Graf: Mein NASCAR-Comeback
Klaus Graf schreibt in seiner aktuellen Kolumne exklusiv über die Vorbereitungen auf seinen NASCAR-Nextel-Cup-Einsatz am 24. Juni in Sears Point
(Motorsport-Total.com) - Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

© Klaus Graf
Klaus Graf startet am 24. Juni beim Nextel-Cup-Lauf von Sears Point
ich komme nach 2004 zum zweiten Mal in die Situation, dass ich mich auf dem Infineon Raceway in Sears Point für ein Nextel-Cup-Rennen qualifizieren kann. Ich werde, wie bereits 2004, wieder für das Team von BAM-Racing starten, was mich besonders freut. Im Vergleich zu der Situation vor drei Jahren hat sich bei NASCAR mittlerweile vieles verändert; mit Toyota ist ein neuer Hersteller am Start, was in der Konsequenz nichts anderes bedeutet, als dass verglichen mit 2004 noch mehr Konkurrenz vorherrschen wird.
Das Auto von BAM-Racing ist momentan nicht unter den Top 35 der Ownerwertung und im Hinblick auf die beiden Rundkursrennen von Sears Point und Watkins Glen wird es meine erste große Aufgabe sein, den Dodge Avenger mit der Startnummer 49 zu qualifizieren. Von daher ist der Freitag, an dem die Qualifikation laufen wird, für uns der wichtigste Tag des gesamten Wochenendes.#w1#
Entscheidend wird sein, wie sich unsere Testergebnisse des Zweitagestests von Virginia auf die Strecke in Sears Point übertragen lassen. Bei den Tests konnten wir das Qualifying leider nur bedingt üben, denn keiner hatte dort die richtigen Reifen zur Verfügung, aber wir haben dann versucht, über Stoßdämpfer und Abstimmungsarbeiten schon in die Richtung einer schnellen Runde zu gehen.
Keine Angst vor dem CoT

© Klaus Graf
Das aktuelle CoT von BAM-Racing hat Graf in Virginia kennengelernt Zoom
Auch das neue Car of Tomorrow schreckt mich nicht ab. Der größte Unterschied zu den herkömmlichen Cup-Autos ist der höhere Schwerpunkt und man kann auch in der Geometrie nicht mehr so viele Veränderungen vornehmen wie bei den alten Autos. Das Fahrgefühl ist daher etwas anders als bisher, die Autos haben die Tendenz, dass sie in der Kurvenmitte etwas ins Untersteuern geraten und der Trick wird sein, dies auszumerzen, ohne dabei an Traktion zu verlieren.
Man muss die neuen Autos in Sachen Abstimmung definitiv weicher fahren und man muss die Eigendynamik, das Rollverhalten des Chassis, mehr zu seinem Vorteil nutzen. Es wird ein Kompromiss gefunden werden müssen, denn wenn man dies alles über reine Setupjustierungen lösen will, dann läuft man Gefahr, dass die Reifen überfordert werden. Vom reinen Fahrverhalten werde ich mich zwar ein wenig umstellen müssen, aber viel entscheidender wird es sein, aus den für alle gleichen Gegebenheiten das Optimum herausholen zu können.
Denn Sears Point wird für alle Teams das erste Straßenrennen mit dem neuen CoT werden und eigentlich müssen alle Teams dort wieder bei Null anfangen. Wobei dies natürlich auch wieder zu relativieren ist, denn zum Beispiel kam Hendrick Motorsports mit fünf weißen LKWs und fünf Autos zum Testen. Das zeigt deutlich die Unterschiede, die auch in der NASCAR zwischen den einzelnen Teams herrschen.
Hoffentlich genügend Trainingszeit

