MotoGP-Paddock inside: Kann KTM wirklich Ducati in Mugello ärgern?

Maverick Vinales fährt Trainingsbestzeit - Die KTM ist das schnellste Motorrad auf der Geraden - Haben sie wirklich Siegchancen? - Die Analyse des Trainingstags

Liebe MotoGP-Fans,

Titel-Bild zur News: Maverick Vinales

Im Heck der KTM sind gut Finnen statt einem Heckflügel zu erkennen Zoom

dass das Spitzenfeld auf der wunderschönen Mugello-Rennstrecke in der Toskana so eng beisammen ist, habe ich im Vorfeld nicht ganz erwartet. Ducati gilt zwar nach dem Trainingstag weiterhin als Favorit, aber speziell KTM hat sich in eine Position gebracht, um die italienische Marke beim Heimrennen herausfordern zu können.

KTM hat in den vergangenen Wochen viel probiert, auch beim Aragon-Test. Heute Vormittag wurden mit den vier Fahrern verschiedene Konfigurationen bei der Aerodynamik getestet, aber auch Vergleiche mit und ohne Massedämpfer im Heck angestellt.

Am Nachmittag glichen sich die Pakete dann wieder etwas an. Maverick Vinales hat den Tag mit zwei unterschiedlichen Motorrädern begonnen. Eines war seine Referenz, das andere Motorrad war mit Änderungen vom Aragon-Test aufgebaut.

"Das Motorrad aus Aragon ist ein Schritt nach vorn", bestätigt Vinales nach seiner Tagesbestzeit. "Wir wissen nicht genau, wie groß dieser Schritt ist, aber man merkt, dass es sich natürlicher anfühlt, das Motorrad zu fahren, und dass man eine bessere Linie halten kann."

"Unser Ziel ist es, beides zu haben: den guten Bremspunkt, den wir jetzt haben, und gleichzeitig die Kurvengeschwindigkeit zu halten. Daran arbeiten wir. Deshalb war die neue Aerodynamik ein kleiner Fortschritt - weil es einfacher ist, das Motorrad in die Kurve zu bringen."

Trotzdem betont Vinales, dass man die aktuelle KTM sehr präzise fahren muss, wie er detailliert schildert: "Das Motorrad ist schnell und gibt einem großes Vertrauen, sehr spät zu bremsen. Sobald man den Scheitelpunkt ein wenig verpasst, ist die Beschleunigung nicht optimal."

"Trifft man den Scheitelpunkt dagegen richtig, geht es beim Rausbeschleunigen ab wie eine Rakete." Die Fahrer müssen also sehr genau fahren und müssen versuchen, minimale Fehler so gut wie möglich zu vermeiden. Denn das kostet viel Zeit.

Pedro Acosta

Pedro Acosta fuhr zum Beispiel auch mit einer anderen Heckpartie Zoom

Warum ist KTM dennoch in Mugello derart konkurrenzfähig? "Die Hitze und das Layout", meint Pedro Acosta, der Achter wurde. Mit einem guten Qualifying schätzt der Spanier, dass an diesem Wochenende "alles" möglich sein kann.

"Ich denke, wenn wir den Hinterreifen verstehen und ein gutes Qualifying hinbekommen, dann sieht es so aus, als könnten wir konkurrenzfähig sein - vielleicht nicht für den Sieg, aber fürs Podium", schätzt Acosta die Chancen ein.

Brad Binder machte im ersten Qualifying-Versuch einen Fehler und stürzte im zweiten über das Vorderrad. Trotzdem sprach er von einem guten Gefühl. Auch Enea Bastianini spürt Fortschritte mit dem weichen Hinterreifen. Dennoch sind beide in Q1.

Marquez-Brüder mit dem geringsten Topspeed

Bemerkenswert ist die Topspeed-Liste des Freitagstrainings. Acosta war mit 361,2 km/h der Schnellste, dahinter folgen Bastianini und Binder mit je 360,0 km/h. Hinter den drei KTM-Fahrern sind in der Liste alle vier Aprilia-Fahrer zu finden.

Der beste Ducati-Topspeedwert stammt von Francesco Bagnaia mit 355,2 km/h. Die beiden langsamsten Fahrer auf der 1,14 Kilometer langen Geraden waren Marc Marquez (350,6 km/h) und Alex Marquez (349,5 km/h). Das finde ich sehr erstaunlich!

Denn die beiden Marquez-Brüder, aber auch Bagnaia, zählen auf jeden Fall zu den Anwärtern für den Sieg. Alex Marquez rechnet in den Rennen auch mit Vinales und mit Aprilia-Speerspitze Marco Bezzecchi. Ich teile seine Einschätzung.

Francesco Bagnaia, Franco Morbidelli, Marco Bezzecchi

Francesco Bagnaia war am Ende des Tages mit seinem Gefühl zufrieden Zoom

Ducati hat das neue Aerodynamik-Paket homologiert. Bei Marc Marquez und Fabio Di Giannantonio war je ein Motorrad damit ausgestattet. Aber es war vorerst nur ein Vergleichstest, um weitere Daten zu sammeln.

Marc Marquez bestätigte, dass er das restliche Wochenende mit der Aerodynamik aus dem Vorjahr weiterfahren wird. Bagnaia rückte am Vormittag mit dem zweiten Motorrad mit der neuen Aerodynamik gar nicht aus. Auch bei ihm ist sie homologiert.

Im Vormittagstraining ließ die Körpersprache von Bagnaia darauf schließen, dass er ganz und gar nicht zufrieden ist. Es stellte sich heraus, dass sie sich beim Set-up in eine falsche Richtung bewegt hatten. Das war aber hilfreich, um klar zu verstehen, was sie machen müssen.

