Bagnaia vs. Martin: Wie die beiden das Titelduell in Valencia angehen

Wer wird MotoGP-Weltmeister 2023? Francesco Bagnaia kann schon am Samstag im Sprint Weltmeister werden, doch der Titelinhaber warnt vor Jorge Martins Potenzial

(Motorsport-Total.com) - Wie schon im Vorjahr fällt die Entscheidung darüber, wer MotoGP-Weltmeister wird, in dieser Saison am letzten Rennwochenende in Valencia. Francesco Bagnaia hofft auf die Titelverteidigung. 2022 lag er vor dem Saisonfinale 23 Punkte vor Fabio Quartararo, diesmal sind es 21 Punkte auf Jorge Martin.

Titel-Bild zur News: Jorge Martin, Francesco Bagnaia

Reichen Bagnaia 21 Punkte Vorsprung auf Martin, um in Valencia zu triumphieren? Zoom

"Es sind zwei Punkte weniger Vorsprung als im Vorjahr, aber auch zwölf Punkte mehr zu holen", zieht der amtierende Weltmeister den Vergleich. Denn neben dem Hauptrennen am Sonntag gibt es seit dieser Saison ja noch den Sprint am Samstag.

"Es ist also eine andere Situation", weiß Bagnaia und erklärt: "Es wird wichtig sein, gut ins Wochenende zu starten und vom FT1 an ein gutes Gefühl aufzubauen. Ich denke, die Strecke könnte mit dem neuen Asphalt sehr gut für uns sein."

Auf die Frage, ob er voll attackieren oder versuchen wird, den Vorsprung zu verwalten, sagt er: "Ich werde natürlich mein Maximum geben. Wie gesagt, morgen wird es wichtig sein, alles zu verstehen, und dann am Samstag zu attackieren. Wir werden versuchen, den Sprint zu gewinnen und dann die richtige Strategie für Sonntag zu definieren."

"Das Hauptziel wird sein, aus der erste Reihe zu starten und im Sprint um den Sieg zu kämpfen." Denn schon am Samstag kann sich der Titelkampf entscheiden. Wenn Bagnaia vier Punkte mehr holt als Martin, hat er die Weltmeisterschaft in der Tasche.

"Die Hoffnung liegt darauf, die WM am Samstag entscheiden zu können", sagt er. "Aber wenn ich sehe, dass das Risiko zu hoch ist, werde ich das entsprechende Ergebnis mitnehmen und es am Sonntag versuchen. Wir sind im Vergleich zu Jorge in einer besseren Situation, aber 21 Punkte sind nie genug, um ruhig zu bleiben."

Bagnaia: Profitiere von der Erfahrung 2022

Trotzdem versucht der Ducati-Pilot die Ruhe zu bewahren - und zehrt von der Erinnerung an sein Titelrennen 2022: "Klar war der Druck direkt vor dem Start hoch, aber das ist normal. Ich denke, dass ich die Situation dieses Jahr besser verstehe und von der Erfahrung gelernt habe. Ich glaube also, ich kann es besser managen."

"Aber der Druck", so Bagnaia weiter, "wird von Tag zu Tag steigen." Den Gedanken daran, dass er sich in die Riege jener elf Fahrer einreihen könnte, die ihren Titel verteidigen konnten, versucht der Italiener deshalb erst einmal beiseite zu schieben.


Fotostrecke: Die MotoGP-Titelentscheidungen der vergangenen Jahre

"Ich denke da vor allem an Vale (Valentino Rossi; Anm. d. R.) und Marc (Marquez), denen das gelungen ist. Es wäre großartig, das auch zu schaffen. Aber das ist etwas, an das ich danach denken kann. Jetzt richten wir unseren Blick auf morgen und darauf, das Fahren zu genießen. Ich weiß, dass es eine gute Strecke für uns ist."

Zur Unterstützung vor Ort ist auch Bagnaias langjähriger Mentor Valentino Rossi. "Er hat schon viele Situationen durchlebt und es kann eine große Hilfe sein, ihn an meiner Seite zu haben. Das ist sicher ein Extra auf meiner Haben-Seite", so der Italiener.

Bloß nicht so wie Rossi gegen Hayden 2006

Doch so sehr Rossi ein Vorbild für ihn ist: In einer Sache will sich Bagnaia kein Beispiel an ihm nehmen, nämlich mit Blick auf die Titelentscheidung 2006. Damals unterlag Rossi im Saisonfinale trotz Punktevorsprungs seinem WM-Rivalen Nicky Hayden.

"Jede Situation ist anders. Vale hatte einen Vorsprung von acht Punkten, stand auf der Poleposition und ist im Rennen gestürzt. Nicky gewann", erinnert sich Bagnaia an Rossis Niederlage. "So etwas kann passieren. Ich werde natürlich versuchen, das zu verhindern. Gleichzeitig kenne ich das Potenzial von Jorge."

"Wenn alles normal läuft, wird er in der Lage sein, um den Sieg zu kämpfen. Es wird also wichtig sein, einen kühlen Kopf zu bewahren, gut zu arbeiten und auf alles gefasst zu sein."

