• 31.05.2009 13:15

  • von Pete Fink

Schwere Zeiten für IndyCar-Chef Tony George?

Um IndyCar-Chef Tony George ranken sich derzeit einige Gerüchte - wie geht es mit der wiedervereinten Indy Racing League weiter?

(Motorsport-Total.com) - Ein Bericht von 'speed.tv' sorgte Mitte dieser Woche für einige Unruhe im IndyCar-Lager. Dort wurde behauptet, dass IRL-Chef Tony George von seiner Familie entmachtet worden sei. Der Grund: Einige Mitglieder der Hulman-George-Familie wollen offenbar nicht länger tatenlos dabei zusehen, wie George viele Millionen US-Dollar für die mittlerweile einzige US-Formelserie ausgibt.

Titel-Bild zur News: Tony George

Unter zunehmendem Beschuss: Wie geht es bei Tony George weiter?

Kolportierte 600 Millionen US-Dollar soll George in den vergangenen 13 Jahren für die IRL verbraucht haben, aber das Dementi zu diesem Bericht kam prompt: Bei dem Treffen am vergangenen Dienstag habe es sich um eine turnusmäßige Aufsichtsratssitzung gehandelt, nach der der 49-Jährige "nach wie vor Geschäftsführer und Präsident der Indianapolis Motor Speedway Corporation, Hulman and Company, und der Geschäftsführer der Indy Racing League" sei.#w1#

"Keiner hat mich gebeten, zu gehen", ergänzte George, während seine Mutter und Aufsichtsratsvorsitzende Mari Hulman-George erklären ließ: "Allen unseren Projekten geht es, angesichts der aktuellen Wirtschaftslage, gut. Die Indy Racing League hat derzeit das größte Wachstumspotenzial und deshalb verdient sie derzeit unsere größte Aufmerksamkeit."

Klare Aussagen also, aber da gibt es noch die alte Binsenweisheit: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Das wurde am Samstagabend in Milwaukee umso deutlicher, als die zwölf IndyCar-Teamchefs sich gemüßigt fühlten, ein Statement herauszugeben, in dem sie ihrem Boss die "volle Unterstützung zukommen" ließen.

Teamchefs hinter George

"In der vergangenen Woche gab es Gerüchte um unseren Geschäftsführer Tony George", schrieben die Teamchefs. "Wir wollen hiermit unseren vollen Support für Tony ausdrücken. Als Innovator und Anführer in unserem Sport hilft er kontinuierlich mit, die IndyCars zu verbessern. Dafür sind wir ihm außerordentlich dankbar."

Roger Penske

Roger Penske und seine Teamchef-Kollegen stehen hinter Tony George Zoom

Es geht also einerseits um das liebe Geld der Hulman-George-Familie, auf der anderen Seite um die Zukunft der IndyCars. Dabei ist die ganze Geschichte nicht neu, denn auch dem IndyCar-Chef sind die roten Zahlen seiner Serie schon länger ein großer Dorn im Auge.

Wie 'Motorsport-Total.com' bereits Anfang Mai berichtete, stellte George selbst im Vorfeld des Indy 500 die glasklare Forderung in den Raum, dass die Serie bis 2013 in den schwarzen Zahlen operieren müsse, "sonst wird es uns nicht mehr geben".

In Indianapolis zeigte sich der mächtige IRL-Chef noch sehr positiv: "Wir glauben, dass wir nun die Stabilität haben, die uns erlaubt, die Wirtschaftskrise der kommenden Jahre zu meistern", gab George zu Protokoll. Eine wichtige Begründung lag in der relativ günstigen Kostensituation der IndyCar-Teams - ein gut gefülltes Feld ist die Basis der ganzen Show.

Wo bleibt der Titelsponsor?

"Unsere Teams können die volle Saison mit einem Budget zwischen fünf und acht Millionen US-Dollar bestreiten. Natürlich gibt es einige, die die acht Millionen haben und einige, die die Fünf nicht haben, aber alles in allem bieten wir einen guten Gegenwert."

IRL-Finanzchef Terry Angstadt (li.) muss endlich den Titelsponsor an Land ziehen Zoom

Aus den Reihen der Teamchefs bestätigte Roger Penske diese George-Zahlen: "Ich glaube, dass ein durchschnittliches Team eine Saison mit einem Budget von vier bis fünf Millionen US-Dollar bestreiten kann. In der NASCAR braucht man dazu wahrscheinlich 20 Millionen." Nur: Das alleine bringt für die Serie noch keine schwarzen Zahlen.

Ein ganz entscheidender Punkt für die Profitabilität der Serie ist die erfolgreiche Suche nach einem Titelsponsor. "Wir hatten viele Gespräche mit einigen Firmen", berichtete IRL-Finanzchef Terry Angstadt. "In erster Linie hat das dazu geführt, dass wir mehr Sponsoren in unserem Stall begrüßen konnten. Wir hatten also einigen Erfolg, aber der ganz große Durchbruch fehlt uns noch."

Ein schwerer Dämpfer waren auch die Einschaltquoten des diesjährigen Indy 500. Im Vergleich zu 2005 interessierten sich im Jahr 2009 40 Prozent weniger Amerikaner für den Saisonhöhepunkt. Ein massiver Einbruch, der sogar in Krisenzeiten seine Gründe haben muss.

