Kuhn: "Du kannst keinem Amerikaner das Cockpit klauen"
Christian Kuhn berichtet auf 'Motorsport-Total.com' exklusiv über die Hintergründe des zweiten Einsatzes von Klaus Graf im NASCAR-Nextel-Cup
(Motorsport-Total.com) - Christian Kuhn ist der Mastermind hinter der Verpflichtung von Klaus Graf für die beiden NASCAR-Rennen von Sears Point und Watkins Glen, wenn die US-amerikanischen Superstars und Ovalspezialisten vom Schlage eines Jeff Gordon für zwei Events ihr Können auf Rundkursen europäischen Zuschnitts beweisen müssen.

© Speed Racing
Christian Kuhn (rechts) hat im Hintergrund die Fäden für Klaus Graf gezogen
Kuhn hat als Inhaber von "Speed Racing" eine Partnerschaft mit dem Nextel-Cup-Team von BAM Racing und trat vor einigen Jahren mit dem ganz klaren Ziel an, einen deutschen Fahrer im Verbund mit deutschen Firmen im amerikanischen Nextel-Cup zu etablieren.#w1#
2004 war es zum ersten Mal soweit, als Klaus Graf ein Rennen in der NASCAR-Oberliga bestritt und jetzt folgt die zweite Chance, denn der Schwarzwälder wird am 24. Juni im kalifornischen Sears Point und am 12. August in Watkins Glen die deutschen Farben im Aushängeschild des US-amerikanischen Motorsports vertreten.
Exklusiv auf 'Motorsport-Total.com' schildert Kuhn nun die Hintergründe, wie es zu diesem außergewöhnlichen Deal kam.
Beginn in Homestead

© NASCAR
Mike Bliss fuhr 2007 bislang das BAM-Auto mit der Startnummer 49 Zoom
Frage: "Christian, erzähle uns doch bitte, wann die kommerziellen Stellschrauben für das zweite NASCAR-Engagement von Klaus Graf begonnen haben, sich im Hintergrund zu drehen."
Christian Kuhn: "Das ganze Projekt wurde eigentlich im November 2006 in Homestead gestartet, als der Nextel-Cup damals sein Saisonfinale austrug. Wir haben zu diesem Zeitpunkt Verhandlungen mit einen neuen Sponsor für die Saison 2007 geführt, einer Organisation für behinderte Ex-Soldaten. Diese benutzen jetzt den Nextel-Cup als Werbeplattform, um Spender zu gewinnen und um die Aufmerksamkeit der amerikanischen Öffentlichkeit auf das Schicksal der amerikanischen Soldaten hinzuweisen. Das Auto ist in den Farben der amerikanischen Flagge lackiert und die Sterne des 'Stars and Stripes' werden an interessierte Spender verkauft."
Frage: "Und eigentlich ist Mike Bliss der Stammfahrer des Teams."
Kuhn: "Ja. Für die Saison 2007 ist Mike Bliss als Fahrer unter Vertrag.
Frage: "Was wiederum darin geendet hat, dass sich der BAM-Racing-Dodge nur für vier der bislang 14 Saisonrennen qualifizieren konnte."
Kuhn: "Nicht nur das. Ich habe einmal ausgerechnet, dass uns dadurch alleine 45 bis 50 Boxenstopps in der harten Rennpraxis entgangen sind, die für ein Cup-Rennen von entscheidender Bedeutung sein könnten. Also liegt es nahe, sich auf das zu konzentrieren, was unsere ureigene Spezialität ist, nämlich Rundstreckenrennen erfolgreich zu bestreiten, damit sich das Team vielleicht wieder fangen kann und da kam natürlich sofort Klaus Graf ins Spiel, der für uns ein sehr gutes Ergebnis in Sears Point 2004 einfahren konnte."
"Es ist natürlich schwer gewesen, einen deutschen Piloten bei den Sponsoren als Fahrer zu platzieren. Immerhin handelt es sich um einen amerikanischen Sponsor, um ein amerikanisches Team und um einen amerikanischen Motorenhersteller in einer amerikanischen Serie."
Deutscher Fahrer und amerikanischer Sponsor

© Klaus Graf
Ein deutscher Fahrer wird von amerikanischen Sponsoren unterstützt Zoom
"Das ist eigentlich auch die ganz große Neuerung, denn bisher musste jeder Fahrer, der nicht aus der NASCAR-Umgebung selbst stammt, sein eigenes kommerzielles Paket mitbringen - egal ob es sich dabei um einen Paul Tracy oder andere gehandelt hat. So mussten wir 2004 auch arbeiten, wir haben quasi ein separates Team, dass von Speed-BAM aufgebaut worden ist, mit der Startnummer 59 an den Start gebracht."
Frage: "Als dann die Entscheidung fiel, dass Mike Bliss 2007 nicht die beiden Rundkursrennen fahren würde, kam dann nur der Name Klaus Graf ins Spiel, oder gab es da noch andere Kandidaten?"
Kuhn: "Nein, für uns kam zu dem Zeitpunkt nur Klaus Graf in Frage. Er war der geeignete Fahrer für die Rundkurse und er war im Besitz der dazu notwendigen NASCAR-Lizenzen.
Frage: "Jetzt ist Klaus Graf zu 100 Prozent für die beiden Rennen in Sears Point und Watkins Glen bestätigt. Gibt es darüber hinaus noch Optionen für weitere Einsätze?"
Kuhn: "Sagen wir mal so: Ich bin stark am Arbeiten, dass wir im Team Möglichkeiten erörtern, ob weitere Einsätze noch in 2007 möglich sind. NASCAR verteilt im Moment keine Nextel-Cup-Lizenzen mehr, ohne dass die Piloten mehrere Busch-Rennen, ARCA-Rennen oder auch Truck-Rennen gefahren sind. 2004 hatten wir eine andere Situation gehabt, da hat man mit Mühe und Not 43 Starter zusammenbekommen."
"Im Moment ist die Situation die, dass Klaus nur für die kleinen Ovale bis maximal eine Meile die Erlaubnis hat. Jetzt müssen wir mal schauen und in Sears Point mit der NASCAR reden, welche Lizenzen wir noch verhandeln können. Es macht ja auch keinen Sinn dorthin zu gehen, wo es superschwer wird, sich zu qualifizieren. Besser ist es, vielleicht Pocono oder zum Beispiel auch Phoenix zu versuchen, wo ein Fahrer wie Klaus einen größeren Einfluss auf das Qualifikationsergebnis hat und sich leichter tun wird."
"Man muss sich da schon Gedanken machen, und ich werde mich zusammen mit Eddie Jones (Teampräsident von BAM-Racing; Anm. d. Red.) hinsetzen und genau analysieren, wo wir zum Beispiel vorher mal testen gehen können, und wo wir uns dann am besten qualifizieren können. Denn wenn wir darüber reden, dass wir uns mit einem amerikanischen Sponsor vielleicht 2008 etablieren können, dann geht das nur über die sportliche Leistung in diesem Jahr, weil sich grundsätzlich jeder amerikanische Sponsor einen amerikanischen Fahrer wünscht."
Deutsche Firmen sind in der NASCAR involviert

