Cockpitperspektive: Wie viel Spaß macht das neue Reglement?

Das neue Reglement spaltet nicht nur die Fans, sondern auch die Piloten: Während manche finden, dass sich nicht viel verändert hat, sehen es andere als "Neustart"

(Motorsport-Total.com) - Nach dem Formel-1-Auftakt in Melbourne waren die Meinungen über das neue Gesicht der Königsklasse des Motorsports gespalten. Das Rennen hatte durchaus spannende Momente zu bieten, auch die Kurvendrifts - ein Resultat des verringerten Abtriebs und des höheren Drehmoments der Turbotriebwerke - ließen so manches Fanherz höher schlagen.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg, Kamui Kobayashi, Felipe Massa

Start in eine neue Formel-1-Ära: Macht der Grand-Prix-Sport jetzt mehr Spaß? Zoom

Für wenig Begeisterung sorgte währenddessen der neue Sound der Formel 1: Die V6-Turbomotoren sind deutlich leiser als die alten V8-Sauger, was auch auf die niedrigere Drehzahl zurückzuführen ist. Doch wie nehmen die Fahrer selbst die neue Formel 1 wahr? Ist der Spaßfaktor für die Akteure hinterm Lenkrad gestiegen oder ist das neue Reglement diesbezüglich ein Rückschritt?

Rosberg vom neuen Reglement begeistert

Ein absoluter Befürworter der Revolution ist Mercedes-Ass Nico Rosberg. "Das war auf jeden Fall gut für die Formel 1", ergreift der Auftaktsieger von Melbourne sofort für die neuen Regeln Position. "Es macht Spaß, diese Autos zu fahren. Das Kräfteverhältnis hat sich verändert, was für alle gut ist. Nachdem vergangenes Jahr immer der gleiche gewonnen hat, brauchten wir alle ein bisschen Abwechslung." Sein allgemeines Fazit: "Alles ist gut."

Wenn man bedenkt, dass die neuen Regeln für Rosberg die Chance darstellen, sich endlich seinen Traum von Siegen und vielleicht sogar vom WM-Titel zu erfüllen, dann darf seine positive Meinung nicht überraschen. Doch wie denkt einer, der bislang zu den Opfern des neuen Reglements zählt?

Maldonado und Räikkönen: Kaum Unterschiede

"Ich finde nicht, dass sich für den Fahrer so viel geändert hat." Kimi Räikkönen

Pastor Maldonado wollte 2014 mit Lotus eigentlich vorne mitfahren, doch bislang ist seine Truppe völlig von der Rolle. "Ehrlich gesagt kann ich nicht viel sagen", stellt der Venezolaner, dessen E22 oft streikte, klar. "Ich habe noch nicht viel Zeit im Auto verbracht." Dennoch sieht er bislang keine großen Unterschiede zum Vorjahr: "Es fühlt sich nicht so anders an. Natürlich handelt es sich um ein sehr kompliziertes Auto, vor allem für die Techniker und für die Ingenieure im Fahrerlager. Wir haben etwas mehr Stress hinterm Lenkrad, also ist es vielleicht etwas komplizierter."

In die gleiche Kerbe schlägt Maldonados Lotus-Vorgänger Kimi Räikkönen, der diesen Winter zu Ferrari wechselte. "Ich finde nicht, dass sich für den Fahrer so viel geändert hat, wenn man die Autos aus dem vergangenen Jahr mit den aktuellen vergleicht", sagt der Finne. "Dieses Jahr gibt es ein paar Detailänderungen, aber für mich ist es ein viel größeres Thema, dass ich in einem anderen Team bin. Jedes Team arbeitet anders."

Drehmoment als Herausforderung

Herzstück der Reglementänderungen ist der neue Turbomotor, der mit seinem hohen Drehmoment die Fahrer vor eine neue Herausforderung stellt. "Wir kämpfen etwas mehr mit einem ausbrechenden Heck, weil die Motoren so viel Drehmoment haben", bestätigt Force-India-Fahrer Nico Hülkenberg. "Manchmal kann einen das überraschen. Es macht aber immer noch Spaß."

