• 02.07.2016 11:53

  • von Mitchell Adam

Analyse: Was läuft für Ducati ständig falsch?

Die Ducati Desmosedici ist derzeit vielleicht das beste MotoGP-Motorrad, aber es reiht sich eine Pleite an die nächste - Was läuft für Ducati ständig falsch?

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Ducati hat in der MotoGP seit Oktober 2010 keinen Sieg gefeiert, aber die Italiener hätten in diesem Jahr schon drei Rennen gewinnen können. Für die Gegner war die Ducati Desmosedici in machen Rennen das beste Paket. Also warum konnten es Andrea Dovizioso und Andrea Iannone nicht umsetzen? Ihr wisst ja, wie kleine Kinder antworten, wenn sie nach ihrem Alter gefragt werden - "viereinhalb" oder "fast sieben". Für Ducati heißt das, dass man seit fünfeinhalb Jahren auf einen Sieg wartet. Man ist jetzt schon "fast bei sechs", seit Casey Stoner in Phillip Island 2010 gewonnen hat.

Titel-Bild zur News: Andrea Dovizioso

Sinnbild der Saison: Dovizioso schiebt seine Ducati in Argentinien ins Ziel Zoom

In einer alternativen Welt hätte Ducati in diesem Jahr schon drei von acht Rennen entweder mit Dovizioso oder Iannone gewinnen können. Aber in der Realität wächst die Liste verpasster Gelegenheiten. Iannone ist in der WM Achter und Dovizioso Elfter. Hector Barbera ist mit der alten GP14.2 im Kundenteam Avintia als WM-Siebter der beste Ducati-Fahrer.

Was ist also schiefgegangen? Es gibt keinen einzigen Grund, abgesehen von der Stallkollision in Argentinien. Wie immer im Motorsport sind es viele Details, die sich summieren. Deshalb hat es für Ducati bisher nicht funktioniert. Assen ist dafür ein bestes Beispiel. Iannone war am Freitag in beiden Trainings Schnellster. Dovizios fuhr am Samstagvormittag Bestzeit und hatte dann im nassen Qualifying die richtige Strategie, um die Pole-Position zu erobern. Es war die erste für Ducati seit Mugello im Vorjahr - mit sieben Zehntel Vorsprung.

Die Ducati funktioniert sehr gut - Vorteil Elektronik

Als am Samstagnachmittag Cal Crutchlow seine eigenen Probleme erklärte, zog er einen Vergleich zur Ducati: "Die Ducatis funktionieren unglaublich gut. Ich versuchte Dovi mehrmals zu folgen und kann sagen, dass sie unglaublich gut funktioniert. Es gibt keine Wheelies. Das Bike ist bei der Beschleunigung und auf der Geraden schnell. Es hat auch im Nassen Grip. Wenn wir versuchen, mehr Leistung freizugeben, sind wir erledigt. Wir haben ständig Wheelies und nichts ist unter Kontrolle."

Nicht zum ersten Mal in diesem Jahr hatte Ducati das schnellste Motorrad an einem Wochenende. Die Tage sind vorbei, als nur Stoner mit diesem Bike fahren konnte. Die Desmosedici war schon in der vergangenen Saison ein vernünftiges Paket. Der zurückgekehrte Testfahrer (Stoner) meint, dass die 2016er-Version "etwas nachgiebiger und einfacher zu fahren ist, und man mehr herausholen kann". Basierend auf seinem Test in Katar im März soll es um zwei bis drei Prozent besser sein.

Andrea Iannone

Zwei Podestplätze und vier Ausfälle sind für einen Werksfahrer zu wenig Zoom

Die Desmosedici ist dank des kräftigen Motors ständig an der Spitze der Topspeed-Messungen, obwohl die Fahrer sagen, dass andere Marken aufgeholt haben. Trotzdem ist der größte Ducati-Vorteil in diesem Jahr die Erfahrung mit der Elektronik von Magneti Marelli. Sie verstehen die neue Einheitssoftware besser als die Konkurrenz. Vor allem Honda hat in diesem Bereich weiterhin Aufholbedarf.

