Erstes Moto2-Rennen mit Pirelli: Warum Katar zu einem Reifenpoker wurde

Das erste Moto2-Rennen mit Pirelli wurde zu einem Reifenpoker - Laut Kalex-Designer Alex Baumgärtel müssen die Teams die Reifen erst verstehen lernen

(Motorsport-Total.com) - "Letztendlich haben wir die falsche Reifenwahl für das Rennen getroffen", seufzt IntactGP-Teamchef Jürgen Lingg nach dem Moto2-Saisonauftakt in Katar. Das deutsche Team stand damit aber nicht alleine da. Nach mehr als einem Jahrzehnt mit Dunlop-Reifen hat der Wechsel zu Pirelli die Karten komplett neu gemischt.

Titel-Bild zur News: Aron Canet, Tony Arbolino

Aron Canet und Tony Arbolino hatten mit dem SC1-Hinterreifen große Probleme Zoom

In Katar kam erschwerend das Wetter hinzu. Die Trainings zu Mittag waren nicht aussagekräftig. Das Abendtraining am Freitag war nass. Samstagabend stand das Qualifying auf dem Programm und dann ging es mit geringen Informationen direkt in das erste Rennen des Jahres.

16 Fahrer hatten sich für den härteren SC1-Hinterreifen von Pirelli entschieden, 13 für den weicheren SC0. Es stellte sich heraus, dass der weichere Reifen die bessere Wahl war. Alle drei Fahrer auf dem Podest hatten sich für den SC0 entschieden.

Bei den Fahrern mit dem SC1-Reifen brachen die Rundenzeiten teils dramatisch ein. Beispielsweise fuhr Aron Canet in der dritten Runde mit 1:57.661 Minuten die schnellste Rennrunde. Aber in Runde zehn schaffte der Spanier nur noch zwei Minuten.

Seine Zeiten stiegen in der zweiten Rennhälfte bis auf 2:02 Minuten an. Ähnlich schlecht lief es für Tony Arbolino. Schon ab der achten Runde fuhr der Italiener Rundenzeiten von über zwei Minuten. Die Spitze blieb im Bereich von 1:59 Minuten.

Dennoch war es prinzipiell ein langsames Rennen, denn die Siegerzeit war um rund 13 Sekunden langsamer als im vergangenen Herbst mit den bekannten Dunlop-Reifen. Das lässt den Schluss zu, dass die Teams noch viel über die Pirelli-Reifen lernen müssen.

"Es war klar, dass wir bei beiden Reifen mit großem Verschleiß zu rechnen hatten", blickt Kalex-Designer Alex Baumgärtel im Gespräch mit Motorsport-Total.com auf das erste Rennwochenende zurück.

Aufgrund des Zeitplans und des Wetters am Freitag hatten die Teams praktisch "null Referenz" für die Reifen. "Trotzdem war es eine Überraschung, dass man so massiv eingegangen ist, auch mit dem SC0, aber mit dem SC1 noch mehr", findet Baumgärtel.

Alex Baumgärtel, Ken Kawauchi

Alex Baumgärtel arbeitet in diesem Jahr auch als Berater für Honda in der MotoGP Zoom

"Das war schon mal die erste Lektion. Es war natürlich auch das erste Mal, dass man aus dem Grid gefahren ist und nicht aus der warmen Box. Also in allen Bereichen gibt es noch viel zu analysieren und zu verbessern."

Laut Baumgärtel müssen die Teams erst eine Basis für die neuen Reifen finden: "Es geht mehr um Balance, Heizprozeduren und wie man den Reifen zum Arbeiten bringt. Das ist beim Set-up zu finden und dann das Finetuning über die anderen mechanischen Bauteile."

"Die Rennpace war deutlich langsamer als im Vorjahr. Da ist noch keiner auf dem Niveau, die Reifen sauber herzunehmen. Es gilt jetzt die Basis abzustimmen und dann muss man seine Schlüsse ziehen. Man hat gesehen, dass wir den Reifen noch nicht auf die richtige Art und Weise nutzen."

