Neue Honda für WSBK 2024? "Es könnte sich etwas in der Pipeline befinden"

Exklusiv: HRC-Teammanager Leon Camier spricht über die Probleme von Honda in der Superbike-WM, die Testarbeit, die WSBK-Regeln und die Fahrer für 2024

(Motorsport-Total.com) - Auch in der vierten Saison mit dem werksseitigen WSBK-Projekt fällt es Honda schwer, erkennbare Fortschritte zu erzielen. Beim zurückliegenden Rennwochenende in Donington kamen Iker Lecuona und Honda-Teamkollege Xavi Vierge überhaupt nicht in Schwung und sammelten in Summe nur magere sieben Punkte (was Lecuona nach dem Wochenende gesagt hat). Honda läuft Gefahr, in der Herstellerwertung erneut hinter BMW zurückzufallen und damit Letzter zu werden.

Titel-Bild zur News: Honda Fireblade

Honda CBR1000RR-R Fireblade: Gibt es 2024 ein neues Homologationsmodell? Zoom

Wir haben uns in Donington exklusiv mit Honda-Teammanager Leon Camier getroffen, um die Probleme zu beleuchten. "Wir sind nicht zufrieden mit dem, wo wir sind. Wir wollen nicht um solche Positionen kämpfen", bemerkt Camier und stellt klar: "Wir möchten um Podestplätze und Siege und Meisterschaften kämpfen. Doch es ist ein Prozess."

Nach zwei durchwachsenen Jahren mit Alvaro Bautista und Leon Haslam startete Honda im Vorjahr eine Art Neuanfang und holte zwei junge Fahrer ins Team. In diesem Jahr bestreiten Iker Lecuona und Xavi Vierge ihre zweite Saison mit Honda. Zudem kennt Honda die Probleme und hatte im Winter die Chance, Fortschritte zu erzielen. Doch bisher enttäuscht das 2023er-Paket.

Leon Camier hatte sich größere Fortschritte erhofft

"Ich hatte gehofft, dass wir einen größeren Schritt machen", gesteht Teammanager Leon Camier im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Wir haben zweifellos Verbesserungen erzielt, doch es gibt jetzt zwei oder drei Fahrer mehr in dem Bereich, in dem wir uns bewegen. Unsere Rundenzeiten sind aber besser geworden."

"Es ist schwieriger geworden, in die Top 6 zu kommen. Ducati hat viele starke Satelliten-Bikes, Yamaha auch", versucht Leon Camier die teilweise sehr enttäuschenden Ergebnisse zu rechtfertigen.

"Auf Grund der Regeln ist es ziemlich schwierig, Fortschritte zu erzielen", bemerkt Leon Camier. Doch Honda erhielt auf Grund der schwachen Ergebnisse bereits einige Zugeständnisse. So konnte Honda dank der Super-Concession-Regel einen neuen Rahmen bauen. Die Steifigkeit wurde im Vergleich zur Serie reduziert, doch auch diese Änderung führte bisher nicht zum angestrebten Erfolg.

Leon Camier

Leon Camier kämpft bei Honda mit vielen Problemen Zoom

"Es hat ein bisschen geholfen, aber es geht um das Gesamtpaket", erklärt Leon Camier. "Es reicht nicht, wenn wir das Chassis wechseln. Natürlich hilft es, aber wir brauchen mehr. Das ist offensichtlich. Es fehlt überall ein bisschen, abgesehen vom Topspeed. Vor allem Xavi ist auf den Geraden richtig schnell, weil er auf Grund seiner Größe sehr aerodynamisch ist."

Xavi Vierge

Xavi Vierge erreicht beeindruckende Topspeeds, ist vom Podium aber meist weit entfernt Zoom

"Bei der Beschleunigung können wir uns noch ein bisschen verbessern. Zudem müssen wir das Turning bei gelöster Bremse noch verbessern. Es gibt einige Bereiche, in denen wir noch Luft nach oben haben. Die Elektronik funktioniert aber ziemlich gut", analysiert der HRC-Teammanager.

Warum gibt es kein Testprogramm in Europa?

Mit einem intensiven Testprogramm könnte Honda an der Konkurrenzfähigkeit der Fireblade arbeiten. Doch in Europa gibt es kein Testteam. Lediglich in Japan wird nach Verbesserungen gesucht.

"In Europa gibt es keine Tests", bestätigt Leon Camier. "Wir haben in Japan einen Testfahrer. Dort werden einige Teile mit Pirelli-Reifen getestet. Es ist aber kein großes Testprogramm. Die Teile werden in Japan getestet, bevor wir sie bekommen."

Iker Lecuona

Kein Testprogramm: Honda tritt auf der Stelle Zoom

"Es würde sicher helfen, auch in Europa einen Testfahrer zu haben", bemerkt der Honda-Teammanager, der es begrüßen würde, auf den Strecken zu testen, auf denen die Rennen gefahren werden. "Unsere Basis ist in Japan und deshalb ist es aus logistischer Sicht schwierig", bedauert er.

Inwieweit beeinflusst Hondas MotoGP-Krise das WSBK-Projekt?

Honda hat nicht nur in der Superbike-WM zu kämpfen. Auch das MotoGP-Projekt ist vor einiger Zeit vom Kurs abgekommen und benötigt einen Neustart. Ist die MotoGP-Krise für die Probleme in der WSBK mitverantwortlich?

