• 23.11.2023 15:15

  • von Oriol Puigdemont

Michelin in der Kritik: Transparenz im MotoGP-WM-Duell wichtiger als je zuvor

Entscheidet ein fehlerhafter Reifen das MotoGP-Titelduell 2023? Alleinausrüster Michelin steht in der Kritik und muss mit größtmöglicher Transparenz reagieren

(Motorsport-Total.com) - Die meisten Fahrer in der Königsklasse vermeiden es, MotoGP-Alleinausrüster Michelin öffentlich zu kritisieren. Sie sagen, dass auf jede ihrer Anprangerungen früher oder später eine Verwarnung folgen wird, die je nach Schärfe der Worte mehr oder weniger streng ausfällt.

Titel-Bild zur News: Michelin

Die Qualität der Michelin-Reifen sorgt bei den Fahrern für viel Frust Zoom

Am zurückliegenden Sonntag in Katar biss sich Jorge Martin nicht auf die Zunge, als er die Gründe erklärte, die ihn dazu brachten, die Ziellinie als Zehnter zu überqueren, ohne die Chance, Pecco Bagnaia, seinen direkten Rivalen im Kampf um die MotoGP-Krone, einzuholen (zur Reaktion).

Nach dem Rennen in Lusail hat Bagnaia ein Polster von 21 Punkten auf seinen spanischen Herausforderer und kann schon am Samstag in Valencia um den Titel sicherstellen, vorausgesetzt er gewinnt das Sprintrennen und der Pramac-Fahrer kommt außerhalb der Top 3 ins Ziel (wie Bagnaia oder Martin die WM entscheiden können).

"Heute war ich eineinhalb Sekunden langsamer, weil der Reifen nicht funktionierte. Das war eine Schande", schimpfte WM-Herausforderer Jorge Martin am Sonntagabend.

Jorge Martin

Jorge Martin kritisierte Michelin und fühlt sich "beraubt" Zoom

"Ich denke, das Niveau der Reifen muss viel höher sein. Es kann nicht sein, dass die MotoGP-Weltmeisterschaft von einem Reifen entschieden wird, der nicht funktioniert", sagte Martin, der nach dem enttäuschenden Grand Prix in Katar so weit ging zu sagen, dass er sich der Chance auf den Weltmeistertitel "beraubt" fühlte.

Die MotoGP-Piloten sind sich einig, drücken sich aber unterschiedlich aus

Aleix Espargaro, ebenfalls einer derjenigen, die normalerweise kein Blatt vor den Mund nehmen, war derselben Meinung. "Ich will niemanden schlecht machen, aber die Qualität der Reifen ist nicht auf dem Niveau der Meisterschaft", kommentierte der Aprilia-Pilot.

Aleix Espargaro

Aleix Espargaro sprach auch beim Thema Michelin Klartext Zoom

Sogar Bagnaia selbst sagte, dass er Martins Ärger verstehe, da er am Vortag im Sprintrennen, das er als Fünfter beendete, eine ganz ähnliche Situation durchgemacht hatte: "Das Problem, das ich gestern (am Samstag) hatte, hatte nichts mit dem Motorrad zu tun, also haben wir für das Rennen nichts geändert. Es war sehr seltsam."

Jorge Martin, Francesco Bagnaia

Jorge Martin und Francesco Bagnaia hatten in Katar Reifenprobleme Zoom

"Was mir (im Sprint) passiert ist, ist heute (am Sonntag) Jorge passiert", stimmte der Turiner zu. Nach einem enttäuschenden Sprint, in dem "nichts an seiner Desmosedici funktionierte" folgte ein sehr starkes Hauptrennen, in dem er sich lediglich Landsmann Fabio Di Giannantonio geschlagen geben musste.

Michelin freut sich über Rekorde und schweigt beim Thema Schwankungen

Am Ende des Grand Prix wies Piero Taramasso, Michelins Topmanager für die Meisterschaft, darauf hin, dass Enea Bastianini in der letzten Runde einen neuen Rundenrekord in Lusail aufstellen konnte: "Das zeigt, wie konstant die Performance der Michelin-Reifen ist."

Piero Taramasso

Piero Taramasso freute sich in Katar über Enea Bastianinis Rekordrunde Zoom

Zu den Beschwerden von Martin wollte sich der Italiener erst äußern, wenn er die Daten der noch durchzuführenden Tests vorliegen hat. "Wir sind dabei, die Informationen zu analysieren. Was wir im Moment sagen können, ist, dass sein Reifen direkt nach der Herstellung hierher kam. Er war weder vorgewärmt noch vor dem Rennen benutzt worden", stellte Taramasso klar.

Marc Marquez

Marc Marquez drückte sich diplomatischer aus als einige Kollegen Zoom

Marc Márquez, der schon lange in diesem Geschäft tätig ist, sagte dasselbe wie Martin, Espargaro und Bagnaia, aber weniger direkt: "Ich denke, dass genau das passiert, nämlich dass die Reifen zu gut laufen. Und wenn einer herauskommt, der ein bisschen schlechter ist, ist das sehr auffällig. Das ist das Problem. Wenn sie alle ein bisschen schlechter wären, würden wir es nicht bemerken."

Michelin bricht die Bridgestone-Rekorde, aber ...

Auch wenn die aufgestellten Rekorde von Michelin in den zurückliegenden Jahren sehr lobenswert sind, dürften Vorfälle wie der jüngste in Lusail der Glaubwürdigkeit nicht nur von Michelin, sondern auch der Meisterschaft ernsthaft schaden.

Vor allem, wenn man bedenkt, dass die beiden Titelanwärter die gleichen Probleme hatten. Es ist schon Pech genug, dass Bagnaia am Samstag einen Reifen bekam, der nicht wie erwartet funktionierte, und dass Martin am nächsten Tag das Gleiche passierte.


Fotostrecke: Die MotoGP-Titelentscheidungen der vergangenen zehn Jahre

"Jedes andere Teil des Motorrads von einem externen Lieferanten, zum Beispiel die Federelemente, kann man auseinandernehmen und sehen, was passiert. Das Einzige, was wir über die Reifen wissen, ist, dass sie schwarz, hart und rund sind und dass sie einen Aufkleber mit einem Code haben, dessen Informationen man glauben muss", so ein Ingenieur eines der MotoGP-Teams gegenüber Motorsport.com.

Muss Michelin die Herstellungsprozesse überdenken?

Dieser Ingenieur betont, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrer einen dieser als fehlerhaft zu bezeichnenden Reifen erhalten, größer ist als beim vorherigen Lieferanten.

"Die Antwort von Michelin auf die Reklamation eines Teams ist, dass es bei der Herstellung der Reifenmischung zu leichten Abweichungen kommen kann. Und dass, obwohl sie Sicherheitsmaßnahmen ergreifen - die ersten zehn Einheiten werden verschrottet - die Performance des einen und des anderen unterschiedlich sein kann", so die Quelle.

Michelin Reifen

Michelin kann nur bedingt sicherstellen, gleichbleibende Qualität zu liefern Zoom

"Selbst sie (Michelin) verstehen nicht, warum das passiert, aber es ist so. Ich sage nicht, dass es absichtlich ist, und ich hoffe, dass es nicht absichtlich war. Ich möchte nicht, dass das jemandem passiert", sagt der Insider.

Zum jetzigen Zeitpunkt scheint klar zu sein, dass volle Transparenz die beste Strategie ist, die Michelin anwenden kann, um zu vermeiden, als Richter dieser Weltmeisterschaft angesehen zu werden.

Neueste Kommentare