Der Dreikampf um den MotoGP-Titel 2023 aus Sicht der Teammanager

Davide Tardozzi, Gino Borsoi, Pablo Nieto über die Aussichten ihres jeweiligen WM-Kandidaten Francesco Bagnaia, Jorge Martin, Marco Bezzecchi auf den Titelgewinn

(Motorsport-Total.com) - Vier Rennwochenenden stehen in der MotoGP-Saison 2023 noch auf dem Plan und drei Piloten haben noch realistische Chancen auf den WM-Titel.

Titel-Bild zur News: Gino Borsoi, Davide Tardozzi, Pablo Nieto

Borsoi, Tardozzi, Nieto (v.l.n.r.): Die Teammanager der Ducati-Teams im WM-Kampf Zoom

Vier Rennwochenenden, das heißt genau genommen acht Rennen, weil in Buriram (Thailand), Sepang (Malaysia), Lusail (Katar) und am Finalwochenende in Valencia (Spanien) jeweils am Tag vor dem Grand Prix noch der Sprint stattfindet.

Die drei realistisch betrachtet noch für den WM-Titel in Frage kommenden Fahrer sitzen alle auf einer Ducati. Vor dem Grand Prix von Thailand an diesem Wochenende führt Werkspilot Francesco "Pecco" Bagnaia die MotoGP-Fahrerwertung 2023 mit 27 Punkten Vorsprung auf Pramac-Pilot Jorge Martin an. VR46-Pilot Marco Bezzecchi hat 73 Punkte Rückstand. Aber es sind noch 148 Punkte zu erreichen.

Über weite Teile des bisherigen Saisonverlaufs war Titelverteidiger Bagnaia der Tabellenführer. Aber auch Martin und Bezzecchi hatten die WM-Führung schon inne. Was Martin betrifft, währte seine Tabellenführung gerade mal einen Tag, nämlich zwischen Sprint und Grand Prix des Indonesien-Wochenendes. Bezzecchi führte die WM im Frühjahr nach seinem Sieg im Argentinien-Grand-Prix für ein paar Wochen an.

Davide Tardozzi: Bagnaia "hat gezeigt, wie gut er es managen kann"

Auf dem Papier ist "Pecco" Bagnaia als einerseits Titelverteidiger, andererseits Ducati-Werkspilot, der Favorit auf dem MotoGP-Titel 2023. Sieht man das auch im Team so? "Ich finde, 'Pecco' hat in diesem Jahr einen fantastischen Job gemacht, aber 27 Punkte Vorsprung auf Jorge, das ist einfach nicht genug. Und Marco hat mit seinen 73 Punkten Rückstand ebenfalls noch die Möglichkeit, die Weltmeisterschaft zu gewinnen", sagt Ducati-Teammanager Davide Tardozzi.

Davide Tardozzi

Davide Tardozzi wertet es als wertvoll, dass Bagnaia schon 2022 um den Titel kämpfte Zoom

In Reihen der drei um den WM-Titel kämpfenden Ducati-Fahrer ist Bagnaia der einzige, der in der MotoGP-Klasse schon einmal um den Titel gekämpft hat. Das war im vergangenen Jahr, als er sich gegen den damaligen Titelverteidiger, Yamaha-Pilot Fabio Quartararo, durchsetzte.

"In diesem Jahr ist die Situation ein bisschen anders, aber ich denke, es hilft, dass er die Erfahrung aus dem vergangenen Jahr", sagt Tardozzi über Bagnaia und weiter: "Er hat ja bei den beiden zurückliegenden Rennen gezeigt, wie gut er es managen kann, als er nach Problemen am Freitag und Samstag jeweils eine starke Leistung am Sonntag gezeigt hat."

Damit spricht der Ducati-Teammanager auf Bagnaias Sieg im Indonesien-Grand-Prix und zweiten Platz im Australien-Grand-Prix an. In beiden Fällen hatte der Ducati-Werkspilot im Qualifying den Q2-Einzug verpasst, kämpfte sich im Rennen aber nach vorne. Aber Bagnaia ist in diesem Jahr (wie auch in seinem Titeljahr 2022) nicht nur mit Siegen und Podestplätzen, sondern auch mit Stürzen aufgefallen.

"Es stimmt, dass er Fehler gemacht hat, aber er hat daraus gelernt", sagt Tardozzi. "Vier Fehler sind ihm unterlaufen, aber wer weiß, warum", spricht der Ducati-Teammanager auf Bagnaias Stürze in den Grands Prix von Amerika (Austin), Frankreich (Le Mans), Katalonien (Barcelona) und Indien (Noida) an.

Gino Borsoi: "Es gibt nichts, was wir noch benötigen würden"

Im Gegensatz zu WM-Spitzenreiter Francesco Bagnaia ist Verfolger Jorge Martin bislang in "nur" drei Grands Prix mit Sturz ausgeschieden. In seinem Fall waren es Katar (Lusail), Amerika und kürzlich Indonesien, wo er kurz nach Übernahme der WM-Spitze als der Führende im Rennen gestürzt ist. Zuletzt in Australien ritten Martin und das Pramac-Team die falsche Strategie, retteten aber immerhin noch P5. An die Titelchance glaubt man im Team ganz fest.

