Adventskalender 2010: Toro Rosso

Warum Toro Rosso seit dem Superjahr 2008 abgestürzt ist und wie Youngster Jaime Alguersuari sogar unseren Experten Marc Surer verblüfft hat

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 2010 geht als eine der spannendsten in die Formel-1-Geschichte ein. Vier Fahrer kämpften beim letzten Rennen in Abu Dhabi noch um den Gewinn der Weltmeisterschaft; den Sieg sicherte sich letztendlich einer, der die Fahrerwertung zuvor noch nie angeführt hatte. Auf dem Weg nach Abu Dhabi kam es zu zahlreichen Sternstunden und Dramen. Grund genug für 'Motorsport-Total.com', das Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen. Thema heute: Toro Rosso.

Titel-Bild zur News: Sébastien Buemi

Toro Rosso war 2010 meilenweit von den Erfolgen von vor zwei Jahren entfernt

2008 sorgte Sebastian Vettel in Monza auf Toro Rosso für den ersten Sieg eines Red-Bull-Teams in der Formel 1; die ehemalige Minardi-Truppe beendete die damalige Weltmeisterschaft sogar vor dem A-Team auf dem sechsten Platz. Doch dann verließen Teamchef Gerhard Berger und Vettel Faenza - und es folgte 2009 der befürchtete Totalabsturz auf den letzten Rang der Formel-1-Hackordnung. Von diesem konnte sich Toro Rosso auch diese Saison nicht wirklich lösen.

Totalabsturz von 2008 bis 2010

Denn Sébastien Buemi und Jaime Alguersuari sammelten 13 Punkte und waren damit aufgrund des neuen Wertungssystems de facto noch weniger erfolgreich als im Vorjahr (acht Punkte mal Faktor 2,5 macht umgerechnet auf das 2010er-System 20 Punkte). Trotzdem gab Toro Rosso zumindest die "rote Laterne" ab, allerdings nicht etwa an Sauber oder Force India, sondern lediglich an die drei neuen Teams Lotus, HRT und Virgin. In der Hackordnung der Etablierten schaffte selbst das vorletzte Team Sauber mehr als dreimal so viele Punkte wie Toro Rosso.

"Die neuen Teams haben sie gerettet, denn so sieht das Abschneiden nicht ganz so schlimm aus", analysiert 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer. "Dadurch, dass sie jetzt alles selbst konstruieren müssen, sind sie abgesackt. Es braucht eine gewisse Anlaufzeit, wenn du vorher aus dem Vollen schöpfen konntest und jetzt musst du alles selbst machen. Ich finde trotzdem, dass es ein bisschen besser laufen hätte können, und ich hatte auch das Gefühl, dass sie manchmal im falschen Moment Pech hatten."

Jaime Alguersuari

Jaime Alguersuari bekam 2010 von Franz Tost eine zweite Chance Zoom

Surer spricht damit die Umstellung von einem Kunden- auf ein Konstrukteursteam an, denn Toro Rosso bezog die Pläne für das Chassis bis inklusive 2009 von der in Milton Keynes stationierten Firma Red Bull Technology, also de facto von Stardesigner Adrian Newey. Doch eine Regeländerung für 2010 verhindert, dass diese Synergien weiterhin genutzt werden können, sodass die Fabrik in Faenza personell wie technologisch aufgerüstet werden musste. Heute beschäftigt Toro Rosso rund 250 Mitarbeiter.

Tosts Mut zum Risiko belohnt

Teamchef Franz Tost hielt fahrerisch an Buemi/Alguersuari fest, was besonders im Fall von Alguersuari überraschend kam, denn der junge Spanier tat sich nach seinem Formel-1-Einstieg mitten in der Saison 2010 eher mit teuren Unfällen als mit starken Leistungen hervor. Doch Tost erkannte, dass Alguersuaris Einstieg unter denkbar schwierigen Bedingungen erfolgte, verlängerte seine Schonfrist und wurde dafür belohnt.

"Er hat sich gesteigert - und zwar erstaunlich, denn ich gebe offen zu: Ich hätte ihn an Franz Tosts Stelle fallen gelassen und gesagt, der kriegt es nicht auf die Reihe", so Experte Surer. "Aber er hat sich in diesem Jahr gesteigert und seine Chance genutzt." Und zwar nach dem relativ reibungslosen Testwinter von Anfang an, denn schon im zweiten Saisonrennen in Melbourne legte sich Alguersuari mit dem siebenfachen Weltmeister Michael Schumacher an und trieb den Mercedes-Superstar in die Verzweiflung.

