Grand Prix von Bahrain
2011 musste der Grand Prix von Bahrain wegen politischer Unruhen abgesagt werden, doch seither wird das Königshaus nicht müde zu betonen, dass die Lage im Land völlig friedlich sei. Die Formel-1-Journalisten werden mit dem weltweit besten Service betreut, vom Flughafen abgeholt, mit Shuttles zwischen Hotel und Rennstrecke kutschiert, mit gratis Essen versorgt. Aber die Pressefreiheit wird in Bahrain weiterhin mit Füßen getreten. Als unser Chefredakteur Christian Nimmervoll für die Backstage-Fotostrecke diesen Schnappschuss von den Security-Checks an den Eingängen knipst, ist er binnen Sekunden von sieben Polizisten mit zwei Hunden umzingelt, die ihm seine Kamera abnehmen und versuchen, die Fotos zu löschen - nicht aggressiv, aber doch bestimmt. Allerdings übersehen die Polizisten eines der Fotos.
Ist man erstmal drin im Paddock, befindet man sich in einer wunderschönen Glitzerwelt inmitten der Sachir-Wüste. Das Fahrerlager des Bahrain International Circuit ist zwar topmodern, aber nicht so überdimensioniert wie jenes in Schanghai - und kommt auch deswegen bei den meisten Protagonisten gut an.
Auch den Fans wird rund um die Strecke einiges geboten. Im riesigen Unterhaltungsbereich hinter der Haupttribüne kann man etwa ganz landestypisch Schischa rauchen, sich den Bauch mit arabischem Fast Food vollschlagen...
... oder am Simulator das aktuelle Formel-1-Game spielen, im direkten Vergleich gegen bis zu zehn weitere Fans.
Und wenn die Fan-Fahrer ihren eigenen "Teamchef" mitbringen, kann der das Geschehen auf der virtuellen Rennstrecke vom Kommandostand live mitverfolgen. Viel geboten also für die 31.000 Zuschauer am Sonntag, die zu einem großen Teil aus dem Ausland kamen. "Wir normale Leute können uns die Eintrittskarten nicht leisten", sagt der Hotelbedienstete, der uns nach langen Arbeitstagen an der Rennstrecke das Room-Service-Essen aufs Zimmer bringt. Er verdient umgerechnet 280 Euro im Monat. Da ist es nicht drin, mal eben mindestens 60 bis maximal 290 Euro (je nach Tribüne) für ein Formel-1-Ticket auszugeben.
Durch die Verschiebung das Rennens auf 18:00 Uhr ist der Tag lang, bevor es für die Fahrer mit der Arbeit losgeht. Caterham-Pilot Kamui Kobayashi nutzt das zum Chillen und spielt im Paddock ein wenig mit seinem Handy rum.
Max Chilton mit seiner Freundin Chloe Roberts. Auch seine Eltern Grahame und Nadine sind in Bahrain jedes Jahr dabei.
Jennifer Becks mit ihrem Liebsten Adrian Sutil. Der klagt über das Gewichtsreglement in der Formel 1 - und verzichtet als einer der schwersten Fahrer im Feld trotz Wüstenhitze auf eine Trinkflasche im Rennen. "Du musst aufpassen", sagt der Sauber-Fahrer, der über den Winter vier Kilogramm abgenommen hat. "Langsam komme ich an einen kritischen Punkt."
Auf der Strecke schenken sich die beiden nichts, abseits davon kommen sie (noch?) gut miteinander aus: Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel beim gegenseitigen Interview mit Sky-Reporterin Tanja Bauer in der Rolle des "Schiedsrichters". Dabei verraten sie unter anderem, dass Helmut Marko seine Fahrer nie beim Vornamen anspricht, Vettel einer Frau zuallererst in die Augen schaut und mit 15 zum ersten Mal ein Mädchen geküsst hat. Ricciardos Reaktion: "Warst du da betrunken?" War er nicht. Ricciardo grinst: "Das ist ja noch schwieriger!"
In der Weltmeisterschaft liegt Red Bull nach drei von 19 Rennen nur an vierter Stelle, und das mit dem besten Chassis, wie Helmut Marko behauptet. Der Rückstand liege einzig und allein an Antriebshersteller Renault. Remi Taffin braucht daher momentan eine dicke Elefantenhaut, wenn er sich vom Österreicher wieder einmal die Leviten lesen muss.
Ein anderes Renault-Team, Lotus, steht noch schlechter da als Red Bull, weswegen selbst während der Rennwochenenden noch laufend neue Teile geliefert werden. Was sich genau in diesem Karton verbirgt, können wir nur erahnen. Vielleicht ein neuer Unterboden?
