• 22.03.2014 21:45

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Formel 1 auf Sparkurs: Viele Wege, ein Ziel, kein Konsens

Während Robert Fernley von Force India mit einem Entwicklungskosten-Limit liebäugelt, scheint die Strategiegruppe das Kundenauto-Modell aufzuwärmen

(Motorsport-Total.com) - Mancher Spötter könnte behaupten, der Formel 1 das Sparen beizubringen sei genauso aus, als wolle man einen Strauß das Fliegen lehren. Allerdings eint neben gemeinsamen Feinden die Menschen nichts so sehr wie die Not. In Zeiten, in denen ein Topteam wie McLaren händeringend nach einen Hauptsponsor sucht und mehrere Mannschaften finanziell stark angeschlagen sind, rückt die Königsklasse zusammen. Über die Ziele scheinen sich die Verantwortlichen einig, über die Mittel jedoch nicht.

Titel-Bild zur News: Kamui Kobayashi

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Zwar wurde bereits im Dezember von der Strategiegruppe der Formel 1 ein ab 2015 verbindliches Budgetlimit ins Auge gefasst, die konkrete Gestaltung - etwa die Höhe und die Kontrolle - ist jedoch unklar. Christian Horner scheint den Ansatz wesentlich breiter zu fassen als der Begriff zulässt. "Wir sollten das Wort Kostenobergrenze vergessen und darüber sprechen, Geld zu sparen", fordert der Red-Bull-Teamchef und erkennt einen Konsens in der Szene. "Jeder will, dass weniger ausgegeben wird."

Der Brite nennt die neuen Antriebsstränge mit 1,6-Liter-V6-Turbomotor und Hybridelementen als Beispiel - auch wenn diese dem Gemunkel nach eine deutliche Steigerung des Kostenaufwandes nach sich gezogen haben sollen. Horner hält sich sonst bedeckt, sein Kollege Stefano Domenicali bleibt ebenfalls lieber unverbindlich. "Wir erzielen Fortschritte und diskutieren darüber in der Strategiegruppe", meint der Ferrari-Teamchef. "Im Moment bin ich lieber still und sage erst etwas, wenn Fakten geschaffen sind."

Knackpunkt Entwicklung

Einer, der endlich Entscheidungen will, ist Rob Fernley. Der stellvertretende Teamchef Force Indias - neben Sauber und Marussia eine der treibende Kräfte in der Debatte - unterbreitet einen kernigen Vorschlag: Fernley schwebt vor, ein bestimmtes Budget als Grundlage zu nehmen und zu ermitteln, wie viel davon in die Entwicklung fließt. "Das ist doch die einzige Variable", betont er im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Schließlich weichen in den Bilanzen der Teams sonst keine Ausgaben ab, die wettbewerbsbezogenen sind.

Bei den übrigen Posten geht es um Marketing, Hospitalitys und vieles, was ein Auto nicht schneller macht. Dazu gibt es Ausgaben, die für den Rennbetrieb nötig sind, sich für Klassenprimus Red Bull aber genauso darstellen wie für Schlusslicht Marussia. "Es wird etwas streuen, aber wenn wir von 100 Millionen US-Dollar (rund 73 Millionen Euro, Anm. d. Red.) sprechen, sind wir nicht weit entfernt", so Fernley, der die Obergrenze deshalb teilen will: eine für die operativen Kosten der Grands Prix, die andere für die Entwicklung.


Fotostrecke: "Wir sind die Mafia"

Aber wie viel darf ein Team in den technischen Fortschritt seines Formel-1-Boliden pumpen? "Wenn man von einer Million US-Dollar pro Woche ausgeht, gibt das eine schwindelerregende Summe", rechnet Fernley hoch - nämlich rund 38 Millionen Euro im Jahr. Eric Boullier scheint diesem Vorschlag etwas abgewinnen zu können, der McLaren-Rennleiter drängt aber mehr in Richtung von Beschränkungen durch das Technische Reglement. "Wir müssen sicherstellen, dass es nicht zu viel gibt, wofür man etwas ausgeben kann", argumentiert der Franzose.

Stratgiegruppe: Rotes Tuch für kleine Teams

Im vergangenen Jahr war auch von einer Mitarbeiterbeschränkung die Rede, die wahrscheinlich ein Maximum von 300 oder 350 Angestellten pro Team vorgesehen hätte. Fernley hält das nicht für nötig, weil mit einer allgemeinen Kostendeckelung Freiheiten und eventuell auch Arbeitsplätze erhalten bleiben: "Das Gute an einer Obergrenze ist, dass die Teams entscheiden können, wo sie sparen wollen", meint der Brite. "Sie können auch einfach weniger Geld für die Entwicklung ausgeben."

Fernley lobt die Strategiegruppe für Fortschritte und die Präsenz aller Mächtigen der Szene bei den Treffen Auch die Übereinkunft der Verantwortlichen einschließlich Ferrari-Präsident Luca di Monzemolo darüber, dass der Rotstift angesetzt werden muss, gefallen ihm. Das Prinzip, dass nur die großen Teams an Bord sind und entscheiden, schmeckt Fernley aber überhaupt nicht. "Die Strategiegruppe ist elementar falsch", ärgert sich der Verantwortliche der Vijay-Mallya-Truppe, "denn es gibt elf Teams, die Motorsport betreiben und in der Formel 1 für die Show sorgen."

"Die Strategiegruppe ist elementar falsch." Robert Fernley, Co-Teamchef bei Force India

Doch wieder Kundenautos im Gespräch?

Genauso wenig hält Fernley von Kundenautos, die aber im Interesse der Mitglieder der Strategiegruppe sind und offenbar wieder heißer diskutiert werden, als es in den vergangenen Wochen den Anschein hatte. Die Aussagen lassen durchblicken, dass sogar konkrete Pläne auf dem Tisch liegen: "Kundenautos sind nicht beliebt, aber ich vermute, dass ein Deal gemacht wurde. Es ist kein Zufall, dass fünf Teams in der Strategiegruppe sitzen und fünf Teams massiv von Kundenautos profitieren würden."

Sollte das tatsächlich der Fall sein, dann würden wohl noch weitere der "Kleinen" auf die Barrikaden gehen. Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn sprach bereits davon, dass der Konstrukteurscharakter der Formel 1 verloren ginge, ihr Caterham-Kollege Cyril Abiteboul würde sogar eher acht Teams mit drei Wagen begrüßen als das Kundenauto-Modell. "Es gibt genügend Zeit", sagt Fernley, angesprochen auf eine Implementierung der Deckelung schon 2015, und macht Druck: "Die FIA ist der Schlüssel. Sie könnte die Formel 1 retten."

Robert Fernley

Ein Mann der klaren Worte: Robert Fernley hat konkrete Ideen, um endlich zu sparen Zoom

Deren Präsident Jean Todt hatte dem 'Telegraph' kürzlich bereits über eine Kostenobergrenze gesagt: "Ich könnte mich damit anfreunden." Horner schließt beim Sparen keine Option aus, auch keine Kundenautos: "Wie man das hinbekommt, ist natürlich komplex." Ein gemeinsames Ziel gibt es also, aber noch lange keinen gemeinsamen Weg.