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  • 25.08.2017 20:36

  • von Juliane Ziegengeist & David Emmett

Neuer Flag-to-Flag-Modus: Geteiltes Echo bei MotoGP-Piloten

Bikewechsel sollen sicherer werden, deshalb testete die MotoGP in Silverstone ein modifiziertes System in der Boxengasse - Rossi und Co. sind geteilter Meinung

(Motorsport-Total.com) - Nach der Kollision zwischen Aleix Espargaro und Andrea Iannone in der Boxengasse beim Flag-to-Flag-Rennen in Brünn war darüber beraten worden, wie man den Bikewechsel sicherer machen könnte. Eine Möglichkeit wurde an diesem Freitag im zweiten Freien Training von Silverstone getestet. Größte Unterscheidungspunkte sind die Position der Motorräder, die nicht mehr parallel, sondern in einer V-Form stehen, sowie ein Lollipop-Mann, der den Fahrern das Freizeichen gibt.

Titel-Bild zur News: Silverstone, KTM

In Silverstone testeten alle Teams am Freitag einen veränderten Bikewechsel Zoom

Zum Ende der Nachtmittagssession wurde dieses System erstmals ausprobiert und stieß bei den MotoGP-Piloten auf geteiltes Echo. Maverick Vinales (Yamaha) bewertet den neuen Modus als Fortschritt: "Ich fühlte mich gut damit. Man muss sich daran gewöhnen, weil man das Motorrad mehr drehen und auf den Mechaniker warten muss, der einem das Go-Zeichen gibt. Aber es ist auf jeden Fall sicherer. Es gibt mehr Platz und man ist entspannter."

Tatsächlich herrscht außerhalb der Garagen weniger Action, da alle Änderungen am Motorrad wie Reifenwechsel oder Ähnliches in der Box erfolgen müssen. Die Anzahl der Mechaniker am Bike ist begrenzt, die Aufgaben sind klar verteilt. Neu ist der besagte Lollipop-Mann, der den Überblick behalten und den eigenen Fahrer zurückhalten soll, wenn in unmittelbarer Nähe zur eigenen Box zeitgleich andere Piloten zum Wechsel hereinkommen.

Valentino Rossi: Neues System macht keinen Unterschied

So machte Vinales selbst die Erfahrung, warten zu müssen, als Petrucci gerade die eigene Box direkt neben ihm ansteuerte. Der Yamaha-Pilot wartete, bis Petrucci seinen Weg gekreuzt hatte, erst dann wurde die Fahrt freigegeben. Deshalb hält auch MotoGP-Rookie Jonas Folger das System für eine gute Lösung. "Natürlich ist es noch ungewohnt, was die Position und den Lollipop angeht", sagt der Deutsche, "aber es ist auf jeden Fall eine vernünftige Lösung."

Yamaha-Star Valentino Rossi sieht das etwas differenzierter. "Wir könnten das Prozedere verwenden. Es gibt natürlich Vor- und Nachteile verglichen mit dem anderen System. Aber ich bin glücklich mit beiden. Wenn diese Regel tatsächlich eingeführt wird, ändert es aber rein gar nichts. Es hätte auch beim Zwischenfall zwischen Iannone und Espargaro nichts geändert. Wir sehen das andere Bike nicht", wendet der Routinier ein.

Aus seiner Sicht ist der neue Modus weder ein Fort- noch ein Rückschritt. Ob sich dessen Einführung dann tatsächlich lohnt? Da sind sich auch die Ducati-Werkspiloten nicht sicher. Andrea Dovizioso weiß: "Es ist unmöglich, eine perfekte Lösung dafür zu finden. Jede Entscheidung hat positive und negative Seiten. Heute war es gut, das zu testen, denn mit dieser Erfahrung können wir in der Sicherheitskommission darüber sprechen."

Jorge Lorenzo würde Flag-to-Flag-Rennen ganz abschaffen

Zwar hält der Italiener den Bikewechsel selbst in der neuen Variante für sicherer und auch den Lollipop-Mann für sinnvoll, kritisch sei aber weiterhin die Anfahrt zur Box. "Wenn man ein Rennen auf Slicks startet und es beginnt zu regnen, fährt man auf nassem Asphalt rein. Mit den Slicks und den Carbonbremsen muss man jetzt direkt an der Box stoppen, und das ist nicht sicher. Doch ein Flag-to-Flag-Rennen sicherer zu machen, ist sehr schwierig", sagt Dovizioso.

Sein Teamkollege Jorge Lorenzo würde es deshalb am liebsten abschaffen. Sein Vorschlag ist, das Rennen stattdessen für einige Minuten zu unterbrechen, um das Chaos in der Boxengasse unter Zeitdruck zu minimieren. Allerdings glaubt der Spanier selbst nicht daran, dass Flag-to-Flag-Rennen ad acta gelegt werden. Mit den getesteten Änderungen sieht er beim Thema Sicherheit jedoch nur minimale Fortschritte.


MotoGP in Silverstone

"Ich denke nicht, dass wir uns damit stark verbessert haben. Denn der Platz ist sehr begrenzt für 24 Fahrer, es sind einfach zu viele Leute", urteilt der Ducati-Pilot. Markenkollege Alvaro Bautista (Aspar-Ducati) zieht ebenfalls ein Platzproblem: "Wir haben eine Wand in der Mitte der Box, weil wir die Garage teilen müssen. Da ist weniger Platz. Wenn also etwas passiert, kann es gefährlich werden." Doch er findet auch positive Worte.

Dani Pedrosa kritisiert Wegweiser in der Boxengasse

"Wenn man vom Motorrad absteigt, hat man etwas mehr Zeit, auf das andere zu steigen und ist nicht so gehetzt. Vielleicht ist das ein wenig sicherer. Aber das im Rennen zu machen, ist noch mal eine andere Sache - mit all dem Adrenalin in dem Moment", erklärt Bautista weiter. Im Training lässt sich das eben schwer simulieren. "Im Rennen, mit etwas mehr Druck, könnte es etwas chaotisch werden", weiß auch Scott Redding (Pramac-Ducati).

Honda-Pilot Dani Pedrosa sieht indes noch eine andere Schwierigkeit, die sich unter Rennbedingungen verschärfen könnte. Denn neu ist im modifizierten Flag-to-Flag-System auch kleine Schilder auf dem Asphalt entlang der Boxengasse, die die Einfahrt zu den Boxen markieren sollen. "Aus meiner Sicht sind diese kleinen Schilder auf dem Asphalt nicht gut. Denn es ist schwierig zu erkennen, welches zu dir gehört", findet Pedrosa.

Silverstone

Kleine Schilder auf dem Asphalt sollten Fahrern den Weg weisen - eine Hilfe? Zoom

Man müsse sich deshalb sehr auf den Boden konzentrieren und das sei ungünstig. "Wenn man sich vorstellt, dass Marc (Marquez; Anm. d. R.) und ich gleichzeitig reinkommen, ist es schwer zu unterscheiden, welches Schild zu wem gehört. Die Farben sind die gleichen. Es ist verwirrend, und das schon im Training", erklärt Pedrosa weiter. Ansonsten mache das neue System für ihn keinen großen Unterschied. In der Sicherheitskommission will man weiter darüber beraten.