• 05.08.2008 14:49

Interview: Telemetrie in der MotoGP-WM

Nicky Haydens Datenanalyst Ramón Aurín spricht über die Bedeutung der Telemetrie in der MotoGP-WM und über die Probleme seines Fahrers

(Motorsport-Total.com) - Ramón Aurín war einer der ersten Dateningenieure in der Motorrad-WM, als die Telemetrie eingeführt wurde, um die Suche nach Performance auf die nächste Stufe zu heben. In den vergangenen 20 Jahren arbeitete er mit den besten Fahrern der Welt zusammen: Alex Crivillé, Carlos Checa, Alberto Puig, Sito Pons, Jorge Martínez, Loris Capirossi, Max Biaggi, Troy Bayliss und viele mehr. Seit 2006 arbeitet er als Nicky Haydens Datenanalyst für das Repsol-Honda-Team.

Titel-Bild zur News: Nicky Hayden

Nicky Hayden beim Studium von Telemetriedaten mit seinem Ingenieur

Frage: "Ramón, bitte erkläre uns doch, was die Telemetrie alles kann! Was kann man damit messen? Wie lange gibt es Telemetrie schon? Was haben die Leute gemacht, bevor sie eingeführt wurde?"
Ramón Aurin: "Telemetrie basiert auf einer Reihe von Sensoren am Motorrad, die uns alles sagen, was passiert. Dies generiert eine Kurve, die es uns erlaubt, das, was gerade passiert, einzusehen. Alle Daten sind synchronisiert, sodass wir verstehen können, warum gewisse Dinge passieren. Zum Beispiel kann man sehen, wenn die Gabel beim Bremsen zu sehr einsinkt, wie weit sie sinkt. Daraus kann man dann Schlüsse ziehen."#w1#

Frage: "Welche Sensoren verwendet ihr und was messen diese?"
Aurin: "Praktisch alles wird gemessen. Es gibt zwei große Gruppen: Ein System misst alles, was mit dem Motor zu tun hat, ein anderes misst Parameter des Chassis. Der Motorenbereich misst die Zündung, den Öldruck, Temperatur, Drehzahlen, praktisch alles. Es gibt vier Zylinder und jeder funktioniert unabhängig, daher wird jeder Zylinder separat analysiert. Was das Chassis angeht, so werden Bewegung der Radaufhängungen, Bremsdruck, Geschwindigkeit der Räder, Richtung und Schräglage des Motorrads gemessen. Wir analysieren nicht immer alles, vor allem aus Sicherheitsgründen."

Frage: "Kann man Fahrer anhand ihrer Telemetriedaten erkennen oder unterscheiden?"
Aurin: "Erkennen nicht, aber man sieht schon Unterschiede. Man schaut sich einen Grafen an und es ist unmöglich zu sagen, dass dies so und dies so ist. Wenn man aber zwei Grafen vor sich hat, dann weiß man mehr oder weniger, welcher zu welchem Fahrer gehört, weil wir ja ihre Fahrstile kennen."

Frage: "Nachdem er mit der 990er Weltmeister wurde, hat Nicky Hayden mit der 800er Schwierigkeiten. Inwiefern hat ihn die Umstellung getroffen?"
Aurin: "Nicky ist ein sehr aggressiver Fahrer - mit seinem Stil neigt das Motorrad zum Rutschen. Als wir noch mehr Power hatten und der Einfluss der Elektronik geringer war, war alles in Ordnung, aber jetzt, mit 800 ccm, haben wir weniger Leistung und mehr elektronische Kontrollen. Für ihn ist es sehr schwierig, sich auf ein anderes Motorrad einzustellen. Fast alle Topfahrer kamen aus der 250er-Klasse - und ich glaube, dass das heutzutage der einfachere Weg ist. Nicky ist nie eine 250er-Maschine gefahren, sondern er war schon immer in MotoGP und davor bei den Superbikes. Ihn hat die Umstellung mehr als jeden anderen Fahrer getroffen und er stellt sich immer noch darauf ein. Mit dem neuen Motor scheint es, als würde ihm das Motorrad etwas besser liegen. Ich denke, damit wird er Selbstvertrauen tanken und wieder zu den Topfahrern aufschließen."

Frage: "Glaubst du, dass die 250er-Klasse heute eine bessere MotoGP-Schule ist als eine Viertaktklasse?"
Aurin: "Es ist keine bessere Schule. Die Wahrheit ist, dass die meisten Fahrer, die in die MotoGP aufsteigen, aus der 250er-Klasse kommen, daher sind die MotoGP-Motorräder ähnlich dem, was sie kennen. Diejenigen, die die Motorräder entwickeln, kommen auch aus der 250er-Klasse, daher haben die Motorräder zumeist ähnliche Features. Wenn die Fahrer aus der Superbike-WM kommen oder aus der AMA-Meisterschaft, dann wären die MotoGP-Bikes sicher anders."

Frage: "Was sind Nicky Haydens größte Stärken?"
Aurin: "Zunächst ist er ein harter Arbeiter. Es ist unglaublich, wie enthusiastisch er zu Werke geht. Obendrein ist er eine ehrliche, gute Persönlichkeit. Als Fahrer würde ich hervorstreichen, wie aggressiv und wie leidenschaftlich er für Motorräder ist. Wie für alle Fahrer ist das Motorrad sein Leben, aber für ihn ist es mehr als ein einfaches Arbeitsgerät. Es macht ihm Spaß. Er lehnt nie eine Aufgabe ab, sondern erledigt immer alles, was man ihm aufträgt. Es ist unglaublich, wie hart er dafür arbeitet, zur Spitze aufzuschließen. Er zieht auch nie ein angefressenes Gesicht, weil er ein Setup ausprobieren muss, und er hört sich jeden Ratschlag an. Das Beste an ihm ist, dass er allem offen gegenübersteht, was das Team ihm anbietet."