Sportlich gesehen ist weiterhin Mercedes das Maß aller Dinge: Dritte Pole-Position im dritten Qualifying der Saison 2014, diesmal allerdings nicht durch Lewis Hamilton, sondern durch Nico Rosberg. Der kommt in Bahrain traditionell gut zurecht.
Früher Morgen am Rennsonntag: Die Sachir-Wüste zeigt sich von ihrer unwirtlicheren Seite, der Wind wirbelt jede Menge Sand auf. Bis zum Start des Rennens am Abend bessern sich die Bedingungen aber.
Ein absoluter Superstar der britischen Musikszene: Seine TV-Show "Later with Jools Holland" ist auf der Insel schon seit 1992 eine echte Institution.
Ebenfalls glühender Racing-Fan und nicht zum ersten Mal bei der Formel 1 zu Gast: Pink-Floyd-Drummer Nick Mason in der Ferrari-Box.
Ex-Madonna-Lover Guy Ritchie mit seiner Verlobten Jacqui Ainsley. Der Hollywood-Regisseur ("Snatch", "Sherlock Holmes") und das Model erwarten gerade ihr drittes Baby.
Dass die Scorpions mit ihrem Perestroika-Welthit "Wind of Change" den Arabischen Frühling in Bahrain wieder entfacht haben, ist unwahrscheinlich. Nach ihrem Konzert am Samstagabend bleiben sie natürlich, um sich auch das Rennen anzuschauen - und haben mit Niki Lauda und unserem Formel1.de-Kolumnisten Kai Ebel zwei prominente Paddock-Guides.
Und noch eine Hardrock-Ikone wertet den Grand Prix von Bahrain mit seiner Anwesenheit auf: AC/DC-Frontmann Brian Johnson darf die Podium-Siegerinterviews führen.
Vor dem Rennen: Nico Hülkenberg rückt bei Kai Ebel, natürlich in landestypischer Kluft unterwegs (und damit besser angezogen als sonst, wie böse Zungen unken), den Sonnenschutz zurecht.
Einst als 19-Jähriger jüngster Punktesammler der Formel-1-Geschichte, wird Ex-Weltmeister Jenson Button langsam zu einem der alten Herren des Grand-Prix-Sports. In Bahrain bestreitet er seinen 250. Grand Prix. Allerdings setzt es erstmals in dieser Saison eine Nullnummer.
Geballte Kompetenz beim ORF, und unterhaltsam und witzig sind die beiden noch dazu: Ernst Hausleitner und Alexander Wurz gehören zu den populäreren Kommentatoren-Duos im Formel-1-Fernsehen.
Wenn "der Chef" kommt, lassen die Journalisten im Medienzentrum alles stehen und liegen und hören zu: Bernie Ecclestones Audienz am Sonntag vor dem Rennen dreht sich um die Kritik an der neuen Formel 1. Mit dem Sound kann der 83-Jährige noch immer nichts anfangen. Dabei sagt FIA-Präsident Jean Todt: "Mein Freund Bernie hat schon ein Hörgerät, weil es all die Jahre so laut war."
Es ist zum Haare raufen: Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo ärgert sich über die schlechte Performance seiner Scuderia mindestens genauso sehr wie über das neue Reglement. Das will er frühestens 2015 ändern, denn: "Mercedes hat den besten Job gemacht. Es geht nicht darum, ihnen ihren Vorsprung wegzunehmen. Aber es geht um die Zukunft der Formel 1, die wir so lieben."
Umso mehr freut sich Montezemolo mit seinem alten Freund Felipe Massa, der bei Williams eine neue Heimat gefunden und dort momentan wohl das schnellere Auto hat als Fernando Alonso und Kimi Räikkönen.
Zum vierten Mal in seiner Karriere auf dem Podium: Sergio Perez ist in Bahrain "Best of the Rest" hinter den beiden Silberpfeilen, Force India liegt damit in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft sensationell an zweiter Stelle. Teamkollege Nico Hülkenberg ist nach drei Rennen WM-Dritter, vor Ferrari-Star Alonso.
Riesenjubel bei Mercedes, und das zurecht: Nach der spektakulären Silberpfeil-Show, die das beste Racing seit Jahren produziert hat, kann sich Sportchef Toto Wolff noch vor der Champagner-, pardon, Rosenwasser-Dusche retten, Sieger Lewis Hamilton nicht mehr. In der Fahrerwertung liegt der Brite aber weiterhin elf Punkte hinter Teamkollege Nico Rosberg.
Mit einem Feuerwerk beendet Bahrain das durchaus gefällige und perfekt organisierte Formel-1-Spektakel 2014. Für die unterdrückten Minderheiten im Land ist das nicht nur positiv, denn jetzt dauert es wieder ein Jahr, bis die ganze Welt das nächste Mal zuschaut, ob die Menschenrechte im Königreich immer noch mit Füßen getreten werden...
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