"Er ist bereit dafür, keine Frage. Und wir sind bereit zu kämpfen", sagt Pramac-Teammanager Gino Borsoi über Martin und das Team. "Wir wissen, wo wir in den vergangenen paar Rennen Punkte liegengelassen haben. Es sind nur Kleinigkeiten, die wir verbessern müssen. Dann können wir bis zum Ende der Saison [um den Titel] kämpfen. Wir haben alles. Wir haben den Fahrer, wir haben das Motorrad und wir haben jederzeit die Unterstützung von Ducati. Es gibt nichts, was wir noch benötigen würden."

Gino Borsoi

Gino Borsoi kann mit seinem Team sogar zwei WM-Titel 2023 erringen Zoom

Pramac kann sogar das Kunststück schaffen, als Satellitenteam nicht nur in der Fahrerwertung, sondern auch in der Teamwertung den WM-Titel zu erringen. In der MotoGP-Teamwertung 2023 hat man aktuell 85 Punkte Vorsprung auf VR46. Das Ducati-Werksteam rangiert nur an dritter Stelle und liegt bereits mehr als 100 Punkte hinter Pramac zurück.

"Manchmal ist das sogar für mich selber schwer zu begreifen, wo wir gerade stehen", gibt Borsoi zu. "Es ist wie ein unglaublicher Traum. Früher oder später werde ich vielleicht aufwachen und verstehen, was wir geleistet haben. Bis jetzt kann ich nur sagen, dass es eine unglaubliche Saison war. Wir haben jede Menge Podiumsplätze eingefahren und wir standen mit beiden Fahrern ganz oben auf dem Podium. Das ist unglaublich, wenn man weiß, wie klein die Unterschiede zwischen den Teams heutzutage sind."

Pablo Nieto: "Man weiß nicht, wie es ausgehen wird"

Die auf dem Papier geringsten Chancen auf den Gewinn der Fahrerwertung hat (abgesehen von KTM-Pilot Brad Binder, der nur noch rechnerische Chancen besitzt) VR46-Pilot Marco Bezzecchi. Er ist im bisherigen Saisonverlauf in den Grands Prix lediglich zweimal gestürzt, nämlich in Spanien (Jerez) und in Großbritannien (Silverstone).

"Alles kann passieren", sagt VR46-Teammanager Pablo Nieto. "Es sind noch acht Rennen zu fahren, denn mit den Sprints sind noch jede Menge Punkte zu vergeben. Wir müssen versuchen, uns unsere Chancen bis zum Schluss zu erhalten. Das Gute ist, dass wir dabei sind. Wir kämpfen gegen zwei Teams mit Werksmaterial. Für uns ist das wichtig."

Pablo Nieto

Pablo Nieto ist stolz, dass VR46 schon im zweiten Jahr gegen die Topteams kämpft Zoom

Während Francesco Bagnaia im Werksteam und Jorge Martin im Pramac-Team jeweils auf einer Ducati GP23 sitzen, die über die neuesten technischen Raffinessen wie das verbesserte Startsystem verfügt, pilotiert Marco Bezzecchi im VR46-Team eine GP22 aus dem Vorjahr.

"Es ist schwer, gegen die Teams mit den Werksmotorrädern zu kämpfen, aber auch wir haben ein sehr gutes Motorrad. Das Team macht immer noch Fortschritte und wir haben auch immer noch Raum für Verbesserungen. Man weiß nicht, wie es letzten Endes ausgehen wird", sagt Nieto über das VR46-Team, das gerade mal im zweiten Jahr in der Königsklasse am Start ist.

Wird der WM-Titel erst beim Finale in Valencia entschieden?

Im vergangenen Jahr, als "Pecco" Bagnaia auf der Ducati und Fabio Quartararo auf der Yamaha um den WM-Titel kämpften, fiel die Entscheidung erst beim Saisonfinale in Valencia. Rechnen die Teammanager der diesjährigen WM-Kandidaten damit, dass der Kampf abermals bis Valencia (25./26. November) andauern wird?

"Sofern nichts Schlimmes passiert, was natürlich immer vorkommen kann, was ich aber nicht hoffe, dann wird das in Valencia entschieden", sagt Davide Tardozzi von Ducati. "Ja, Marco liegt 73 Punkte zurück, aber man sollte ihn nicht abschreiben. Wenn er zurückschlägt, wie ich das hier in Thailand von ihm erwarte, dann wird er eine Rolle spielen. Jorge ist sehr, sehr schnell. Wir, also das Team und 'Pecco', wir werden alle Register ziehen müssen, um diese Jungs so gut es geht hinter uns zu halten."

Gino Borsoi von Pramac antwortet auf die Frage, ob der WM-Kampf bis Valencia dauern wird, mit den Worten: "Das wäre natürlich toll. Am besten wäre es, wenn wir alle [drei Teams] mit einer Chance auf den Titel nach Valencia reisen könnten. Das wäre für MotoGP als Ganzes eine tolle Sache."

Und Pablo Nieto von VR46 merkt mit einem Grinsen in Richtung Tardozzi an: "Ich hätte gerne den Druck, den Davide nicht gerne hat. Ich würde es so gerne sehen, wenn wir den Druck hätten, in Valencia um den Titel zu kämpfen. Es stimmt, dass wir ein bisschen zurückliegen, aber man weiß nie. Wir werden weiter angreifen."

Das Schlusswort hat Tardozzi, der sagt: "Ich glaube, der Schlüssel zum WM-Titel wird letzten Endes die mentale Einstellung sein."

Jorge Martin, Francesco Bagnaia, Marco Bezzecchi

Jorge Martin, Francesco Bagnaia, Marco Bezzecchi: Wer wird MotoGP-Weltmeister 2023? Zoom

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