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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Leon Camier (Honda)

Der größte Motorradhersteller der Welt belegt auch in der Superbike-WM den letzten Platz: Honda ist weit von den Resultaten entfernt, die man sich vorgenommen hatte

Titel-Bild zur News: Leon Camier

HRC-Teammanager Leon Camier konnte Honda bisher nicht zu Siegen führen Zoom

Liebe Freunde der Superbike-WM,

die WSBK-Saison 2022 ist Geschichte. Die gut sieben Monate seit dem Saisonauftakt in Aragon vergingen wie im Flug. In diesem Zeitraum begeisterte die Superbike-WM mit spannendem Rennsport und schrieb schöne Geschichten, an die Sie sich hoffentlich genau so gern erinnern, wie ich es tue.

Ducati gelang nach elf langen Jahren die Rückkehr an die Spitze. Die Italiener holten wie in der MotoGP alle drei Titel. Was für ein Jahr für den Hersteller aus Borgo Panigale, der in der jüngeren Vergangenheit vieles richtig gemacht hat.

Man muss aber auch Jonathan Rea und Toprak Razgatlioglu gratulieren, die meiner Meinung nach das Maximum aus ihren Möglichkeiten herausholten und keine Chance ungenutzt ließen.

Alvaro Bautista

Alvaro Bautista blühte nach seiner Rückkehr zu Ducati wieder richtig auf Zoom

Die WSBK-Saison 2022 produzierte aber nicht nur Gewinner. Also wer hat nach dem Saisonfinale in Australien im übertragenen Sinne schlecht geschlafen?


Fotos: Superbike-WM 2022: Phillip Island (Australien)


Honda sowohl in der MotoGP als auch in der Superbike-WM auf dem letzten Platz

In dieser letzten Montags-Kolumne möchte ich das Projekt von Honda unter die Lupe nehmen und stellvertretend HRC-Teammanager Leon Camier nominieren. Denn auch in der abgelaufenen Saison blieb der japanische Hersteller deutlich hinter den Erwartungen.

Beim Saisonfinale verlor der größte Motorradhersteller der Welt den vierten Platz in der Konstrukteurswertung an BMW. Somit beendete Honda sowohl die MotoGP als auch die Superbike-WM auf dem letzten Platz. Wow, das muss man erst einmal sacken lassen.

Xavi Vierge

Xavi Vierge konnte nicht verhindern, dass HRC auf den letzten Platz abrutscht Zoom

Ich erwähnte ja bereits, dass bei Ducati in den zurückliegenden Jahren viele clevere Entscheidungen getroffen wurden. Wenn ich mir die jüngere Vergangenheit von Honda anschaue, dann entdecke ich viel Chaos, seltsame Entscheidungen und auch etwas Ratlosigkeit.

War der komplette Neuanfang ein Flop?

Honda entschied sich nach zwei durchwachsenen Jahren mit Alvaro Bautista und Leon Haslam dazu, die WSBK-Saison 2022 mit zwei Superbike-Rookies zu bestreiten. Iker Lecuona kam aus der MotoGP und Xavi Vierge wechselte aus der Moto2-WM ins WSBK-Paddock.

War diese Entscheidung ein Fehler? Ich denke, Lecuona und Vierge haben ordentliche Leistungen gezeigt und das Potenzial der Fireblade gut genutzt. Aber war ihre fehlende Erfahrung ein Hindernis bei der Entwicklung? Vermutlich schon, denn ich bezweifle stark, dass sie viel mit den Daten ihrer Vorgänger anfangen konnten, was mich zum nächsten Punkt bringt.

Iker Lecuona, Xavi Vierge

WSBK 2022: Neuanfang für Honda mit Iker Lecuona und Xavi Vierge Zoom

Verlangsamen zu viele Variablen die Entwicklung?

Honda dachte vor dem Saisonstart, dass es eine gute Idee ist, bei zwei wichtigen Komponenten die Partner zu wechseln. Die 2022er-Hondas waren mit Nissin-Bremsen und Showa-Federelementen ausgestattet. Von Brembo und Öhlins trennte sich Honda in der Superbike-WM.

Ich möchte nicht behaupten, dass Nissin und Showa schlechte Hersteller sind. Die Erfolge von Kawasaki belegen, dass Showa durchaus konkurrenzfähiges Material liefert, mit dem man Rennen und Meisterschaften gewinnen kann.

Showa und Nissin bei Honda

Honda Fireblade mit Nissin-Bremsen und Showa-Federgabel Zoom

Doch warum entscheidet sich Honda bei einem so fragilen Projekt für zusätzliche Variablen? Mit Brembo und Öhlins hatte man zuverlässige Partner, die viele Erfahrungswerte liefern konnten.