Schlussendlich hatte Bagnaia die Nase knapp vor den Marquez-Brüdern. Ist das die Trendwende? "Mit dem Gefühl im Qualifying-Versuch bin ich mir ziemlich sicher, dass ich in beiden Rennen um das Podium kämpfen kann." Bagnaia fährt hier wieder mit der 340er-Standardbremsscheibe.

Marc Marquez

Das neue Aero-Paket (hier am Foto zu sehen) wird vorerst nicht weiterverwendet Zoom

Marc Marquez bezeichnet Mugello als Strecke, auf der er "verteidigen" muss und nicht angreifen kann: "Ehrlich gesagt hatte ich erwartet, dass ich anfangs weiter von Alex und 'Pecco' entfernt sein würde. Aber schon im ersten Training war ich näher dran, als ich gedacht hatte."

"Normalerweise tue ich mir hier, wenn ich allein fahre, schwerer als auf anderen Strecken. Aber heute bin gut gefahren und war nah an ihnen dran. Also versuche ich, an Alex dran zu bleiben, er ist mein WM-Verfolger. Gegenüber 'Pecco' ist es mir im Moment egal - ich habe mehr Spielraum."

Gut möglich also, dass sich Marc Marquez diesmal auch mit einem zweiten oder dritten Platz zufriedengeben könnte, wenn er merkt, dass nicht mehr möglich ist. Aber wie wir ihn als echten Racer kennen, sind natürlich auch zwei Siege nicht ausgeschlossen.

Marco Bezzecchi braucht noch einen Schritt

Eine Außenseiterchance auf das Podium würde ich auch Aprilia und Bezzecchi beim Heimrennen zutrauen. Beim Aragon-Test wurde hart gearbeitet, um die Qualifying-Probleme in den Griff zu bekommen. Der Fokus lag dabei auch auf der Elektronik und der Motorbremse.

Marco Bezzecchi

Aprilia hat daran gearbeitet, das Qualifying zu verbessern Zoom

Mit Platz sechs war Bezzecchi auch gut dabei, wobei er anmerkte, dass sich die RS-GP im Qualifying-Versuch "mehr oder weniger gleich" anfühlt. Die vergangenen Rennen haben gezeigt, welch starke Rennpace Bezzecchi fahren kann.

Wie sieht er sich in Mugello aufgestellt? "Nicht schlecht, ich bin recht konkurrenzfähig, aber ich bin noch nicht so schnell wie die Spitze. Hoffentlich können wir morgen einen Schritt machen und herausfinden, wie wir den Reifenverschleiß - besonders vorne - besser in den Griff bekommen."

Fabio Quartararo leistet übermenschliches

Die vielen flüssig zu fahrenden Kurvenabschnitte kommen auch der Yamaha entgegen. Dass Fabio Quartararo nach dem Sturz mit Schulterschmerzen noch die fünftbeste Rundenzeit gefahren ist, war absolut unglaublich.

Das verdeutlicht einmal mehr, was für ein herausragendes Talent Quartararo ist, aber wie er auch die Zähne zusammenbeißen kann. Nach dem Training fuhr er für weitere Untersuchungen in ein Krankenhaus nach Florenz.

Fabio Quartararo

Spezielles Helmdesign und eine grüne Startnummer bei Fabio Quartararo Zoom

Yamaha hat ein erstes, kurzes Update verschickt. Darin heißt es, dass die Untersuchungen gut verlaufen sind und Quartararos linke Schulter soweit in Ordnung ist. Am Abend kehrt er zurück an die Strecke und sollte am Samstag fahren können.

Alex Rins hat es auch direkt ins Q2 geschafft. Dass seine schwere Beinverletzung vor zwei Jahren in Mugello passiert ist, spielt für ihn keine Rolle. Als er am Donnerstag darauf angesprochen wurde, wusste er im ersten Moment gar nicht, was gemeint ist. Er hat das schon komplett ausgeblendet.

Mugello-Layout zeigt Schwächen der Honda auf

Blicken wir zum Abschluss auf Honda, denn von ihnen war am Freitag nichts zu sehen. Joan Mir hatte eine Sekunde Rückstand und Johann Zarco 1,2. Die Streckencharakteristik passt überhaupt nicht zur RC213V.

"Diese Strecke erlaubt es nicht, irgendeine Stärke unseres Motorrads zu zeigen", erklärt Mir. "Hier gibt es lange Kurven. Bei maximaler Schräglage haben wir keinen Grip. Grip haben wir erst beim Aufrichten, aber hier gibt es viele lange Kurven mit reiner Traktion - dort verlieren wir viel."

Joan Mir

Honda kämpft in Mugello auf verlorenem Posten Zoom

"Auch beim Topspeed verlieren wir stark. Und ich weiß nicht, was man machen soll, wenn man pro Runde 15 km/h auf die anderen verliert." Mir beschreibt, dass er einmal hinter Acosta war und selbst im Windschatten nicht dranbleiben konnte.

Mirs bester Topspeed wurde mit 350,6 km/h gemessen - also genau so viel wie bei Marc Marquez! Dieser Vergleich mit Honda zeigt auch deutlich, wie gut der Grip und die Traktion der Ducati ist, wenn sie in den vielen Kurven die Zeit holen können.

Außerdem klagt Mir wieder über massive Vibrationen. Für Honda ist es schon ein Wochenende zum Abhaken. Schön zu sehen ist, dass Luca Marini vor Ort zu Besuch ist. Sein Comeback könnte schon früher als angenommen klappen, möglicherweise schon am Sachsenring!

Euer


Gerald Dirnbeck

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