Einer der Ducati-Fahrer hätte in Assen gewinnen müssen

Ducatis Sonntag in Assen war von vornherein suboptimal, da Iannone von ganz hinten starten musste, nachdem er Jorge Lorenzo in Barcelona abgeräumt hatte. Ausgerechnet den Mann, der ihn im nächsten Jahr ersetzen wird. Also arbeitete Ianonne mit seiner Crew am Samstag an der Rennpace und probierte im Qualifying den Intermediate-Reifen aus. Er war aber nicht der einzige Fahrer, der das getan hat.

Der Sonntag war zu nass für Intermediates. Aber dieser Reifen ist eine schöne Addition von Michelin. Dessen Arbeitsfenster ist zwar eingeschränkt und immer noch ziemlich unbekannt. Deshalb wäre er im Rennen ein großer Poker. Es hätte aber trotzdem Ducatis Nachmittag werden können, denn Jorge Lorenzo fuhr im Nirgendwo, die Suzuki von Maverick Vinales scheint allergisch auf Regen zu reagieren und auch Dani Pedrosa startete von weit hinten.

Yonny Hernandez, Valentino Rossi

Hernandez führte im Regen sensationell vor Rossi und Dovizioso Zoom

Am Ende der elften Runde des ersten Rennens waren fünf Ducatis in den Top 6 zu finden. Aspar-Kundenfahrer Yonny Hernandez, der mit dem weichen Regenreifen pokerte, führte vor Dovizioso und Yamaha-Star Valentino Rossi. Iannone war bis auf Platz fünf nach vorne gekommen und fuhr zwischen dem Pramac-Duo von Danilo Petrucci und Scott Redding.

Liste der verpassten Chancen wird länger

Obwohl Rossi in der Spitzengruppe dabei war und Marc Marquez nicht weit dahinter war, standen die Chancen für einen Ducati-Sieg nicht schlecht. Aber am Ende war es Jack Miller, der von Startplatz 18 kommend am Ende dieser elften Runde Zehnter war, der auf der höchsten Stufe des Podests stand und Champagner aus seinem Schuh trank. Millers Sieg beendete eine weitere Durststrecke, denn seit fast zehn Jahren gewann kein Kundenfahrer.

Der beste Ducati-Fahrer war Redding als Dritter. Das fasst praktisch die gesamte Saison für Ducati zusammen. Hernandez stürzte kurz bevor die rote Flagge geschwenkt wurde. Von ihm wird aber kein Sieg erwartet. Dovizioso stürzte direkt nach dem Neustart, eine Runde vor Rossi, und gab zu, dass beide die Reifen zu hart gepusht haben, was "nicht funktionierte". Gleichzeitig hatte Petrucci einen technischen Defekt. Iannone stürzte kurz vor dem Neustart, konnte aber weiterfahren und wurde schließlich Fünfter.

Andrea Dovizioso

Dovizioso hatte zwar viel Pech, doch gute Chancen warf auch er weg Zoom

Wieder Crutchlow, der am Sonntag sagte: "Momentan ist die Ducati im Trockenen und im Nassen unglaublich gut. Ihre Elektronik ist viel besser als bei allen anderen. Sie müssen das Bike nicht manuell fahren. Man hätte heute mit der Ducati mit geschlossenen Augen aufs Podium fahren können. Die Honda ist derzeit viel schwieriger zu fahren. Deshalb finde ich, dass die Leistungen von Jack und Marc noch beeindruckender waren."

Sind Dovizioso und Iannone nicht die richtigen Fahrer?

Aber es war nicht nur Assen, denn Ducati hätte schon in Katar gewinnen müssen. Iannone und Dovizioso führten das Rennen an. Mit etwas mehr Zusammenarbeit statt einem Duell hätten sie Lorenzo vielleicht abschütteln können. Dann stürzte Iannone und Lorenzo überholte Dovizioso und gewann. Und dann gab es noch Le Mans und Mugello. Iannone war bei beiden Rennen sehr schnell, aber in Frankreich stürzte er und beim Heimrennen kam er am Start nicht gut weg.

