Baumgärtel: "Dominanz würde ich nicht klar ansprechen"

Alle Saisonsieger in der Moto2 saßen bisher auf einem Kalex-Motorrad - Kalex-Konstrukteur Alex Baumgärtel nimmt die mittlere Klasse unter die Lupe

(Motorsport-Total.com) - Kalex bestimmt seit knapp zwei Jahren das Geschehen in der Moto2. Im Vorjahr konnte noch das Aspar-Team mit dem Suter-Chassis vier Rennen gewinnen. In dieser Saison fahren Nico Terol und Jordi Torres allerdings hinterher. Die beiden Schweizer Dominique Aegerter und Tom Lüthi konnten einige Highlights setzen, aber 2014 gingen die Siege allesamt an Kalex-Fahrer. MarcVDS führt mit den Fahrern "Tito" Rabat und Mika Kallio die Fahrerwertung überlegen an.

Titel-Bild zur News: Kalex

Kalex setzt auch in dieser Saison Chassis in den Klassen Moto2 und Moto3 ein Zoom

Trotzdem will Kalex-Konstrukteur Alexander Baumgärtel nicht von einer Dominanz sprechen. "Le Mans war eine Ausnahme. Wenn man die Rennen davor ansieht, dann haben Domi und Tom schon mitgemischt. Die Dominanz würde ich nicht so klar ansprechen. Le Mans hat uns sehr gut in die Karten gespielt. Auch die höheren Temperaturen haben zum Motorrad gepasst. Wir sind auf einem guten Weg. Die Arbeit mit den Teams ist auch positiv", fasst Baumgärtel die erfreuliche Situation im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' zusammen.

Es stellt sich die Frage, was MarcVDS besser als die anderen Teams macht? Dafür gibt es laut Baumgärtel mehrere Gründe: "Zum einen ist es ein lang eingespieltes Team. Sie kennen das Motorrad auch schon einige Saisons. Mika Kallio tritt sehr stark auf und hat unglaublich viel Erfahrung. Auf der anderen Seite ist Tito, der natürlich auch ein schneller Mann ist. Er ist aber jetzt in einer anderen Situation als im Vorjahr, denn er ist der Gejagte. Die Getrieberäder spielen sauber ineinander."

"Die Erfahrung mit dem Produkt ist der wesentliche Punkt, dazu kommen die beiden guten Fahrer." Rabat führt die WM mit drei Saisonsiegen an. Kallio hat zweimal gewonnen und hat 22 Punkte Rückstand. Nach sechs Rennen bahnt sich ein Stallduell um den WM-Titel an. In der Formel 1 ist das teaminterne Mercedes-Duell zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg in vollem Gange.

Kein Stallduell bei MarcVDS

Ist in der Moto2 ein ähnliches Szenario zu erwarten? "Das glaube ich absolut nicht", winkt Baumgärtel ab. "Sie spornen sich gegenseitig an. Auch im Team herrscht reger Austausch, um sich gegenseitig anzuspornen und zu verbessern. Ich glaube nicht, dass es zu solchen Animositäten kommen wird." Für MarcVDS spricht die Routine, allerdings hat mit Maverick Vinales auch schon ein Rookie in diesem Jahr gewonnen.

Esteve Rabat, Mika Kallio

Esteve Rabat und Mika Kallio führen die WM-Wertung überlegen an Zoom

Dazu setzten sich auch die Rookies Jonas Folger und Luis Salom im Spitzenfeld in Szene. "Der Umstieg von der Moto3 in die Moto2 ist jetzt einfacher als früher von den Zweitaktern in die Moto2", lautet die Erklärung von Baumgärtel. "Natürlich ist Pons ein erfahrenes Team, das unser Produkt sehr gut kennt. Jetzt kommt auch Sandro Cortese nach vorne. Auf der anderen Seite ist Jonas mit einem ganz neuen Team unterwegs."

"Das Motorrad startet immer mit der gleichen Basis. Dann wird das Motorrad auf den individuellen Fahrer abgestimmt. Da haben wir eine recht gute Bandbreite, damit viele Fahrer mit unserem Motorrad fahren können. Wir sehen unterschiedliche Fahrstile, aber das Motorrad lässt sich dahingehend abstimmen. Das ist sicherlich ein guter Punkt von uns." Wie es geht, zeigt das AGR-Team von Folger. Wie es nicht geht, zeigt Idemitsu bei Takaaki Nakagami. Das japanische Team geht bei der Abstimmung seinen eigenen Weg und hat die falsche Richtung eingeschlagen, wie die schwachen Resultate von Nakagami zeigen.

Folger erster Kalex-Fahrer mit WP-Dämpfern

Interessant ist dafür der Weg, denn das AGR-Team eingeschlagen hat. Folger wechselte von Öhlins zu WP und fuhr damit in Mugello auf Anhieb auf das Podest. Er ist der erste Kalex-Fahrer mit WP. Auf Kalex hat das keine bestimmten Auswirkungen. "Das ist für uns eher so, wie die Abgasanlage oder mit welchen Rädern ein Team fährt. Für ihn war es ein guter Schritt, sonst hätten sie es nicht gemacht. Natürlich ist es für uns in diesem Thema eine Bereicherung und interessant. Der Wettbewerb ist auf der Suspension-Seite im Fahrerlager recht gut", findet Baumgärtel.

Jonas Folger, Luis Salom

Jonas Folger (94) ist seit Mugello mit WP-Suspension unterwegs Zoom

Die Teams haben freie Wahl bei den Dämpferelementen, der Auspuffanlage oder den Rädern. Kalex stellt nur die Chassis zur Verfügung. Man kann bei Kalex aber auch ein komplett fahrfertiges Motorrad bestellen. "Das ist auch möglich. Das war beim Intact-Team im ersten Jahr der Fall", nennt Baumgärtel ein Beispiel. Der Wettbewerb ist auch in der mittleren Klasse groß, auch wenn es sich um Details handelt.

Suter brachte nach Mugello ein überarbeitetes Chassis, das in Italien getestet wurde und auch nach dem Grand Prix in Barcelona weiter getestet wird. Kalex macht sich darüber aber keine Gedanken. "Man hört das. Wir konzentrieren uns aber auf unsere eigene Ideen und schauen nicht genau, was die Konkurrenz macht." Im Gegensatz zu Suter entwickelt Kalex die Aerodynamik ausschließlich mit CFD-Simulationen.

Einheitsmotoren bleiben über 2015 hinaus

Warum? "Wir waren im Windkanal und haben festgestellt, dass wir mit unserer Simulation ziemlich gut hinkommen", begründet Baumgärtel die Arbeitsweise. "Auf der anderen Seite müsste man dann mit jedem Fahrer in den Windkanal, weil es dann schon sehr speziell wird. Ich glaube, da würde man ein Problem bekommen und sich verlaufen. Wir sind sehr kosteneffizient. Die Software kostet sehr viel Geld im Jahr, aber Windkanalstunden würden extra kosten."


Fotos: Moto2 in Mugello


Die Kombination aus Chassis, Team und Fahrer macht in der Moto2-Klasse den Unterschied aus. Seit 2010 wird mit Einheitsmotoren von Honda gefahren. KTM hat sich mehrmals dafür stark gemacht, dieses Monopol zu brechen. Die Einheitsmotoren werden aber auch über 2015 hinaus in der Moto2 bleiben. "Die Marke wurde aber noch nicht genannt", hält Baumgärtel fest. Aus Sicht des Chassisherstellers ist der Motor unerheblich.

"Ich glaube, es liegt in dieser Klasse nicht mehr daran, welcher Motor drinnensteckt und ob er fünf PS mehr hat. Alle Teams sind zufrieden. Man sieht, das Fahrer mit Teams den Unterschied ausmachen. Das zeigt, wer wertvoll ist und Potenzial für die nächsthöhere Klasse hat", unterstreicht Baumgärtel die Bedeutung der Moto2. "Es ist nicht zielführend, da noch einen Motorenkampf auszulösen." Einen Wettbewerb der Hersteller gibt es dagegen in der Moto3-Klasse.