• 21.01.2014 12:30

  • von Pete Fink

Kolumne: Über Revolutionen und Game-7-Momente

Neue Playoffs und bitte, bitte immer Spannung am Saisonende - Pete Fink schreibt in seiner neuen Kolumne über die angedachten NASCAR-Regeln

Liebe NASCAR-Fans,

Titel-Bild zur News: Daytona International Speedway

Am 23. Februar geht es in Daytona wieder los - aber unter welchen Regeln?

kaum ein Thema erhitzt die NASCAR-Gemüter derzeit so sehr, wie die Diskussion rund um das Chase-Format. Das übrigens nicht erst seit heute. Seit der Einführung in der Saison 2004 wird quasi permanent über den dahinter stehenden Sinn und Unsinn gestritten. Und wie fast immer im Leben ist es auch in diesem Fall so, dass fünf Leute dazu 20 unterschiedliche Meinungen haben. Zurecht, denn immerhin geht es um die Frage, wie eine der weltweit größten Motorsport-Organisationen ihren Champion bestimmen will.

Wie sieht das angedachte, neue Prozedere aus? 16 (statt bisher 12 oder 13) Piloten qualifizieren sich für den Chase, wobei die Priorität darauf liegt, in den ersten 26 Saisonrennen ein Event gewonnen zu haben. Gibt es weniger als 16 Sieger, dann wird über die Punkte aufgefüllt. Danach verabschieden sich nach jeweils drei Chase-Rennen (Rennen drei, sechs und neun) die jeweils letzten vier Piloten, sodass ganz am Ende vier Fahrer übrigbleiben. Diese werden zum Finale auf eine gleiche Anzahl von Punkten gesetzt, weshalb es dann in diesem Rennen um alles gehen muss.

Die Triebfeder hinter der nun neu aufgelegten Diskussion ist NASCAR-Chef Brian France. Ihm wird nachgesagt, ein absoluter Anhänger der sogenannten "Game-7-Momente" zu sein. Damit ist gemeint, dass es in anderen US-Sportarten, wie zum Beispiel im Baseball oder im Eishockey, im letzten möglichen Playoff-Finale (Game 7) zu einer dramatischen Zuspitzung der Ereignisse kommen kann (und soll). Das garantiert gute TV-Quoten und France will nun ganz offensichtlich sicherstellen, dass es in jedem NASCAR-Saisonfinale zu mindestens einem solchen Moment kommt.

Aber Vorsicht: Offiziell ist dieser Plan noch nicht. Er sickerte am vergangenen Wochenende nach außen durch und wurde seitens NASCAR folgendermaßen kommentiert: Man befinde sich im finalen Prozess einer grundlegenden Überprüfung des derzeit gültigen Meisterschaftsformates. Dieser Prozess sei jedoch noch nicht abgeschlossen, weshalb es bis zu diesem Zeitpunkt keine Stellungnahmen geben wird. Im Klartext: Hinter geschlossenen Türen wird eifrig diskutiert.

Das alte Spiel: Sieg oder Konstanz?

In der NASCAR ist es eine uralte Fragestellung: Was will ich belohnen? Die Konstanz oder die Siege? Allein zu diesem Thema scheiden sich bereits die Geister. Nicht erst seit der Saison 2003, als Matt Kenseth mit einem einzigen Saisonsieg Meister wurde und damit die Vorlage zu der Chase-Idee lieferte. Wenn nun ein Pilot, der eines der 26 regulären Saisonrennen gewinnt, dadurch im Chase steht, dann ist das eigentlich eine gute Idee. Denn dann wird in diesen Rennen der Fokus auf den Kampf um den Sieg gelegt - und das wollen wir doch alle sehen.

Matt Kenseth

Matt Kenseth war 2003 der Auslöser des Chase-Systems Zoom

Das große Aber: Wie will NASCAR dann mit dem Thema Teamorders umgehen, was ja letztlich zum Richmond-Skandal geführt hat? Was passiert zum Beispiel, wenn sich ein Dauersieger Jimmie Johnson in irgendeinem Rennfinale plötzlich rechts ran bremst, um einem bis dato noch sieglosen Teamkollegen Dale Earnhardt Jr. oder Jeff Gordon durch einen geschenkten Sieg das Chase-Ticket zu ermöglichen? Wird dann der berühmt-berüchtigte Grüne Tisch, den in der NASCAR niemand sehen will, plötzlich zu einem Dauergast? Bitte nicht.

Rein historisch gesehen, wird es übrigens nicht funktionieren, dass man 16 Sieger in diesen 26 Saisonrennen bekommt, weshalb auch die Konstanz belohnt wird, wenn die sieglosen Punktbesten ebenfalls ein Chase-Ticket bekommen. In diesem Fall schlägt man also zwei Fliegen mit einer Klappe. Auch das ist meiner Meinung nach eine gelungene Idee. Spötter werden sich allerdings daran belustigen, dass man die Playoffs damit weiter entwertet, denn nach zunächst zehn, später zwölf und zuletzt 13 Piloten, sollen es nunmehr 16 Fahrer sein, die den Titel unter sich ausfahren.


Fotostrecke: Best-of-NASCAR 2013

Das angedachte Eliminierungsformat erinnert an das Qualifikationsprozedere der Formel 1 und der IndyCars. Aber auch im aktuellen Chase-Format entwickelt sich die sportliche Situation normalerweise so, dass sich die ersten Piloten recht früh aus der Titelentscheidung verabschieden, weil es Defekte oder Unfälle gab. Im Prinzip wäre so ein Format also nichts anderes, als eine offizielle Bestätigung. Auch ein Zufallssieger vom Schlage eines David Ragan (Front-Row-Ford, Talladega 2013) wird vermutlich Schwierigkeiten bekommen, seine Chase-Leistung auf einem konstant hohen Niveau abzurufen, was ihm eine ernsthafte Titelchance ermöglichen würde. Aber immerhin sind dann die Sponsoren glücklich, denn man stand ja im Chase.

Nur noch der Showfaktor?

Wenn allerdings die letzten verbleibenden vier Piloten wirklich zum letzten Saisonrennen auf die gleiche Punktezahl gesetzt werden, dann wird es extrem kontrovers. Denn dann, so auch der allgemeine Tenor in den USA, droht NASCAR ein Stück weit ins reine Entertainment-Business abzurutschen, weil alle bisher gezeigten sportlichen Leistungen (auch im Chase) ad absurdum geführt werden. Eine ähnliche Situation wie in der Formel 1 übrigens, wo bekanntlich am Saisonende ab sofort um doppelte Punkte gefahren werden soll.

Pete Fink Kolumne

Pete Fink schreibt in seiner neuen Kolumne über die vielleicht neuen Regeln Zoom

Unter dem Strich gilt für mich folgendes: Früher war Motorsport ganz simpel. Irgendwo fällt eine Startflagge und wer ein paar Kilometer weiter als Erster im Ziel ist, hat gewonnen. Heute funktioniert das offenbar nicht mehr, zumindest dann, wenn es im Big-Business (NASCAR und Formel 1) um Milliardenbeträge und TV-Quoten geht. Und in der NASCAR gab es diese Game-7-Momente auch in den vergangenen Jahren. Zum Beispiel beim Titelduell 2011 zwischen Tony Stewart und Carl Edwards. Dies war ganz sicher eine phänomenale Schlacht, die uns Beobachtern noch lange Zeit in Erinnerung bleiben wird.

Warum ist das so? Vielleicht deswegen, weil sich diese Schlacht in den Wochen zuvor angedeutet hat. Ganz automatisch und ohne jedes überhastete Eingreifen der Regelhüter. Einfach zwei Motorsport-Asse, die auf Augenhöhe den Titel ausgefochten haben, was in Homestead 2011 schließlich zu einem Drama kulminierte. Ich persönlich stelle mir an dieser Stelle aber die Frage, ob man mit den angedachten neuen Regeln nicht eine Inflation in Gang setzt, die schlussendlich dazu führen wird, dass sich keiner mehr an irgendwelchen künstlich generierten Duellen erfreuen kann, weil sie eben vorprogrammiert sind.


Fotos: Pre-Season-Thunder in Daytona


NASCAR ist, wenn es im Februar in Daytona losgeht und im November Jimmie Johnson gewinnt. Ist das vielleicht die große Angst, die Brian France und Co. antreibt? Die Furcht vor einem geschäftsschädigenden Dominator, der sich negativ auf das Interesse auswirkt? Den man zumindest irgendwie künstlich einbremsen muss, damit es am Ende noch spannend bleibt? Das ist natürlich nur eine Vermutung, aber wie dem auch sei: Eines hat NASCAR mit diesem News-Leck vom Wochenende jedenfalls geschafft: Man ist auch in der Winterpause in den Schlagzeilen.

Mit den besten V8-Grüßen,
Euer Pete Fink