• 29.12.2009 13:13

  • von Stefan Ziegler

Die Saisonbilanz 2009 (2): BMW

Ein spannendes Rennjahr in der Tourenwagen-WM ist abgeschlossen: 'Motorsport-Total.com' nimmt die Protagonisten unter die Lupe - Heute: BMW

(Motorsport-Total.com) - Vor Saisonbeginn kennen Ehrgeiz und Motivation keine Grenzen, doch am Jahresende können freilich nur ein Rennfahrer und ein Team die begehrten Titel in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) abstauben. Aber welcher Rennstall hat sich in der abgelaufenen Saison besonders hervorgetan und wie war es um das Abschneiden der deutschen Teilnehmer bestellt? 'Motorsport-Total.com' blickt zurück auf das Rennjahr 2009 und nimmt die Protagonisten unter die Lupe. Heute: BMW.

Titel-Bild zur News: Augusto Farfus

Augusto Farfus avancierte 2009 zum Titelfavoriten der drei BMW Länderteams

Nach der schwierigen Saison 2008 war lange Zeit nicht klar, ob BMW das Engagement in der WTCC aufrecht erhalten würde. Viele bange Wochen gingen ins Land, bis die Münchener Ende November schließlich die gute Nachricht verkündeten, auch 2009 auf Titeljagd in der Tourenwagen-WM gehen zu wollen. Abhängig war diese Entscheidung aber nicht zuletzt von einigen Änderungen im Regelwerk.#w1#

Das BMW Engagement stand auf der Kippe

Doch kaum hatte das neue Rennjahr im brasilianischen Curitiba seinen Auftakt genommen, tauchten bei BMW erste Fragezeichen auf, ob der gewählte Weg tatsächlich der richtige war - zu deutlich hatte SEAT die Konkurrenz im Griff. Besonders hohe Wellen schlug schließlich ein Protest der Bayern am Rande des dritten WM-Events, durch den der zu hohe Ladedruck der SEAT-Motoren aufgedeckt wurde.

Mario Theissen (BMW Motorsport Direktor), Jörg Müller

Mario Theissen und BMW standen den Entwicklungen zunächst kritisch gegenüber Zoom

Auf einmal stand das Engagement in der WTCC bei BMW wieder auf dem Prüfstand. 'Eurosport'-Experte Uwe Winter hat vollstes Verständnis für diese Überlegungen: "Nachdem die vereinbarten Kriterien von der FIA und SEAT nicht umgesetzt wurden - was aber erst nach einem offiziellen Protest durch BMW bekannt wurde -, wäre ein unterjähriger Ausstieg aus der Serie nachvollziehbar gewesen."

"Für die WTCC wäre das zwar verheerend gewesen, aber die Schuldigen hätten nicht in München gesessen", hält Winter fest. Dass es soweit nicht kam, ist nicht zuletzt dem Durchhaltewillen der BMW Länderteams zu verdanken, die den vermeintlich ungleichen Kampf dennoch aufnahmen und im weiteren Saisonverlauf versuchten, die "gelbe Macht" aus Spanien doch noch vom Thron zu stürzen.

Farfus wird zum Titelkandidaten bestellt

Im Gegensatz zu früheren Jahren bediente sich BMW dabei auch der Teamstrategie, wie sie Rivale SEAT schon seit geraumer Zeit in der Tourenwagen-WM anwendete - Augusto Farfus wurde zur Nummer eins erklärt und erhielt die volle Unterstützung seiner Markenkollegen: "Die frühe Festlegung auf Farfus zeigte deutlich, wie groß die Not der Münchner zu diesem Zeitpunkt war", findet Winter.

Augusto Farfus

Fußgänger: In Brünn leistete sich Augusto Farfus einen Fehler und schied früh aus Zoom

Keiner der fünf BMW Länderteam Piloten hatte einen guten Saisonstart erwischt, einzig Farfus hatte sich durch drei zweite Plätze in den acht Auftaktrennen hervorgetan. Dem 26-Jährigen wurde daher die gesamte Aufmerksamkeit der BMW Flotte zuteil, was ihn bis zuletzt im Titelkampf hielt. Doch Farfus leistete sich einmal mehr unnötige Fehler, die BMW letztendlich sehr teuer zu stehen kamen.

So verschenkte der BMW Team Germany Fahrer in Tschechien etliche Punkte, weil er wenige Meter nach dem Start just seinen Markenkollegen Andy Priaulx übersah und über den Haufen fuhr - haben diese verlorenen Punkte in der Endabrechnung gefehlt? Winter: "Ich fürchte, auch ohne das Desaster von Brünn hätte es BMW schwer gehabt, die Titel zu erringen - zu groß erschienen die Reserven von SEAT."