¿pbvin|512|2915||0|1pb¿Der mit 20 Jahren jüngste Pilot im aktuellen Starterfeld fabrizierte naturgemäß den einen oder anderen Fahrfehler, zum Beispiel in Hockenheim, wo er ausgerechnet seinem Teamkollegen Buemi ins Heck raste. Dem Schweizer wiederum brannten in Yeongam die Sicherungen durch, als er Timo Glocks Virgin über den Haufen fuhr und anschließend sogar von der Rennleitung bestraft wurde. Doch dass zwei Youngsters eben auch mal Schrott produzieren, ist bei Toro Rosso jedem bewusst.

Nur zur Klarstellung: Alguersuari mag Buemi dem Empfinden nach ein wenig die Show gestohlen haben, weil er die besseren Einzelaktionen setzte und mehr auffiel, doch unterm Strich entschied der Schweizer das Stallduell mit 8:5 (Punkte) beziehungsweise 11:8 (gewonnene Qualifyings) für sich. Der Einzug in ein Top-10-Qualifying blieb beiden versagt. 2008 war das den damaligen Toro-Rosso-Piloten Vettel und Sébastien Bourdais noch fast regelmäßig gelungen.

In Zukunft wieder konkurrenzfähiger?

Doch Surer sieht das frühere Minardi-Team nicht dauerhaft im Tabellenkeller eingeschlossen: "Ich erkenne keinen Grund, warum sie schlechter sein sollten als zum Beispiel Force India, wenn man nach der Ausstattung geht. Auf diesem Level sollten sie spielen", findet der 82-fache Grand-Prix-Teilnehmer. "Es lief oft nicht so, wie es hätte laufen können, von daher denke ich, dass sie nächstes Jahr wieder besser dabei sein werden, wenn sie einen sauberen Job machen."

"Oberbulle" Dietrich Mateschitz sucht wegen des Kundenauto-Verbots schon seit 2008 nach einem Käufer für Toro Rosso, aufgrund des Erfolgs des Formel-1-Projekts von Red Bull scheint es aber mittelfristig trotz des vergrößerten B-Teams bei der Zweierkonstellation zu bleiben. Denn obwohl Toro Rosso aufstocken musste, sind die Kosten insgesamt durch die Sparinitiativen der Teamvereinigung FOTA in einem erträglichen Rahmen geblieben.

Sébastien Buemi und Franz Tost

Teamchef Franz Tost (rechts) hatte 2010 nicht allzu viel Grund zum Lachen Zoom

Insofern macht es laut Surer Sinn, ein zweites Formel-1-Team eigens für die "Absolventen" des Red-Bull-Juniorteams zu betreiben: "Wenn du ein Nachwuchsprogramm hast, kannst du deine Fahrer zum Beispiel in einem anderen Team platzieren, indem du einem Team Geld gibst. So hat zum Beispiel Ferrari einst Felipe Massa bei Sauber platziert. Daher ist ein zweites Team eine tolle Möglichkeit", findet der 'Motorsport-Total.com'-Experte. Nachsatz: "Aber auch eine teure!" Rund 100 Millionen Euro dürfte das Projekt Toro Rosso 2010 Schätzungen zufolge gekostet haben.

Saisonstatistik:

Team:

Konstrukteurswertung: 9. (13 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 0
Ausfallsrate: 18,4 Prozent (6.)
Durchschnittlicher Startplatz: 15,0 (9.)

Qualifyingduelle:

Buemi vs. Alguersuari: 11:8

Sébastien Buemi (Startnummer 16):

Fahrerwertung: 16. (8 Punkte)
Gefahrene Rennen: 19/19
Siege: 0
Podestplätze: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 14,8 (17.)
Bester Startplatz: 11.
Bestes Rennergebnis: 8.
Ausfallsrate: 26,3 Prozent (17.)

Jaime Alguersuari (Startnummer 17):

Fahrerwertung: 19. (5 Punkte)
Gefahrene Rennen: 19/19
Siege: 0
Podestplätze: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 15,3 (19.)
Bester Startplatz: 11.
Bestes Rennergebnis: 9.
Ausfallsrate: 10,5 Prozent (3.)


Fotos: Highlights 2010: Toro Rosso


Alle 24 Adventskalender-Türen:

01. Formel Langeweile
02. Virgin
03. HRT
04. Lotus
05. Heute: Toro Rosso
06. Sauber
07. Force India
08. Williams
09. Renault
10. Mercedes
11. Ferrari
12. McLaren
13. Red Bull
14. Christian Klien
15. Timo Glock
16. Nick Heidfeld
17. Sébastien Buemi
18. Nico Hülkenberg
19. Adrian Sutil
20. Michael Schumacher
21. Nico Rosberg
22. Mark Webber
23. Fernando Alonso
24. Sebastian Vettel