WSBK-Sicherheit am Limit? Warum eine Einbremsung laut Alex Lowes unnötig ist

WSBK-Routinier Alex Lowes erklärt im Exklusiv-Interview, warum die Sicherheit der Superbikes nicht besser wird, wenn die Rundenzeiten zwei Sekunden langsamer sind

(Motorsport-Total.com) - In den kommenden Jahren werden die MotoGP und voraussichtlich auch die Superbike-WM gezielt eingebremst, um die Sicherheit einiger Strecken zu gewährleisten. An einigen Stellen kommen eine Reihe von Traditionskursen an ihre Limits, denn die Topspeeds in der MotoGP haben in den zurückliegenden Jahren beeindruckende Sphären erreicht. Deshalb macht die Königsklasse ab 2027 einen Schritt zurück und verwendet Motoren mit 850 statt 1.000 cm³.

Titel-Bild zur News: Alex Lowes

WSBK-Topspeeds: Alex Lowes sieht keinen Handlungsbedarf Zoom

Um zu verhindern, dass die seriennahe Superbike-WM zur schnellsten Motorrad-Rennkategorie aufsteigt, wird es auch Anpassungen in der WSBK geben. Um die Leistung der Motoren zu reduzieren, wird ab dem kommenden Jahr der maximale Spritfluss limitiert (Ducati erwartet große Probleme). Bereits in der laufenden WSBK-Saison sind die Motorräder mit Spritfluss-Messern ausgestattet, um Erfahrungen zu sammeln.

Dass sich die Sicherheit in der Superbike-WM verbessert, wenn die Motorräder in Sachen Spitzenleistung eingebremst werden, sieht Routinier Alex Lowes aber sehr kritisch. "Es wird nicht sicherer, wenn wir zwei Sekunden pro Runde langsamer sind. Das ist die Realität", kommentiert der Brite im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Total.com.

Alex Lowes

Alex Lowes begündet, warum die Superbikes nicht eingebremst werden müssen Zoom

Lowes hat nichts gegen generelle Einbremsungen, erwartet aber nicht, dass es dadurch weniger kritische Zwischenfälle gibt. "Aus Sicht der Sicherheit stimme ich nicht wirklich zu. Ich denke nicht, dass es dadurch besser wird", bemerkt der Kawasaki-Pilot.

"Wenn man sich die schlimmsten Unfälle anschaut, dann erkennt man, dass diese in den langsamsten Klassen passieren. Wenn die Motorräder langsamer sind, dann liegen die Fahrer enger beisammen", analysiert Lowes.

Mehr Seriennähe in der WSBK: Alex Lowes wünscht sich weniger Freiheiten

Für die Zukunft hat Lowes eine einfache Lösung: mehr Seriennähe. "Ich würde mir wünschen, dass die Motorräder in der Superbike-WM enger an den Serienmaschinen sind. Wir sollten Motorräder fahren, die mehr Teile mit den Serienversionen teilen. Wir sind aktuell nah dran, doch es wäre meiner Meinung nach gut, wenn wir noch näher herankommen", erklärt er.

Kawasaki ZX-10RR

Die Kawasaki ZX-10RR in der WSBK unterscheidet sich in vielen Bereichen stark von der Serienmaschine Zoom

"Das ist sicher keine beliebte Meinung", ist sich Lowes bewusst und verteidigt seine Idee: "Die aktuellen Serienmaschinen sind so schnell. Sie sind bereits ab Werk sehr konkurrenzfähig. Natürlich benötigt man eine Balance, um die verschiedenen Serienbikes anzugleichen."

Mehr Seriennähe hätte einige Vorteile, wie geringere Kosten für die Teams. "Die Superbike-WM ist nach wie vor ziemlich kostspielig. Es wäre besser, die Motorräder näher an die Serienversionen heranzubringen. Doch ich kann das nicht entscheiden", bemerkt Lowes.