War die strategische Ausrichtung von BMW richtig?

Selbst die sechs Einzelerfolge von Farfus reichten nicht aus, um Gabriele Tarquini und Yvan Muller auf Dauer Paroli zu bieten, denn oftmals agierte der spätere WM-Dritte glücklos und geriet unverschuldet in verzwickte Situationen. Hätten sich andere BMW Piloten in dieser Lage und bei gleicher Anwendung der Teamtaktik besser geschlagen? TV-Experte Winter hält diese Frage für berechtigt.

Andy Priaulx

Ex-Champion Andy Priaulx musste 2009 seine eigenen Titelchancen zurückstellen Zoom

"Wenn schon zu solchen unpopulären Maßnahmen gegriffen werden musste, dann darf im Nachgang hinterfragt werden, ob man mit dem Heißsporn Farfus auf die richtige Karte gesetzt hat", erläutert der 'Eurosport'-Kommentator in seiner Analyse bei 'Motorsport-Total.com'. "Mit Priaulx hat man nicht nur den dreifachen Weltmeister an Bord, sondern den Fahrer mit der größten Rennintelligenz und mächtig Speed."

"Im Nachhinein betrachtet ist es natürlich einfach, die Festlegung auf Farfus zu kritisieren", meint Winter und fügt an: "Aus Sicht der BMW Entscheider sprach sicherlich auch die Grundschnelligkeit des Brasilianers für ihn. Zudem hätte sich ein Weltmeister aus Brasilien gut in Südamerika vermarkten lassen - es wäre schließlich der erste brasilianische Weltmeister nach Ayrton Senna gewesen..."

Müller ohne Glück, Hernández mit Debüterfolg

So aber ging der WM-Titel einmal mehr nach Europa, denn Tarquini hatte in Macao das bessere Ende für sich. Auch in der Teamwertung musste sich BMW geschlagen geben, wenn auch nur denkbar knapp um drei Zähler. Der Doppelsieg von Farfus und Jörg Müller zum Saisonabschluss konnte die Beteiligten daher nur bedingt versöhnlich stimmen - zumal nicht jeder seine persönlichen Ziele erfüllen konnte.

Sergio Hernandez

Crash in Porto, Sieg in Brünn: Sergio Hernández hatte einige Höhen und Tiefen Zoom

Als einziger deutscher Werksfahrer der WTCC ging Müller erstmals überhaupt leer aus und konnte keinen Rennsieg für sich verbuchen, tummelte sich im Saisonverlauf aber konstant unter den Schnellsten der Szene. Eine große Portion Pech und die Unterstützung für Teamkollege Farfus erlaubten es dem 40-Jährigen aber nicht, seine eigenen Interessen kontinuierlich zu verfolgen.

Zumindest einen Achtungserfolg erzielte hingegen Sergio Hernández. Der spanische Youngster trug sich in Brünn erstmals in die WTCC-Siegerliste ein, indem er es seinem BMW Team Italy-Spain Teamkollegen Alessandro Zanardi gleichtat und einen WM-Lauf für sich entschied. BMW durfte sich zumindest in Tschechien als großer Sieger fühlen: Mehr Applaus als Zanardi bekam 2009 niemand sonst.¿pbvin|64|2179|wtcc|0|1pb¿

Das Rennjahr von BMW in Zahlen

Fahrer:
# 06 Andy Priaulx (Großbritannien)
# 07 Jörg Müller (Deutschland)
# 08 Augusto Farfus (Brasilien)
# 09 Alessandro Zanardi (Italien)
# 10 Sergio Hernández (Spanien)

Siege: 10
Doppelsiege: 7
Podien: 24
Pole-Positions: 3
Schnellste Runden: 12
Führungsrunden: 132

Platzierung in der Gesamtwertung (Team):
02. BMW - 311 Punkte

Platzierung in der Gesamtwertung (Fahrer):
03. Augusto Farfus - 113 Punkte
04. Andy Priaulx - 84
06. Jörg Müller - 76
11. Sergio Hernández - 36
12. Alessandro Zanardi - 31

Wie geht es 2010 weiter?

BMW bleibt der Tourenwagen-WM erhalten, reduziert aber das Engagement: In der neuen Saison treten Priaulx und Farfus als Werksduo auf - Müller wechselt auf die Langstrecke, das Schicksal von Hernández und Zanardi ist derzeit noch ungewiss. Dass BMW auch weiterhin an der WM teilnimmt, ist für Winter "aus sportlicher Sicht eine wichtige Entscheidung im 'Übergangsjahr' der WTCC".