MotoGP-Honda von Marc Marquez

In der MotoGP hat Honda komplett den Anschluss verloren Zoom

"Es beeinflusst unser Projekt nicht", erklärt Leon Camier. "Es ist ein separates Projekt. Natürlich ist das Management identisch, doch das MotoGP-Projekt läuft getrennt von unserem."


Fotos: Superbike-WM 2023: Donington (Großbritannien)


Die Seriennähe in der Superbike hat zur Folge, dass die Hersteller im Vorteil sind, die bereits in der Serie über ein konkurrenzfähiges Motorrad verfügen. Ducati ist hier klar im Vorteil, denn die Panigale V4R leistet bereits ab Werk mehr als 230 PS. Honda hat ebenfalls einen kräftigen Motor, doch ein neues Modell könnte dennoch helfen, den Rückstand zu reduzieren.

Bringt Honda eine überarbeitete Fireblade für die WSBK 2024?

Kommt 2024 ein neues Homologationsmodell? "Es könnte sich etwas in der Pipeline befinden", kommentiert Leon Camier. "Ich weiß aber nicht, ob es schon im kommenden Jahr soweit ist. Vielleicht kommt etwas", so der Brite.

Honda Fireblade CBR1000RR-R

Die aktuelle Honda CBR1000RR-R Fireblade debütierte in der WSBK-Saison 2020 Zoom

Die Erfahrungen aus den dreieinhalb Jahren in der WSBK könnten helfen, eine bessere Fireblade zu bauen. "Es gibt viele Änderungen, die wir uns als Rennteam wünschen würden. Doch auf Grund der Regeln sind wir momentan limitiert. Deshalb ist es schwierig", so Leon Camier.

"Ein neues Serien-Motorrad ist sehr teuer in der Entwicklung. Es sind viele Millionen Euro notwendig, um bei einem neuen Serienmodell etwas am Motor oder am Chassis zu ändern", erläutert der Honda-Teammanager.

Unterschiedliche Philosophien: Müssen die WSBK-Verantwortlichen handeln?

Vor allem die japanischen Hersteller sind aktuell zurückhaltend bei der Entwicklung neuer Sportmotorräder. Die Verkaufszahlen für Superbikes rechtfertigen oft nicht die hohen Entwicklungskosten. Doch aus PR-Sicht sind Superbikes nach wie vor die Aushängeschilder der Hersteller, bei denen gezeigt wird, was technisch möglich ist.

Leon Camier

Leon Camier weiß, wie schwierig es geworden ist, Budgets für neue Superbikes zu erhalten Zoom

"Wenn der Markt rückläufig ist, dann ist es für Honda weniger interessant, ein neues Modell zu bringen", bestätigt Leon Camier, der sich Änderungen am Reglement wünscht: "Meiner Meinung nach müssen wir clever mit den Regeln umgehen, um die unterschiedlichen Philosophien der Hersteller besser auszugleichen."

Damit gemeint ist der Ansatz von Ducati, ein deutlich radikaleres Superbike mit vielen aufwändigen Technologien anzubieten und dafür deutlich mehr Geld zu verlangen als die japanischen Hersteller. Auf Grund der Unternehmensphilosophie sind Kawasaki, Yamaha und auch Honda die Hände gebunden. Wenn die WSBK-Verantwortlichen nicht darauf reagieren, dann gefährden sie die Balance in der Meisterschaft.

Braucht Honda mehr konkurrenzfähige Fahrer im WSBK-Feld?

Ducati hat in der MotoGP vorgemacht, wie hilfreich es sein kann, viele Motorräder im Feld zu haben. Würde Honda davon profitieren, mehr konkurrenzfähige Teams in der Superbike-WM auszurüsten? Aktuell gibt es nur die beiden Werksmaschinen und die nach wie vor nur bedingt konkurrenzfähigen MIE-Hondas von Hafizh Syahrin und Eric Granado.

Hafizh Syahrin

Die beiden MIE-Hondas kämpfen weiterhin um den Anschluss ans Mittelfeld Zoom

"Ich bin nicht involviert, was das MIE-Team angeht. Es wäre vielleicht eine Hilfe, mehr Bikes zu haben", grübelt Leon Camier und stellt klar: "Das ist aber erst der Fall, wenn wir mit dem Werksteam ein gutes Level erreicht haben. Dann können wir bei der Abstimmung und Entwicklung zusammenarbeiten."

"Im Moment arbeiten wir aber noch daran, dieses Level zu erreichen. Das MIE-Team testet eigene Entwicklungen und schlägt eigene Wege ein. Davon können wir auch lernen", ist der HRC-Teammanager überzeugt.

Geht es mit Iker Lecuona und Xavi Vierge weiter?

Nach wie vor offen ist, ob Honda auch 2024 mit Iker Lecuona und Xavi Vierge weitermacht. Lecuonas Manager schaut sich auch nach anderen Optionen um. Leon Camier wünscht sich, das Fahreraufgebot nicht zu ändern.

Iker Lecuona, Xavi Vierge

Iker Lecuona und Xavi Vierge bilden seit 2022 das Honda-Werksteam Zoom

"Unser Ziel ist es, mit beiden Fahrern weiterzumachen. Bei uns dauert es ein bisschen länger. Im Hintergrund wird auch noch am Suzuka-Projekt gearbeitet", begründet der Honda-Teammanager, der beim 8-Stunden-Rennen Anfang August in Japan vor Ort sein wird.

Im Vorjahr gewann Honda das prestigeträchtige Langstreckenrennen und feierte einen der wenigen Erfolge in der Motorrad-Saison 2022.

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