• 26.05.2009 17:57

  • von Pete Fink

Erliegt Danica Patrick den Lockrufen der NASCAR?

Der Kampf um die Gunst von Danica Patrick hat begonnen: Aus Charlotte ertönten am Wochenende die ersten Lobeshymnen der mächtigen NASCAR-Bosse

(Motorsport-Total.com) - Die 93. Auflage der 500 Meilen von Indianapolis ist Geschichte. Danica Patrick holte sich mit Rang drei ihre bisher beste Platzierung, und erhielt für ihre couragierte und gleichzeitig kontrollierte Fahrt viel Lob von allen Seiten. Im Verlauf des Monats Mai wurde klar ersichtlich, dass Penske und Ganassi besser aufgestellt waren als Patricks Andretti/Green-Team, insofern holte die 27-Jährige Rennamazone nahezu das Optimum aus den Gegebenheiten heraus.

Titel-Bild zur News: Danica Patrick

Im Sommer will Danica Patrick ihre weiteren Pläne bekannt geben

Doch nun beginnen die Spekulationen um die weitere Rennsport-Zukunft des US-amerikanischen Superstars, deren AGR-Vertrag Ende der Saison 2009 ausläuft. Es ist sicher kein Zufall, dass Patrick ab Juni in den anstehenden Verhandlungsmarathon einsteigen wird, da der IndyCar-Saisonhöhepunkt nun vorbei ist. Nur: Wohin wird die Reise gehen? Von IRL über Formel 1 bis zur NASCAR reicht die wohl sortierte Gerüchtepalette, und die Geschäftsfrau Patrick wird sich diese wichtige Entscheidung sicherlich reiflich überlegen.#w1#

"Es ist das Vertragsjahr und ich werde mir alles anhören", deutete sie auf dem Medientag am Samstag vor dem Indy 500 an. Natürlich sei die IRL "ihre Heimat", aber "ich werde mir auch die NASCAR ganz genau ansehen." Eine Entscheidung gibt es selbstverständlich noch nicht, sie selbst sei zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht aktiv geworden. "Ich beantworte nur Fragen, die mir die Leute stellen." Soll heißen: Die Rennamazone wird ihre Optionen erst dann prüfen, wenn die Angebote auf dem Tisch liegen.

Zündstoff erhielt die Patrick-Diskussion bereits Anfang Mai, als sie in einem Interview mit der renommierten 'New York Times' zu Protokoll gab: "Ein Argument sind die Präsentationsmöglichkeiten, die man in der NASCAR hat. Ihre Zuschauerzahlen sind um so viel größer als unsere, und damit kommen zwangsläufig mehr Aufmerksamkeit, mehr Publicity und mehr Werbemöglichkeiten. Das wäre schon ein bemerkenswertes Wachstum."

Die maximale Vermarktung

Danica Patrick

Welche Möglichkeiten hätte Werbe-Ikone Danica Patrick wohl in der NASCAR? Zoom

Gemeint ist natürlich die Marke Danica. Daraus folgt: Weder für ihren derzeitigen Boss Michael Andretti noch für IRL-Chef Tony George gibt es Garantien. Für beide wäre ein Verlust ihres Zugpferdes eine Katastrophe - egal ob in Richtung Formel 1 oder in Richtung NASCAR. Doch in Charlotte wetzt man bereits mit den Messern, das wurde am Wochenende des Coca-Cola 600 klar.

"Sie wäre sehr gut für den Sport, denn sie brächte uns eine Menge Aufmerksamkeit", sagte etwa Teambesitzer Rick Hendrick. Sein Kollege Richard Childress fügte an: "Sie bringt eine Menge Talent mit. Wenn sie das richtige Team und die richtigen Piloten hätte, die sie unterstützen und ihr helfen, dann könnte sie richtig gut aussehen." Eine kleine Randnotiz: Beim diesjährigen 24 Stundenrennen von Daytona startete Patrick für das Team von Richard Childress.

"Wenn sie es auf der Rennstrecke umsetzen kann, dann wäre sie in Sachen Vermarktungsmöglichkeiten in der obersten Stratosphäre anzusiedeln", erklärte Geoff Smith, der Präsident von Roush Fenway Racing. Dort war Patrick übrigens bereits auch einmal zu Gast, als der Sprint-Cup in ihrem Wohnort Phoenix Station machte.

Mit Hendrick, Childress und Roush sind drei der vier zur Debatte stehenden Teams genannt, denn sollte sich Patrick tatsächlich für einen NASCAR-Wechsel entscheiden, dann stehen im Prinzip nur die vier großen und dauerhaft siegfähigen Sprint-Cup-Teams von Hendrick Motorsports, Roush Fenway Racing, Joe Gibbs Racing und Richard Childress Racing zur Disposition.

Danica auf den Dirt-Tracks?

Juan-Pablo Montoya

Auch Juan Pablo Montoya musste einige ARCA-Rennen bestreiten Zoom

Der größte Knackpunkt an einem vermeintlichen NASCAR-Wechsel der Rennamazone ist aber die langwierige Vorbereitungsphase, die auch ein Juan Pablo Montoya oder ein Jacques Villeneuve über sich ergehen lassen mussten. Für den US-Superstar würde dies einen Rückschritt in untere Motorsport-Kategorien bedeuten, wie NASCAR-Champion Jimmie Johnson verdeutlichte.