"Für uns Fahrer ist es derzeit noch schwierig, mit diesen Motoren zu fahren." Kamui Kobayashi

Caterham-Rückkehrer Kamui Kobayashi glaubt, dass sich das Fahrverhalten durch die Weiterentwicklung noch ändern wird und will daher kein vorschnelles Urteil abgeben. "Für uns Fahrer ist es derzeit noch schwierig, mit diesen Motoren zu fahren, es ist auf jeden Fall herausfordernder", beschreibt der Japaner mit dem aggressiven Fahrstil seine Eindrücke. "Als die V10-Motoren durch V8-Motoren ersetzt wurden, war es aber glaube ich ähnlich - nach einigen Monaten war das kein Thema mehr."

Sutil: Schalten ist jetzt einfacher

"Es hängt nicht mehr so sehr davon ab, dass man einen speziellen Gang in einer gewissen Kurve verwendet." Adrian Sutil

Sauber-Pilot Adrian Sutil widerspricht Kobayashi. "Wir haben jetzt durch den neuen Motor so viel mehr Drehmoment - das wird sich immer auswirken." Dem Bayern fällt auf, dass sich das neue Reglement auch auf das Schaltverhalten niedergeschlagen hat. "In der Vergangenheit mussten wir sehr seltsam schalten", blickt er zurück. "Wenn wir einen kurzen Gang hatten, dann mussten wir die Drehzahl oben halten - das ist jetzt umgekehrt. Für mich ist es eigentlich ein Neustart. Ich kann nicht mehr alles verwenden, was ich in der Vergangenheit gelernt habe."

Generell sind die Piloten laut Sutil nun beim Schalten flexibler: "Man kann unterschiedliche Gänge nutzen. Es hängt nicht mehr so sehr davon ab, dass man einen speziellen Gang in einer gewissen Kurve verwendet. Das Drehmoment ist jetzt so viel höher als im Vorjahr, dass es diesbezüglich etwas einfacher wird - in anderen Bereichen ist es aber schwieriger geworden."

Massa: Aerodynamik-Änderungen wiegen am schwersten

Felipe Massa

Massa ist noch nie Formel-1-Autos mit so wenig Abtrieb gefahren Zoom

Damit spielt er auf den verlorenen Abtrieb im Heck an: "Wenn man auf die Bremse steigt, dann hat man um 20 bis 30 Prozent weniger Abtrieb, und das Auto rutscht mehr." Das ist auch für Williams-Pilot Felipe Massa der größte Unterschied, was den Fahrstil angeht. Er ist der Ansicht, dass die aerodynamischen Einschränkungen diesbezüglich mehr Einfluss hatten als das neue Motorenreglement.

"Wir haben viel Abtrieb verloren, das macht es für uns Fahrer schwieriger", erklärt der brasilianische Routinier. "Außerdem haben wir durch den Turbo viel mehr Drehmoment. Das bedeutet: mehr Drehmoment, weniger Abtrieb. Das macht es noch schwieriger, denn wir haben weniger Grip."

Spaß nur eine Frage des Erfolges?

Noch nie fuhr Massa seit seinem Einstieg 2002 Formel-1-Boliden mit so wenig Abtrieb. Dennoch findet er die extremen Reglementänderungen für den Sport alles andere als ungewöhnlich: "Für mich ist das typisch Formel 1, weil ich seit Beginn meiner Formel-1-Karriere so viele Änderungen miterlebt habe. Das ist einfach eine weitere Änderung, obwohl sie groß ist."

"Spaß macht es dann, wenn man konkurrenzfähig ist." Felipe Massa

Macht es nun mehr Spaß als in der Vergangenheit? Massa relativiert diese Frage: "Spaß macht es dann, wenn man konkurrenzfähig ist. Das macht Spaß. Wenn nicht, dann kann man alles probieren, und es wird nie Spaß machen. Manchmal hat man Probleme mit dem Auto, man muss kämpfen, liegt aber vorne - das ist dann trotzdem schön."

"Wenn man an einem Wettbewerb teilnimmt, dann zählt das mehr als alles andere - auch wenn man Schwierigkeiten hat. Wenn man das schafft, dann ist man glücklich." Damit gibt Massa indirekt seinem Vorredner WM-Leader Rosberg recht, der am meisten Lob für die neuen Regeln übrig hat.