Superbike-WM keine Referenz für die Moto2

Pirelli beliefert die Moto2 mit Reifen, die seit Jahren in der Superbike-WM gefahren werden und die auch jeder auf dem freien Markt für Trackdays kaufen kann. Manche im Paddock meinten, die Teams sollten sich doch in der Superbike-WM erkundigen, wie die Reifen funktionieren.

Aber diese Annahme ist nicht richtig, denn das Moto2-Motorrad hat zwar weniger Leistung als ein Superbike, aber es ist leichter und steifer. Deswegen geht ein Moto2-Motorrad ganz anders mit den Reifen um als ein Superbike.

"Ich glaube, man muss sich das Know-how selbst erarbeiten", meint Baumgärtel. "Natürlich wissen wir, in welchem Temperaturfenster und mit welchen Drücken sie [in der Superbike-WM] arbeiten. Nur lässt sich das auf unsere Kategorie im Moment noch nicht übertragen."

Toprak Razgatlioglu

Superbikes sind stärker, schwerer und weicher als Moto2-Motorräder Zoom

Die Moto2 hatte in diesem Kalenderjahr zwei Vorbereitungstests. Jener in Portimao war kalt und verregnet. In Jerez konnte bei guten Bedingungen gefahren werden. Dort war zu sehen, dass eine konstante Reifenperformance über die Renndistanz möglich ist.

Auch Kalex muss auf klarere Informationen warten

Da die Entscheidung für Pirelli im vergangenen Jahr erst im September gefallen ist und die ersten Tests erst Ende November stattgefunden haben, gab es weder Erkenntnisse noch Zeit, um das grundsätzliche Chassis-Design an die neuen Reifen anzupassen.

"Es ist mehr oder weniger tatsächlich das Chassis vom vergangenen Jahr", verrät Baumgärtel. "Wir haben eine neue Schwinge gebracht, die auch gut ankommt. Aber es ist bei weitem noch zu früh, um zu sagen, ob das Chassis einen Einfluss hat."

Barry Baltus, Sergio Garcia

Barry Baltus fuhr mit dem alten Kalex-Material auf das Podium Zoom

Denn zunächst müssen die Teams eine Basisabstimmung finden und es müssen Informationen auf verschiedenen Strecken gesammelt werden, um wirklich ein klares Bild mit aussagekräftigen Informationen zu erhalten.

Noch offen, welchem Chassis die Reifen besser passen

Im Feld der Kalex-Teams fährt ausschließlich RW-Racing mit dem Material des Vorjahres. Barry Baltus raste damit beim Saisonauftakt als Zweiter auf das Podest. Der Sieg ging durch Alonso Lopez wieder an das Speed-Up-Team mit dem Boscoscuro-Chassis.

Auf den ersten vier Plätzen waren drei Boscoscuro-Fahrer und nur ein Kalex-Fahrer zu finden. "Das ist ein starkes Paket vom Motorrad her und von den Fahrern", lobt Baumgärtel die italienische Konkurrenz. "Dazu ist das MT-Helmets-Team neu hinzugekommen."

"Von Ogura und Garcia halte ich viel. Es wird schon ein starker Wettbewerb sein. Wir müssen schauen, dass wir diese Erfolgsstory bald unterbrechen. Man muss natürlich wach bleiben und wie in den vergangenen Jahren effizient bleiben und versuchen, das Paket zu verbessern."

Luca Boscoscuro

Das Motorrad von Luca Boscoscuro hat nun fünf Siege in Serie gefeiert Zoom

"Das ist jetzt noch angesagter denn je." Denn Boscoscuro hat im vergangenen Herbst auch die letzten vier Saisonrennen gewonnen und ist nun in die Pirelli-Ära ebenfalls gleich mit einem Sieg gestartet.

Laut Baumgärtel ist es aber noch viel zu früh, um sagen zu können, ob die Pirelli-Reifen mit dem einen oder anderen Chassis besser harmonieren: "Bei den Wintertests im November in Valencia und zuletzt in Jerez waren wir bei guten Bedingungen schon stark unterwegs. In Katar haben wir durch die Bedingungen eine Schlappe kassiert. Aber alles andere ist noch zu früh, um zu beurteilen."

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