Ich sprach im Sommer mit Ex-Honda-Pilot Alvaro Bautista über dieses Thema. Die Idee, zu Nissin und Showa zu wechseln, war nicht neu. Doch zu seiner aktiven Zeit bei Honda sprach sich Bautista gegen einen Wechsel aus, weil er keinen Vorteil erkannte. Und das kann ich gut nachvollziehen.

Alvaro Bautista

Alvaro Bautista sprach sich zu seiner Zeit bei Honda gegen Experimente aus Zoom

Honda hinkt weit hinter dem eigenen Anspruch hinterher

Aus eigener Kraft war Honda auch im dritten Jahr mit dem Werksteam kein Kandidat für das Podium. Der ursprüngliche Plan sah vor, in der Debütsaison (2020) erste Siege zu feiern und ab dem zweiten Jahr (2021) um die Meisterschaft zu kämpfen.

Doch davon ist Honda meilenweit entfernt. Stattdessen verlor man den vorletzten Platz bei den Herstellern an BMW, die zugegebenermaßen keine besonders gute Saison erlebten.

Dass die Fahrer nicht der Grund für die anhaltende Erfolglosigkeit sind, wird ziemlich deutlich, wenn man Alvaro Bautistas Ergebnisse in der zu Ende gegangenen Saison betrachtet.

Iker Lecuona

Iker Lecuona kämpfte hart, um Honda an die Spitze zu bringen Zoom

Nach der Rückkehr zu Ducati wirkte Bautista wie ein anderer Fahrer. Mit Ausnahme von Donington und Mandalika gewann er an jedem Wochenende mindestens ein Rennen. In seinen beiden Honda-Jahren mühte er sich oft nur im Mittelfeld ab.

Dank Zugeständnissen bald konkurrenzfähiger?

Gibt es für Honda Hoffnung auf eine Rückkehr zu den Erfolgen, die mit der legendären RC30/45 und der VRT1000SP1/2 eingefahren wurden? Schwierig, wenn Sie mich fragen. Mit den neu eingeführten Super Concessions hat Honda aber immerhin einen kleinen Joker.

Offensichtlich verursachen die Steifigkeit und die Geometrie des Fireblade-Chassis einige Probleme, die mit dazu gewonnenen Freiheiten dieser neuen Regel behoben werden können. Die Motorleistung der Honda CBR1000RR-R Fireblade ist nicht das Problem, denn in den Topspeed-Wertungen liegen die beiden Werks-Hondas oft vorn. Es muss also am Chassis liegen. Die Super Concessions sind der große Hoffnungsträger.

Honda Fireblade CBR1000R-RR für die Superbike-WM 2022

Honda darf das Chassis der Fireblade modifizieren Zoom

Doch ist es nicht etwas bitter, wenn Honda auf derartige Zugeständnisse angewiesen ist, um mithalten zu können? Die Super-Concession-Regel soll weniger erfolgreichen Herstellern die Arbeit erleichtern. Für die Egos der hochrangigen HRC-Manager muss das ein heftiger Schlag sein.

Benötigt Honda einen starken Partner?

Vorbei sind die Jahre, in denen die hochrangigen Manager von HRC mit breiter Brust durchs Fahrerlager gingen und eine gewisse Arroganz versprühten. Die Brötchen, die Honda im Motorradsport backt, sind in den zurückliegenden Jahren deutlich kleiner geworden.

Mich würde interessieren, wie schlagkräftig Honda wäre, wenn man nach wie vor mit der Erfolgsmannschaft von Ten Kate zusammenarbeiten würde. Diese Paarung feierte einige Erfolge, doch die Zusammenarbeit endete abrupt und sorgte für Irritation.

Auf der Sympathieskala rutschte HRC bei vielen WSBK-Beteiligten durch die Art und Weise nach unten. Mein Gefühl sagt mir, dass HRC zusammen mit Ten Kate mehr erreicht hätte als mit dem eigenen Werksprojekt.

Jonathan Rea

Jonathan Rea auf der Ten-Kate-Honda Zoom

Wie sieht Ihre Meinung dazu aus? Trauen Sie Honda im vierten Jahr den Sprung an die Spitze zu? Teilen Sie mir Ihre Meinung auf Facebook unter "Sebastian Fränzschky - Motorsport-Journalist" mit. Dort gibt es meine Texte, Insiderinfos, Meinungen und Einschätzungen zu aktuellen Themen. Und natürlich die Möglichkeit, diese Kolumne zu diskutieren!

Sportliche Grüße,

Sebastian Fränzschky

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