© NASCAR
Deutsche Sponsoren unterstützen lieber Kasey Kahne und Co. Zoom
Frage: "Deutsche Sponsoren haben also kein besonderes Interesse an der Boom-Serie NASCAR?"
Kuhn: "Das ist ein hochinteressantes Thema. Es ist für mich unverständlich, dass keine deutschen Firmen bereit sind, auf diesen Zug aufzuspringen."
Frage: "Woran liegt das?"
Kuhn: "Ich denke es liegt daran, dass die Werbeindustrie in Deutschland NASCAR nicht verstehen und nicht quantifizieren kann. Was bedeutet in den USA von der Wichtigkeit her die ChampCar-Serie, was bedeutet die IRL und was bedeutet NASCAR?"
"Dazu kommt noch, dass selbst deutsche Firmen wie Siemens oder Henkel, die dort Sponsoring betreiben, sich amerikanische Agenturen ausgesucht haben, die die Sponsorengelder autonom verwalten, und die wiederum natürlich amerikanische Fahrer suchen."
Frage: "Das bedeutet, wir haben also möglicherweise die lustige Situation, dass deutsche Sponsoren einen amerikanischen Fahrer in der NASCAR unterstützen, während ein deutscher Fahrer von der US-Regierung unterstützt wird?"
Kuhn: "Ja. Ganz konkret engagiert sich Siemens als Co-Sponsor bei Evernham auf den Autos von Kasey Kahne und Elliott Sadler und man tritt zum Beispiel auch im Phoenix-Rennen als Hauptsponsor auf, während Henkel letztes Jahr in 22 Busch-Rennen aktiv war. Aber ich denke, man muss da in Deutschland weiterhin Aufklärungsarbeit leisten und Geduld haben."
Die Qualifikation ist wichtig

© Speed Racing
Auch Kenny Schrader (links) würde gerne bei BAM-Racing fahren Zoom
Frage: "Du klingst jetzt recht vorsichtig. Kann man sagen, dass der ganze Schlüssel dafür, wie es weitergehen könnte, die Qualifikation von Sears Point ist?"
Kuhn: "Das ist mit Sicherheit ein großer Faktor. Aber es steht und fällt letztlich auch damit, ob der amerikanische Sponsor bereit ist, einen Nicht-amerikanischen Fahrer zu akzeptieren."
"Klar ist, dass viele zur Zeit arbeitslose Fahrer, wie etwa Kenny Schrader, jetzt natürlich an die Türe klopfen und mit dem Argument kommen, dass sie Amerikaner seien. Meine Argumentation ist natürlich der sportliche Part, wo Eddie Jones hinter mir steht, aber das ist gleichzeitig auch sehr schwer zu verhandeln. Das beste Argument ist immer noch der sportliche Erfolg von Klaus."
"Natürlich hat ein Kenny Schrader drüben eine große Fan-Base, aber ich bin der Meinung, das ist sehr kurzfristig gedacht, denn in den USA gibt es so viele deutschstämmige Menschen, dass wenn der sportliche Erfolg da ist, auch eine Fan-Base für Klaus Graf entstehen kann. Klaus ist sehr beliebt innerhalb der NASCAR und auch beim Team."
Frage: "Jetzt ist es natürlich so, dass in Sears Point viele Rundkurs-Spezialisten auftauchen werden. Es gibt, je nachdem ob Bill Elliott seine Championship Provisional braucht, nur sieben oder acht freie Plätze für das Rennen. Wenn wir mal davon ausgehen, dass Ron Fellows das qualifizierte "Hall-of-Fame"-Auto von Tony Raines übernehmen wird, dann haben wir wahrscheinlich Brian Vickers, A.J. Allmendinger, Boris Said, Scott Pruett, Marcos Ambrose und P.J. Jones als zu erwartende Spezialisten. Mit anderen Worten - es wird eng."
Kuhn: "Richtig. Es wird sehr eng. Wenn es dem Klaus gelingt, sich zwischen Platz zehn und fünfzehn zu qualifizieren, dann haben wir überhaupt keine Sorgen. Das Problem ist nur, wir sprechen hier von etwa acht Zehntelsekunden Abstand auf die Pole-Zeit, denn das Car of Tomorrow hat das Feld um fast eine Sekunde innerhalb der ersten zwanzig Plätze zusammengeschoben."