Die größte Schwäche hat Ducati offenbar, wenn es heiß ist und die Strecke nicht viel Grip bietet. Das wurde in Jerez und Barcelona ersichtlich. Rossi war dort mit seiner M1 überlegen, während alle Ducati-Fahrer die Power nicht auf die Straße brachten. Aber abgesehen von diesen beiden Rennen und der Marquez-Dominanz in Austin, war Ducati sehr konkurrenzfähig. Vor Assen sprach Dovizioso über einen "wichtigen Test" nach den Problemen in Barcelona und darüber, dass das Bike ein "Limit" hat.

Andrea Dovizioso, Andrea Iannone

Haben die beiden Andreas nicht das Format eines Weltmeisters? Zoom

"Es ist immer eine Mischung", antwortete Dovizioso auf die Frage, ob die Probleme mit der Bremsphase zusammenhängen oder woanders zu suchen sind. "Es gibt keinen bestimmten Punkt wie im Vorjahr, wo uns die langgezogenen Kurven Mühe bereitet haben. In Barcelona war der Grip niedrig, für uns war es extrem schlimm. Es ist aber ähnlich wie im Vorjahr. Auch mit den Reifen ist es komplett anders. Auf diesen Punkt müssen wir uns konzentrieren. Es ist nicht einfach, dieses Problem während der Saison zu lösen. Es ist aber nicht unmöglich. Wir versuchen es."

Hätte Lorenzo mit der Ducati gewonnen?

Nach dem Rennen am Sonntag bezeichnete Iannone die Ducati-Pace im Laufe des Wochenendes als "etwas überraschend", weil man früher in Assen Mühe hatte. Wäre er nicht gestürzt, hätte Iannone am vergangenen Sonntag durchaus seinen ersten MotoGP-Sieg feiern können. Aber so läuft das Ducati-Jahr nun einmal. Es scheinen alle Ingredienzien vorhanden zu sein, aber es klappt am Ende nicht.

In vielen dieser Situationen - okay, vielleicht nicht im Regen von Assen - ist es schwierig, sich nicht vorzustellen, dass Lorenzo es nicht zumindest einmal auf die Reihe gebracht hätte, wenn er schon in diesem Jahr für Ducati fahren würde. Man gewinnt nicht drei WM-Titel durch Zufall. Und die harten Fakten sagen, dass Dovizioso nur einen MotoGP-Sieg mit Honda (2009) hat und Iannone keinen. Trotzdem scheint Iannone eher vor dem Durchbruch zu stehen, wenn er ein sauberes Wochenende zustande bringen würde.

Jorge Lorenzo

Die Zukunft von Ducati heißt Jorge Lorenzo. Macht er es besser? Zoom

Vor Assen wurde Iannone gefragt, ob er seinen Stil verändern sollte. Seine Antwort? "Nein." Anschließend folgte eine lange Pause und ein weiteres "nein". Einen Tag später sprach er dann trotzdem darüber, dass er sein eigenes Limit besser verstehen muss und vielleicht nicht so hart pushen sollte. Die WM-Hoffnungen von Ducati sind lange geplatzt, aber der eine oder andere Sieg wären eine schöne Sache.

Für Iannone wäre ein Sieg ein schönes Abschiedsgeschenk, bevor er zu Suzuki geht. Für Dovizioso wäre es die Belohnung für seine harte Entwicklungsarbeit seit 2013. Außerdem könnte er Lorenzo zeigen, dass es für ihn kein einfaches Jahr wird. Sie haben in diesem Jahr noch zehn Chancen. Zehn Rennen, um ein Teil der MotoGP-Geschichte zu werden. Oder zehn Chancen, die die Liste der verpassten Gelegenheiten fortsetzen.