Fotos: WSBK 2024: Portimao (Portugal)


Schaut man sich die Motorräder in der Superbike-WM an, dann erkennt man, dass Kawasaki vom freizügigen Reglement profitiert, denn die Serienversion der ZX-10RR ist in die Jahre gekommen. Würde Kawasaki also weiter zurückfallen, wenn man die Freiheiten einschränkt und Lowes' Idee folgt? "Es wäre egoistisch, wenn ich es aus dieser Perspektive betrachte", so Lowes.

Francesco Bagnaia, Marc Marquez, Andrea Iannone

Beim Race of Champions im Rahmen der World Ducati Week wurden beeindruckende Rundenzeiten gefahren Zoom

Es ist unbestritten, dass aktuelle Superbikes beeindruckende Fahrleistungen erreichen und in den richtigen Händen nur wenige Sekunden langsamer sind als die teuren MotoGP-Prototypen. Das wurde bei der World Ducati Week in Misano deutlich, als MotoGP-Champion Francesco Bagnaia mit der neuen Ducati Panigale V4S nur vier Sekunden über dem MotoGP-Rekord fuhr.

Most

Sicherheit in der Superbike-WM: Most ist eine Strecke, die am Limit ist Zoom

Doch es gibt Bereiche, in denen Lowes keine Kompromisse machen würde. "Man benötigt gute Bremsen. Es ist wichtig, dass die Bremsen eine konstante Bremsleistung haben. Und auch das Getriebe ist wichtig. Wenn man ungewollt in den Leerlauf kommt, dann kann das für einen selbst und die anderen Fahrer sehr gefährlich werden. Doch alle Dinge könnten seriennaher sein, wenn es nach mir geht", erklärt der Kawasaki-Pilot.

Keine Zweifel: MotoGP-Topspeeds sind viel zu hoch

Absolut eindeutig ist laut Lowes, dass die MotoGP-Topspeeds reduziert werden müssen. Der Rekord liegt aktuell bei 366,1 km/h. Damit sind die Prototypen der MotoGP deutlich schneller als die WSBK-Bikes, die selten mehr als 325 km/h erreichen.

Brad Binder

Brad Binder erreichte mit seiner KTM RC16 bereits über 366 km/h Zoom

"Die MotoGP erreicht auf einigen Strecken sehr hohe Topspeeds. Die Unterschiede zur Superbike-WM sind massiv. Ich verstehe, dass man daran etwas ändern muss. Die Motorräder erreichen an einigen Stellen wirklich sehr hohe Geschwindigkeiten", erkennt Lowes.

Der Brite sieht aber in den Kurvengeschwindigkeiten die größten Gefahren. Nur wie kann man die Motorräder langsamer machen? "Härtere Reifen könnten eine Lösung sein", grübelt Lowes, der mit der Arbeit von WSBK-Reifenlieferant Pirelli sehr zufrieden ist, aber das große Kontingent nicht versteht.

Zu viele Reifen und zu weiche Mischungen?

"Ich bin der Meinung, wir sollten generell weniger Reifen erhalten. Pirelli hat bei den Reifen gute Arbeit geleistet. Sie wurden so viel besser in der Zeit, in der ich hier fahre. Wir sollten pro Session nur einen frischen Reifensatz erhalten", nennt Lowes eine Idee für die Zukunft.

Pirelli

Sollte Pirelli die SCQ- und SCX-Mischungen generell abschaffen? Zoom

Im Vergleich zur Vergangenheit hat Pirelli über die Jahre immer weichere Mischungen präsentiert, die jedoch nicht mit allen Strecken harmonierten. So sah man zum Beispiel in Most oder auf Phillip Island einige Probleme. Ein Schritt zurück zu deutlich härteren Mischung wäre eine Alternative.

Die Britische Superbike-Meisterschaft (BSB) ist diesbezüglich ein Vorreiter. In der BSB werden die ultraweichen Mischungen nicht mehr angeboten. "Die Rennen sind dennoch fantastisch. Es gibt keine Unterschiede beim Spektakel", stellt Lowes fest und stellt sich hinter diese Idee.