Mindest-Luftdruck in der MotoGP: Der Widerstand der Fahrer wächst

Die im Laufe der Saison eingeführte Regel sorgt für großen Frust im MotoGP-Paddock: Seitens der Fahrer gibt es konkrete Wünsche für die Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Die beim Grand Prix von Katalonien eingeführte Mindest-Luftdruck-Regel sorgt für reichlich Gesprächsstoff im MotoGP-Fahrerlager. "Ich hasse diese Regel. Sie wird diese Meisterschaft ruinieren", schimpft Routinier Aleix Espargaro (Aprilia), der bereits zwei Mal unterhalb der Mindestgrenze erwischt wurde.

Titel-Bild zur News: MotoGP Start

Angst vor Strafen: Mehr als das halbe MotoGP-Feld wurde bereits verwarnt Zoom

Das Reglement sieht vor, dass ein Fahrer 50 Prozent der Renndistanz (30 Prozent im Sprint) in einem definierten Fenster bestreiten muss. Damit will Michelin sicherstellen, dass die Vorderreifen den hohen Belastungen standhalten.

Doch in der Vergangenheit gab es keine Vorfälle durch beschädigte Vorderreifen. Michelin argumentiert, dass bei Untersuchungen interne Beschädigungen festgestellt wurden. Der französische Reifenhersteller will vermeiden, dass es zu einem Zwischenfall kommt, bei dem ein Fahrer wegen einem defekten Vorderreifen zu Sturz kommt.

Jahrelang haben Fahrer mit Drücken unterhalb der Minimalgrenze Rennen gewonnen. Allerdings sind die Belastungen durch neue technische Lösungen - wie Winglets/Flügel sowie verschiedene Devices - immer weiter angestiegen.

Die Liste der verwarnten Fahrer ist lang und umfasst auch die beiden WM-Rivalen Francesco Bagnaia (in Sepang verwarnt) und Jorge Martin (in Buriram verwarnt) (zur kompletten Übersicht).

Aleix Espargaro befindet sich im ständigen Dialog mit Michelin

Aleix Espargaro war der erste Fahrer, der eine Strafe erhielt. Nach seiner Verwarnung in Mandalika fiel der Spanier in Buriram ein zweites Mal auf und wurde um drei Sekunden strafversetzt.

In Sepang befand sich Espargaro erneut in Gefahr. "Wenn ich nicht aufgepasst hätte, dann hätte ich eine 6-Sekunden-Strafe und beim nächsten Mal eine 12-Sekunden-Strafe bekommen", bemerkt der Aprilia-Pilot.

Aleix Espargaro

Aleix Espargaro wurde als erster MotoGP-Fahrer bestraft Zoom

Warum gibt es keinen Dialog mit Michelin, um den Mindestdruck zu senken? "Das machen wir an jedem Wochenende", stellt Espargaro klar. "Wir sprechen in jedem Meeting mit Michelin, Piero (Taramasso), Carlos und Carmelo Ezpeleta darüber, doch es gibt keine Chance."


Fotos: MotoGP: Grand Prix von Malaysia (Sepang) 2023


"In den vergangenen 15 Jahren habe ich in dieser Meisterschaft noch nie ein Problem mit einem Vorderreifen mitbekommen", blickt Espargaro zurück. "Ich sah, wie Hinterreifen explodierten, aber nie die Vorderreifen."

"Michelin wird schon wissen, was sie tun. Doch es wäre wichtiger, die Fahrer und die Organisatoren der Meisterschaft happy zu machen", meint Espargaro, der bei den beiden ausstehenden Grands Prix in Doha und Valencia vorsichtig sein muss, den Druck nicht erneut zu unterschreiten. "Es erschwert die Arbeit meiner Ingenieure", bemerkt er.

Auf Verwarnungen und Zeitstrafen folgen 2024 sofortige Disqualifikationen

Das Format sieht vor, dass es in diesem Jahr zuerst eine Verwarnung gibt, die beim zweiten Vergehen zu einer 3-Sekunden-Strafe wird und bei den folgenden Vergehen zu 6- und 12-Sekunden-Strafen führt. Doch ab 2024 wird es noch extremer: Dann soll es direkt zu einer Disqualifikation kommen, wenn ein Fahrer den Mindest-Luftdruck unterschreitet.

Fabio Quartararo

Yamaha-Pilot Fabio Quartararo findet deutliche Worte Zoom

Ex-Weltmeister Fabio Quartararo (Yamaha) hat dazu eine klare Meinung: "Ich denke, dass das ziemlich dumm ist." Durch die Regel werden die Teams gezwungen, tendenziell höhere Luftdrücke zu verwenden, was vor allem beim Fahren im Verkehr zu Problemen führt, wenn der Druck durch die fehlende Kühlung immer weiter ansteigt und dadurch der Grip abnimmt.

"Es ist schon schwierig genug für uns, andere Fahrer zu überholen", bemerkt Quartararo und kritisiert: "Es ist keine Frage der Sicherheit. Ich verstehe nicht, warum sie sich derartige Limitierungen ausdenken."


Fotostrecke: Top 10: Die schnellsten MotoGP-Strecken

Der Mindest-Luftdruck liegt aktuell bei 1,88 bar. "Selbst wenn man 1,75 bar unterschreitet, wird der Reifen nicht explodieren. Ich kann es nicht nachvollziehen", ärgert sich Quartararo und fordert: "Wir müssen uns ernsthaft unterhalten, denn es ist auch ziemlich gefährlich, mit zu hohem Druck zu fahren."

Absenkung des Minimalwerts als Lösungsansatz?

KTM-Werkspilot Brad Binder stimmt Fabio Quartararo zu: "Es ist zehn Mal gefährlicher, wenn man die Marke von 2,0 bar überschreitet. Dann hat man das Gefühl, ständig in jemanden hineinzufahren, weil das Vorderrad blockiert. Zudem lenkt das Motorrad nicht gut ein, wenn man auf der äußersten Flanke fährt."

Brad Binder

Brad Binder wünscht sich, dass Michelin den Mindestwert ändert Zoom

"Man sieht, wie die Fahrer dann von der Linie abkommen und wieder auf die Linie zurückkehren", beschreibt Binder die Situation, die durch zu hohen Luftdruck provoziert wird. "Wenn man das Minimum um 0,1 bar absenken würde, dann wären die Rennen besser und sicherer", ist der Südafrikaner überzeugt.

Schlechtere Show, weil Überholmanöver kaum noch möglich sind

Wie schwierig es ist, einen Gegner zu überholen, wenn der Luftdruck im Vorderreifen ansteigt, spürte auch GasGas-Pilot Pol Espargaro, als er in Sepang im Sprintrennen auf Augusto Fernandez auflief.

Pol Espargaro

Auch Pol Espargaro äußert sich kritisch zum Thema Luftdruck Zoom

"Es fühlte sich an, als ob mein Vorderreifen explodiert. Ich konnte ihn nicht überholen, obwohl ich schneller war", ärgert sich Pol Espargaro. "Mit diesen Luftdrücken hat man noch stärker zu kämpfen, einen anderen Fahrer zu überholen. Mir gelang das nicht, obwohl ich schneller war."