte nicht lange und attackierte seinen führenden Teamkollegen - mehrmals. Sensationell, wie sich die beiden einen offenen Schlagabtausch lieferten - äußerst hart, aber nicht unfair. Schon nach drei Rennen erinnert das Mercedes-WM-Duell ein wenig an die goldene McLaren-Ära mit Ayrton Senna und Alain Prost: Auf der einen Seite das mit Fahrkönnen gesegnete Übertalent (Senna/Hamilton), auf der anderen Seite der clevere "Professor" (Prost/Rosberg). Warten wir mal ab, ob die Silberpfeil-Stars diese Schubladisierung weiterhin erfüllen.


Fotostrecke: F1 Backstage: Sachir

Paddy Lowe und Toto Wolff müssen am Kommandostand Herzrasen gehabt haben, als sich ihre Fahrer relativ unbekümmert bekämpften. Die Entscheidung, sie trotz des nie ganz zu eliminierenden Risikos einer teaminternen Kollision frei racen zu lassen, war goldrichtig. Nicht nur, weil man sich sonst mit Sicherheit die gnadenlose Kritik der Medien eingehandelt hätte, sondern auch, weil man so wenigstens TV-Präsenz hatte. Das war in der ersten Hälfte des Rennens, als der Silberpfeil-Express in beeindruckender Manier vom Feld wegzog, nicht der Fall.

Christian Nimmervoll

Chefredakteur Christian Nimmervoll hat der Grand Prix von Bahrain begeistert Zoom

Teams lassen ihre Fahrer frei racen

Überhaupt scheinen die Teams erkannt zu haben, dass sich die Formel 1 nach der teilweise scharfen öffentlichen Kritik derzeit keine Stallorder leisten kann. Force India ließ Sergio Perez und Nico Hülkenberg ebenso aufeinander los wie Williams Felipe Massa und Valtteri Bottas - nach der Stallorder-Aufregung beim Grand Prix von Malaysia keine Selbstverständlichkeit. Und dass Red Bull eine heilige Kuh schlachtete und Champion Sebastian Vettel anwies, Daniel Ricciardo überholen zu lassen, beweist, dass in der Formel 1 anno 2014 einige Uhren anders ticken.

Das tolle Racing beim dritten Saisonrennen ist Wasser auf den Mühlen von Niki Lauda und Toto Wolff, die paradoxerweise in den vergangenen Wochen zu Schutzrittern des neuen Reglements wurden. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hingegen ist nach dem Grand Prix von Bahrain zumindest um das Argument ärmer, dass in der Formel 1 nicht mehr am Limit gekämpft wird. Dafür, dass Ferrari die neuen Regeln nicht gut gemeistert hat, kann Mercedes nichts. Und wenn die Rennen weiterhin so spektakulär bleiben, wird auch über den Sound schon bald kein Hahn mehr krähen.


Fotostrecke: GP Bahrain, Highlights 2014

Ihr

Christian Nimmervoll

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