"Wenn sie es wirklich ernst meint, dann muss sie ein oder zwei Jahre in den unteren Klassen lernen, während sie meinetwegen noch in der IRL fährt", so Johnson. "Sie muss in der ARCA-Serie, bei den Trucks oder in der Nationwide-Serie den Unterschied der Fahrzeuge verstehen. Tut sie das nicht, dann bringt sie sich in eine sehr schwierige Situation, denn du kannst nicht einfach im Sprint-Cup auftauchen und loslegen."

Das ist für die Businessperson Patrick sicherlich keine verlockende Alternative. Die 27-Jährige ist in Mainstream-USA ein Superstar, dessen wertvolles Marketing-Image nicht auf die Dirt-Tracks der Südstaaten-Provinzen passt. Zudem auch die Herren Montoya und Villeneuve bereits erkennen mussten, dass rüstige Mit-Fünfziger ihr StockCar-Handwerk auch in den unteren NASCAR-Klassen umso lieber zur Schau stellen, je prominenter die Konkurrenz ist.

Allerdings bleibt ebenfalls festzuhalten, dass weder Montoya noch Villeneuve bei ihrem NASCAR-Wechsel von einem Top-Team verpflichtet wurden. Gleiches gilt auch für den dreifachen IRL-Champion Sam Hornish Jr., der sich bei Penske zwar aktuell in einem Aufwärtstrend befindet, aber die Penske-Mannschaft ist in der NASCAR kein Meisterschaftsteam auf dem Niveau von Hendrick, Gibbs, Childress oder Roush.

Herzlicher Empfang durch die Kollegen

Jimmie Johnson Carl Edwards

Jimmie Johnson und Carl Edwards hätten nichts gegen eine NASCAR-Kollegin Zoom

Was NASCAR-Champion Johnson betrifft, so hätte auch der Kalifornier nichts gegen eine zukünftige Konkurrentin Patrick einzuwenden - im Gegenteil. "Im Sinne unseres Sportes würde ich das gerne sehen. Ich liebe diesen Sport, ich verdiene hier mein Geld und ich werde alles unterstützen, was unseren Sport stärker macht."

"Sie würde hier behandelt werden wie jeder andere Fahrer", ergänzte NASCAR-Vizechampion Carl Edwards. "Sie kann etwas vorweisen und sie hat Talent. Sie muss nur rüberkommen und das alles lernen. Nein, das möchte ich zurücknehmen: Sie würde nicht behandelt werden wie jeder andere, denn jeder würde sich natürlich nach ihr umdrehen."

Kein Zweifel: Das erste Sprint-Cup-Rennen mit einer Teilnehmerin Patrick würde in den USA alle Zuschauerrekorde brechen. Doch in dieser Popularität liegt auch eine Gefahr, wie Rick Hendrick weiß: "Du bekommst nur eine Audienz beim Papst." Was er damit meint: "Wenn du im Cup eine Massenkarambolage baust, ein paar Kollegen aus dem Rennen nimmst oder dich vielleicht gar nicht qualifizierst, dann bist du erledigt. Das kannst du kaum mehr wiederaufbauen."

Fakt ist: NASCAR ist auf Jahre hinweg die Rennsport-Plattform in den USA, dazu ist der Abstand zur IRL einfach zu groß. Danica Patricks Popularität würde mit einem Schlag noch einmal eine schwer abschätzbare Steigerung erfahren. Allerdings liegt bei ihrem Bekanntheitsgrad auch genau dort der große Haken: Die Publicitiy wäre immens, Fehler nicht erlaubt und das wiederum bedeutet mindestens eine Vorbereitungssaison in den unteren Klassen.

Alternativen bei den IndyCars?

Danica Patrick Michael Andretti

Kann Michael Andretti sein Zugpferd Danica Patrick wirklich halten? Zoom

Doch wie würde die 27-Jährige selbst ein Lernjahr betrachten? "Wenn du aus einer Top-Liga in eine untere Klasse wechselst, dann musst du dir das genau überlegen und alle Pros und Kontras abwägen. Aber ich wäre dem gegenüber offen." Solche Worte stoßen bei der Familie France sicherlich nicht auf taube Ohren: Eine Nationwide-Saison 2010 mit Danica Patrick im Feld ließe die Kassen klingeln.

Es sind also massive Lockrufe, die aus Charlotte in Richtung Patrick erklingen, und es werden ganz sicher nicht die Letzten gewesen sein. Was natürlich keinesfalls gleichbedeutend damit ist, dass IndyCars oder Formel 1 keine mehr Chance haben. Nur erfährt auch der Gigant NASCAR im Krisenjahr 2009 in Sachen Zuschauerzahlen und TV-Einschaltquoten eine rückläufige Tendenz. Ein Patrick-Engagement würde dem massiv entgegenwirken und auch viele neue Fans aus den Reihen der "Danica-Mania" bedeuten.

Die Frage ist zudem, ob Michael Andretti oder Chip Ganassi den Geldbeuteln der NASCAR etwas entgegenzusetzen haben. Der einzige IndyCar-Teamchef, der in der Gewichtsklasse der Herren Hendrick oder Roush spielt, ist Roger Penske. Jeder andere interne IndyCar-Wechsel würde einen Rückschritt bedeuten, den es nicht geben wird.

Auch in der IRL-Zentrale hat man die Zeichen der Zeit erkannt. "Wir würden das überleben", erklärte IRL-Finanzchef Terry Angstadt. "Wir wollen, dass sie hier bleibt, aber wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir kontrollieren können." Doch es gibt Hoffnung, denn vor dem Sommer wird wohl keine Entscheidung fallen. Und da ist ja auch noch Indianapolis. "Zum Indy 500 gibt es nichts Vergleichbares", sagte Patrick. "Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich nur daran denke." Ob sie wohl schon einmal beim Daytona 500 war?

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