Akuter Mangel an Stars

Ein wesentlicher Aspekt dabei ist ohne Zweifel der umstrittene Fernsehvertrag mit 'Versus', die in den USA bei weitem nicht die Reichweite von 'ESPN' haben. Auch die kaum vorhandene Promotionsarbeit von 'ABC' im Vorfeld des Indy 500 rief einige Kritiker auf den Plan.

Danica Patrick Helio Castroneves

Wo stünde die IRL ohne Danica Patrick und Helio Castroneves? Zoom

Aber das Grundproblem aus Sicht der US-amerikanischen Konsumenten, die ja laut IRL-Chef Tony George die erste und zu diesem Zeitpunkt entscheidende Zielgruppe sind, ist eine ganz andere: Ein akuter Mangel an Aushängeschildern, denn die IndyCar-Serie hat mit Danica Patrick und Helio Castroneves nur zwei wirkliche Superstars in ihren Reihen.

Dazu gesellen sich viele weitere Piloten, die die Amerikaner schlicht und ergreifend nicht an die Strecken oder vor den Fernseher locken können. Dies trifft auch auf Marco Andretti und Graham Rahal zu, die zwar große Nachnamen tragen, aber noch keine großartigen Erfolge vorweisen können.

Zum Beispiel befinden sich von den 20 Piloten in Milwaukee lediglich fünf Amerikaner im Feld. Unter den Top 7 der aktuellen Gesamtwertung ist mit Danica Patrick nur eine einzige Lokalmatadorin, die in Sachen IndyCar-Titel 2009 wenigstens kleine Außenseiterchancen besitzt.

Wen interessieren die Briten und Brasilianer?

Es ist das alte Problem: In Amerika interessiert sich die breite Masse nur für amerikanische Piloten, von denen die NASCAR geradezu überquillt. Bei den IndyCars hingegen fahren in Milwaukee vier Briten und vier Brasilianer. Auch Australien, Neuseeland, Japan, Holland, Venezuela oder Südafrika sind vertreten, während Paul Tracy die Flagge Kanadas hochhält.

Sam Hornish Jr. war der letzte einheimische Top-Pilot der IndyCar-Serie Zoom

So etwas ist nichts anderes als ein Zielkonflikt, denn wenn George die IndyCar-Serie als rein US-amerikanische Angelegenheit interpretiert, dann macht es wenig Sinn, wenn lediglich ein Viertel des Feldes aus Lokalmatadoren besteht, die in ihrer Breite noch dazu im hinteren Mittelfeld herumfahren. Die Folge: Stagnation mit Tendenz nach unten. Auf diese Weise lockt man die zahlungskräftige Werbewirtschaft nicht von den Honigtöpfen der NASCAR weg.

In den drei permanent siegfähigen Topteams sind US-Boys absolute Mangelware: Penske beschäftigt einen Brasilianer (Helio Castroneves) und zwei Australier (Ryan Briscoe und Will Power). Bei Chip Ganassi fährt ein Neuseeländer (Scott Dixon) und ein Schotte (Dario Franchitti) - bezeichnenderweise die beiden letzten IndyCar-Titelträger. Der dritte im Bunde, der Champion von 2006 Sam Hornish Jr., fährt seit Anfang 2008 in der NASCAR.

Andretti/Green beschäftigt mit dem stagnierenden Marco Andretti und der unter Umständen wechselwilligen Danica Patrick zwei Lokalhelden, doch man mag sich gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn sich die hübsche Rennamazone in dieser prekären Situation wirklich zu einem NASCAR-Wechsel durchringen würde...

Viele Brennpunkte

Die IRL braucht - in Krisenzeiten - dringend schwarze Zahlen, das wurde in dieser Woche deutlicher denn je. 2010 will man den Kalender von 17 auf 20 Saisonrennen erweitern, und hat seine Fühler dazu nach Brasilien und China ausgestreckt.

Mari Hulman-George

Mari Hulman-George hofft auf eine profitable IndyCar-Serie Zoom

Spätestens 2011 soll ein neues Motorenkonzept und ein neues Chassis kommen, aber in dieser Angelegenheit herrscht sein vielen Wochen Funkstille. Die alte Dallara-Honda-Kombination ist seitens der Teams mittlerweile so ausgereizt, dass sogar in Indianapolis Überholmanöver absolute Mangelware waren - in Amerika ein absolutes No-Go.

2009 teilten sich bisher Penske und Ganassi brüderlich die Siege auf, ein US-Boy gewann noch nicht. 'Versus' verzeichnete zum Saisonauftakt in St. Petersburg, Long Beach und Kansas geringe Einschaltquoten, selbst das Indy 500 schnitt so schlecht wie lange nicht mehr ab.

Die Liste der Problemfelder ist also umfangreich. Doch wie sagte die IMS-Aufsichtsratsvorsitzende Mari Hulman-George: "Die Indy Racing League hat derzeit das größte Wachstumspotenzial und deshalb verdient sie derzeit unsere größte Aufmerksamkeit." Das ist offenbar absolut notwendig.

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!

Anzeige

Folge uns auf Instagram

Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt