Qualität statt Quantität: Ross Brawn will von der MotoGP lernen

Wichtiger als noch mehr Formel-1-Rennen sei die Qualität, findet Sportchef Ross Brawn und lobt die MotoGP: "Ein tolles Vorbild dafür, wo wir sein sollten"

(Motorsport-Total.com) - Mit 21 Rennen brachte der Formel-1-Kalender 2016 manches Team an die Belastungsgrenze. In der aktuellen Saison steht man bei 20 Grand-Prix-Wochenenden. Doch Ross Brawn, neuer Sportchef der Formel 1, sieht Luft nach oben, allerdings nicht um jeden Preis. "Noch wichtiger ist die Qualität der Rennen. Es bringt nichts, viele Rennen zu haben, die langweilig sind", betont der Brite im Gespräch mit dem österreichischen TV-Sender 'ORF'.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Ross Brawn glaubt, dass die Formel 1 von der MotoGP viel lernen kann Zoom

Über Langeweile kann sich die Formel 1 angesichts des WM-Duells zwischen Mercedes-Pilot Lewis Hamilton und Ferrari-Konkurrent Sebastian Vettel derzeit nicht beklagen. Und auch sonst setzen die neuen Eigentümer von Liberty Media alles daran, den Sport attraktiver zu machen und mehr Fannähe zu schaffen. Bestes Beispiel dafür ist der sechsjährige Ferrari-Fan, den Kimi Räikkönen vor einem Millionenpublikum tröstete.

Gegen mehr Rennwochenenden dieser Art hätte Brawn nichts einzuwenden. "Unsere Priorität besteht darin, die bestehenden Rennen in der Qualität zu verbessern und nur hochqualitative zum Kalender hinzuzufügen", erklärt er im 'ORF' und blickt voraus: "Die Teams haben jetzt eine Herausforderung mit den aktuell 20 Rennen. Aber ich denke, es ist Kapazität vorhanden für ein bis zwei mehr, die von hoher Qualität sind."

Termin-Überschneidungen mit MotoGP "nicht klug"

Dann dürfte es allerdings noch schwieriger werden, Kollisionen mit anderen Rennserien wie etwa der MotoGP zu vermeiden. So fanden die ersten zwei Saisonrennen beider Serien am selben Wochenende statt. Weitere sechs parallele Rennwochenenden stehen noch bevor, darunter das Saisonfinale der MotoGP am 12. November 2017 in Valencia und der vorletzte Lauf der Formel 1 in Brasilien.

Gegenüber der Nachrichtenagentur 'Reuters' gibt Brawn zu, dass derlei Überschneidungen "nicht klug" seien. "Es ist schwierig, mit Terminen zu jonglieren, und man kann nicht immer erreichen, was man will. Aber zumindest führen wir einen Dialog darüber und versuchen, daran zu arbeiten", weist der Formel-1-Sportchef auf Gespräche mit Dorna-Boss Carmelo Ezpeleta am Rande des jüngsten Grands Prix in Barcelona hin.


Fotostrecke: F1 Backstage: Barcelona

Doch nicht nur in puncto Rennkalender will sich Brawn mit der MotoGP abstimmen. Auch sonst glaubt der 62-Jährige, von der Motorrad-WM viel lernen zu können. "Ich mag die Leistungsgesellschaft zwischen Moto3, Moto2 und MotoGP und den damit verbundenen Fortschritt", schwärmt Brawn. "Es ist interessant, die kommerzielle Seite zu betrachten, die Struktur der Teams und Deals und wie die Kundenteams funktionieren."

Brawn lobt Nachwuchsförderung in der MotoGP

Insbesondere die Förderung junger Talente hebt Brawn als beispielgebend hervor. Wie Nachwuchsserien fest in ein Rennwochenende integriert würden, sei "ein tolles Vorbild dafür, wo wir sein sollten". In der Formel 1 könne der Fan oft nicht nachvollziehen, wo ein Talent herkommt. Zudem spielten bei der Verpflichtung zumeist kommerzielle Aspekte eine Rolle, weshalb man eben nicht "die 22 oder 24 besten Fahrer" habe.

"Das ist ein komplexes Problem, weil man die Teams in eine Position bringen muss, in der sie diese kommerziellen Entscheidungen nicht treffen müssen, sondern allein auf Grundlage der stärksten Fahrer auswählen können", erklärt Brawn das Dilemma. Deshalb arbeite er mit der neuen Führungsspitze der Formel 1 daran, die Gelder fairer zu verteilen und Kosten einzusparen. Doch all das könne nicht von jetzt auf gleich passieren.

"Es wird keine Revolution in der Formel 1 geben, mit der sich plötzlich alles ändert und besser wird. Vielmehr geht es um einen anhaltenden Prozess", weiß Brawn. Mit der bisherigen Entwicklung zeigt sich der ehemalige Teamchef "recht zufrieden" und warnt zugleich: "Bevor wir uns nicht vollkommen im Klaren sind, welche Richtung der Sport einschlagen soll, werden wir nichts Großes verändern. Das ist zu riskant."