Denn nicht ganz so normal verlief Martins letzter Rennsonntag in Katar. Nach dem Sprintsieg kam der Pramac-Pilot im Grand Prix nur als Zehnter ins Ziel - und machte danach einen schlechten Hinterreifen von Michelin für die Misere verantwortlich.

Auf die Frage, ob er schon eine konkrete Rückmeldung des Reifenherstellers erhalten habe, sagt Martin am Donnerstag: "Noch nicht. Es war ein hartes Rennen, in dem ich von der ersten Runde an zu kämpfen hatte. Noch habe ich keine Antworten."

"Aber die Dinge brauchen Zeit, um analysiert zu werden. Vielleicht habe ich nach dem Rennen auch zu viel gesagt, weil ich ein impulsiver Typ bin. Wir wissen nicht genau, was passiert ist. Aber vielleicht sind wir in ein, zwei Monaten schlauer." Den Ärger über das schlechte Ergebnis habe er mittlerweile verdaut.

Martin sicher: Kann beide Rennen gewinnen

"Für mich war es recht einfach, das Ganze abzuhaken. Ich wusste, dass es nicht mein Fehler war. Ich will auch nicht weiter darüber nachdenken, sondern mich nur auf dieses Wochenende konzentrieren. Früher waren 21 Punkte vielleicht viel, aber jetzt, da es mehr Punkte zu holen gibt, haben wir noch unsere Chancen."

Gleichzeitig weiß Martin aber auch, dass seine Titelmission nach dem letzten Wochenende in Katar "etwas schwieriger" geworden ist. "Wir waren auf einem guten Weg und machten Punkte gut, aber jetzt sind wir ein bisschen weit weg", so der Spanier.

"Ich bin ziemlich entspannt, denn ich weiß, dass es jetzt ziemlich schwer sein wird, noch zu gewinnen. Nichtsdestotrotz bin ich glücklich mit unserer Saison. Ich habe nichts mehr zu verlieren und werde versuchen, das Wochenende zu genießen und beide Rennen zu gewinnen. Ich denke, dazu bin ich in der Lage."

Francesco Bagnaia, Jorge Martin

Titelverteidigung für Bagnaia oder erster Titel für Martin? In Valencia zählt's Zoom

An Valencia hat Martin gute Erinnerungen, auch wenn er zugibt: "Ich mochte die Strecke in der Moto3 erst nicht. Aber als ich 2017 hier erstmals gewann, begann ich sie zu lieben."

"Jetzt ist es eine Strecke, die ich sehr genieße und auf der ich immer schnell bin. Hier habe ich mir auch die letzten zwei Poles gesichert. Ich bin also zuversichtlich. Wir können hier beide Rennen gewinnen, aber selbst das ist vielleicht nicht genug."

Einen Titel konnte Martin mit Pramac-Ducati schon in Katar feiern: den Gesamtsieg in der Teamwertung. "Ich bin so stolz auf dieses Team. Ich denke, für ein Satellitenteam ist es wirklich eine große Sache, all die Werksteams zu schlagen", sagt er.

Folgt auf den Teamtitel auch der Fahrertitel?

Seiner Crew widmete er deshalb auch das Helmdesign zum Saisonfinale mit der Aufschrift "What a team". Martin betont: "Ich glaube, dass ich alles habe, was es braucht, um auch in Zukunft um Titel zu kämpfen. Ich bin hier wirklich glücklich und hoffe, dass wir das in den nächsten Saisons wiederholen können."

Sollte es ihm gelingen, den Sack schon in diesem Jahr zuzumachen, wäre Martin in der modernen MotoGP-Ära der erste Fahrer eines Satellitenteams, der den Titel gewinnt. Und auch wenn es sich dabei um einen Ducati-Fahrer handelt, wäre dem italienischen Hersteller ein Szenario mit Bagnaia als Weltmeister lieber.


Fotostrecke: Alle MotoGP-Weltmeister seit 2002

So erklärt Rennchef Gigi Dall'Igna im Gespräch mit La Repubblica: "Für Ducati ist es auf jeden Fall besser, wenn Pecco gewinnt: Unsere Sponsoren sind wichtig, wir sind seit vielen Saisons verbunden und es besteht eine sehr starke Beziehung."

"Aber wenn ich das Geschäftliche beiseite lasse und an den menschlichen Aspekt denke, dann kann ich nur sagen: Wir haben zwei gute Jungs bei uns unter Vertrag." Denn auch wenn Martin in Pramac-Farben fährt, angestellt ist er direkt bei Ducati.

Was die Stärken der beiden angeht, sieht Dall'Igna durchaus Unterschiede: "Martin ist definitiv explosiv, instinktiv. Bagnaia hingegen ist ruhig, logisch, vorbereitet, methodisch."

"Am Ende gewinnt immer der beste Kompromiss. Man muss verstehen, wann es Zeit ist, instinktiv und wann methodisch zu sein. Wenn diese beiden sich gegenseitig studieren und voneinander lernen würden, wären sie unschlagbar", glaubt der Ducati-Boss.

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