© Speed Racing
Klaus Graf und Christian Kuhn hoffen auf ausreichend Trainingszeit in Sears Point Zoom
Wie gut wir dann am Rennwochenende wirklich aufgestellt sind, wird sich schnell zeigen, wenn wir das erste Mal auf die Strecke gehen werden, denn dann wird rasch eine erste grobe Richtung zu erkennen sein, wohin die Reise geht. Wir erwarten nicht, dass wir am Freitagmorgen allzu viel Trainingszeit haben werden, denn ich kann mich zum Beispiel noch gut erinnern, dass 2004 das einzige Freie Training vor dem Qualifying kurzfristig auf 90 Minuten verkürzt wurde.
Dazu beginnt erst am Freitagmorgen die technische Abnahme der Autos und wir auf Position 44 können nur hoffen, dass das Prozedere nicht bis über den Beginn des Freien Trainings hinaus andauern wird. Wir wissen nur, dass wir erst ziemlich gegen Ende an der Reihe sein werden, und müssen darauf hoffen, dass die Abnahme mit dem neuen Car of Tomorrow reibungslos funktioniert, damit für uns soviel Trainingszeit wie möglich übrig bleibt. Wir rechnen jedoch bereits jetzt damit, dass vor dem Qualifying wahrscheinlich nicht mehr als drei oder vier Runs für jeweils zwei oder drei Runden möglich sein werden.
Der nächste entscheidende Punkt wird sein, welche Startnummer man für das Einzelzeitfahren zugelost bekommt. Das ist vor allem im Hinblick auf die Beschaffenheit der Strecke von Bedeutung, denn Schmutz oder Sand können wir in unserer Situation gar nicht gebrauchen.
Gegenüber 2004 haben wir einen entscheidenden Vorteil, denn wir können auf die Stammmannschaft von BAM-Racing zurückgreifen, da wir ja mit der Startnummer 49 antreten. 2004 wurde für mich eine Extra-Crew angemietet, da wir damals mit dem Nummer-59-Auto an den Start gegangen sind. Es gibt also sehr viele Variablen, aber wir haben uns in der Kürze der Zeit so gut wie möglich vorbereitet und ich denke, dass wir sicherlich gute Chancen haben werden, uns zu qualifizieren.
Irgendwann auf das Oval

© Klaus Graf
Wie hier in Martinsville 2004 will Klaus Graf noch einen Oval-Versuch starten Zoom
Eines ist klar: Wenn ich es schaffen sollte, mich für das Rennen zu qualifizieren, dann ist zunächst einmal ein großer Schritt getan. Denn Qualifikation und Rennen sind in der NASCAR so unterschiedlich, das kann man fast nicht miteinander vergleichen. Nicht nur, dass die Autos komplett anders abgestimmt werden - nach dem Sprint über eine Runde in der Qualifikation folgt dann ein echtes Langstreckenrennen, was eine ganz andere Vorbereitung benötigt.
Man muss im Kopf komplett umschalten, das Rennen dauert lange, vermutlich etwa drei bis dreieinhalb Stunden, man muss richtig relaxen, und für den Fall einer Qualifikation werden wir am Samstag ganz entspannt in die "Happy Hour" gehen und uns in aller Ruhe für das Rennen vorbereiten. Entscheidend wird sein, sich aus allem rauszuhalten und ein gutes Resultat einzufahren. Wo das genau sein wird, wird man sehen, aber man darf sich keinen Illusionen hingeben. Denn Teams wie Hendrick, Gibbs oder auch Ganassi mit Juan Pablo Montoya betreiben extrem viel Aufwand für diese Straßenrennen, weil sie wissen, dass sie absolute Siegchancen haben.
Diese Teams zu besiegen, will ich zwar nicht als unmöglich hinstellen, aber das wird sicher nicht einfach. Eine Top-10-Platzierung wäre ein tolles Resultat, wenn es uns gelingt, dass am Renntag alles sehr gut zusammenläuft. Für mich persönlich bedeuten diese beiden Einsätze eine zweite Chance im Nextel-Cup und vielleicht die Möglichkeit, doch noch einmal dort Fuß zu fassen. Und mein Traum wäre es natürlich, das Ganze noch einmal auf dem Oval zu versuchen.
Herzliche Grüße,

