• 29.08.2008 11:56

  • von Sven Heidfeld

Heidfeld-Kolumne: Die IndyCars und die Deutschen

Sven Heidfeld schreibt in seiner neuen IndyCar-Kolumne auf 'Motorsport-Total.com' über eine mögliche deutsche Beteiligung in der IndyCar-Serie

Titel-Bild zur News: Sven Heidfeld

Sven Heidfeld kommentiert für 'Premiere' alle Rennen der IndyCar-Serie

Liebe Leser von 'Motorsport-Total.com',

Mit seinem Sieg in Sonoma hat Helio Castroneves wieder für Spannung gesorgt. Zwei Rennen vor dem Saisonende ist der Brasilianer nun plötzlich wieder zurück im Titelgeschäft, weil der klare Favorit gepatzt hat. Scott Dixon hat einen unerwarteten Dämpfer abbekommen, und wenn er sich so etwas in Detroit noch einmal erlauben sollte, dann wird es im Finale auf dem Chicagoland Speedway aber so richtig spannend.

Ich persönlich drücke ja Castroneves die Daumen. Nicht weil ich etwas gegen Dixon habe, sondern weil ich mir Hochspannung bis zum Ende erhoffe. Ein Titel-ShootOut der beiden Kontrahenten in Chicagoland wäre das Sahnehäubchen einer aufregenden IndyCar-Saison 2008.#w1#

Hinter den Kulissen wird eifrig an der Zukunft der Serie gearbeitet. Eine spannende Frage dreht sich dabei um den neuen Turbo-Motor, mit dem man - neben Honda - andere Hersteller in die Serie locken will. Mitte September wird es ein Meeting geben, bis Dezember sollen die Grundzüge des neuen Motorenregelements feststehen, und man will die interessierten Hersteller dazu einladen, ihre Vorstellungen mit einzubringen.

Nun haben wir in Deutschland einige der weltweit renommierten Motorenbauer, und ich würde mir ganz ehrlich wünschen, dass dieses Meeting in Indianapolis auch mit deutscher Beteiligung über die Bühne gehen wird. Speziell für die Hersteller, die derzeit nicht in der Formel 1 aktiv sind, wären die IndyCars mit der neuen Turboformel ein ideales Betätigungsfeld.

Was ist mit einer deutschen Beteiligung?

Audi, Porsche oder auch VW wären da Firmen, die mir sofort einfallen würden. Die wiedervereinigte IndyCar-Serie befindet sich massiv im Aufschwung, und warum sollen die deutschen Firmen auf dem US-amerikanischen Motorsportmarkt nicht auch ein kräftiges Wörtchen mitreden?

Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg ist auf dem Sprung in die Formel 1, aber wie sieht dahinter aus? Zoom

Und auch für deutsche Fahrer könnten die IndyCars in Zukunft eine gute Alternative zur Formel 1 darstellen. Wir haben ja schon fünf deutsche Formel-1-Piloten, und dahinter steht mit Nico Hülkenberg und Co. ja bereits die nächste Generation Schlange.

In den kommenden Jahren wird es für einen jungen deutschen Piloten also gar nicht so einfach werden, um in die Formel 1 vorzustoßen, und vielleicht wäre es in dieser sehr schwierigen Konstellation gar nicht dumm, sich gleich nach der Formel 3 bereits einmal in Richtung Amerika umzusehen, anstatt sich auf den genauso kostspieligen Weg in die GP2-Serie zu machen.

Denn einmal ganz ehrlich gesagt: Das Talent für die USA hätten viele deutsche Fahrer. Aber Amerika ist natürlich ein ganz anderer Markt als Europa, und mit den vielen Ovalen braucht es dazu auch eine spezielle Vorbereitung. Das alles kostet Zeit und auch Geld, aber das dürfte noch gar nicht einmal das größte Problem darstellen.

Mental auf die USA einstellen

Das liegt in meinem Augen darin, dass ein USA-Wechsel immer nur als ein Ausweg für den Fall angesehen wird, wenn es abzusehen ist, dass es mit den Formel-1-Plänen nicht funktionieren wird. Deswegen liegt in einer Karriereplanung darauf einfach nicht genug Fokus. Sinn machen würde es aber, wenn man sich schon früh auf die USA festlegt, dorthin Kontakte knüpft und dann versucht dort einzuschlagen.

Timo Glock

Timo Glock fuhr 2005 eine komplette US-Saison im Rocketsports-Team Zoom

Klar ist Timo Glock 2005 einmal ein Jahr in den USA ChampCar gefahren, aber bisher hat sich noch kein Fahrer schon wirklich früh in seiner Karriere darauf konzentriert, bei den IndyCars Fuß zu fassen - und auch Erfolg zu haben. Andreas Wirth hat es einmal etwas halbherzig versucht und bis zu einem gewissen Grad auch Erfolg gehabt.

Aber ich stelle mir schon die Frage was passieren würde, wenn ein richtig guter Deutscher, zum Beispiel ein Michael Ammermüller, einmal dort ernsthaft versucht Fuß zu fassen. Sein Formel-1-Zug ist aller Wahrscheinlichkeit nach abgefahren und aus seiner Sicht könnte Amerika sicher eine interessante Alternative darstellen.

Vielleicht ist das Problem vor allem ein mentales: Wenn man als Nachwuchspilot den logischen Wunsch hat, in der Formel 1 zu fahren, und sich dann mit dem Thema USA auseinandersetzen muss, dann spielt wahrscheinlich auch der Gedanke eine Rolle, nicht gut genug gewesen zu sein und es nicht geschafft zu haben. Die Folge ist, dass man eine solche Entscheidung immer weiter hinausschiebt - und irgendwann ist man dann auch für die USA zu alt.

Im Paket mit einem deutschen Herstellerß

In diesem Zusammenhang spielt auch die DTM eine Rolle. Es ist ja eine Sache, wenn man als routinierter ehemaliger Formel-1-Pilot seine Karriere in der DTM ausklingen lässt. Man hat Familie, man ist gesettelt, man fühlt sich in Europa wohl und dann bekommt man eben ein finanziell lukratives Angebot aus der DTM.

Start Mid-Ohio

Sven Heidfeld wünscht sich bald eine deutsche Beteiligung bei den IndyCars Zoom

Aber speziell bei jüngeren Fahrern kann man die IndyCars durchaus als ein Abenteuer ansehen, wenn man hier in Deutschland seine Zelte abbricht und sich drüben etwas aufbaut. Schwierig ist es trotzdem, denn Amerika ist weit weg und es gibt es hierzulande auch nur ganz wenig Anhaltspunkte dafür, wie man so etwas anpacken müsste. Und auch die Sponsoren halten sich zurück.

Ändern könnte sich das vielleicht, wenn sich ein deutscher Hersteller mit einem IndyCar-Einstieg auseinandersetzen würde. Einmal angenommen, Audi, Porsche oder VW würden sich für die IndyCars interessieren, was würde denn dagegen sprechen, wenn man dann einen deutschen Piloten mit hinüber nimmt?

Die Amerikaner sind ein patriotisches Volk und wenn zum Beispiel ein Michael Ammermüller in einem Penske-Porsche sitzen würde, dann hätte man in den USA dafür sicherlich Verständnis. Ich persönlich würde mich über ein deutsches Engagement bei den IndyCars jedenfalls sehr freuen. Es ist sicher nicht leicht, aber eben auch nicht unmöglich. Und vor allem wäre es sehr spannend!

Sven Heidfeld