• 23.09.2011 13:35

  • von Dieter Rencken

Alesi: "Indy wird eine neue Erfahrung für mich"

Renn-Rückkehrer Jean Alesi spricht im Interview über seine Pläne, 2012 beim Indy 500 an den Start zu gehen: "Ich möchte unbedingt wieder Rennen fahren"

(Motorsport-Total.com) - Diese Überraschung ist gelungen: Jean Alesi bereitet sich schon jetzt darauf vor, im kommenden Jahr wieder an den Start zu kehren. Elf Jahre nach seinem bis dato letzten Rennen in einem Formelauto stellt sich der 47-Jährige noch einmal einer neuen Herausforderung - dem Indy 500! Mit Lotus wird sich Alesi in den kommenden Wochen und Monaten intensiv auf diesen Event vorbereiten. Im Interview spricht der Franzose über seine Ambitionen und seinen Weg zum Renncomeback.

Titel-Bild zur News: Jean Alesi

Jean Alesi hat sich ein neues Ziel gesetzt: 2012 will er in Indianapolis starten

Frage: "Jean, sprechen wir über deine Pläne für eine Rückkehr in den aktiven Rennsport..."
Jean Alesi: "Ich werde das Indy 500 bestreiten. Ich denke, da steckt durchaus das Potenzial für Überraschungen drin, denn ich fuhr schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf diesem Niveau."

"Als ich mit der Formel 1 aufhörte, ging ich in der DTM an den Start und danach spielte ich gewissermaßen etwas herum. Ich war in der Speedcar-Serie aktiv und 2010 auch im GT-Sport. Ich wollte aber stets erneut in ein gutes und konkurrenzfähiges Fahrzeug steigen. Es war schwierig, etwas zu finden, und auch nicht einfach, mit Freunden darüber zu reden."

"Du kannst nicht durch die Gegend laufen und sagen: 'Ich träume davon, wieder ein Formelauto zu fahren.' Vor allem nicht, wenn du nicht weißt, was du tun sollst. Nach der Formel 1 ist für einen wie mich schließlich nicht mehr allzu viel übrig. In meinem Alter kann ich nicht noch einmal in der Formel 3 oder einer solchen Kategorie antreten. Ich bin nun bei Lotus und zähle Gino (Rosato; Anm. d. Red.) schon seit über 20 Jahren zu meinen Freunden."

"Ich hatte die Möglichkeit, mit ihm darüber zu sprechen. Als ich bei Lotus den T125 fuhr, das Formel-1-Auto für Kunden, wollte ich unbedingt wieder in einen Top-Rennwagen zurückkehren. Lotus stand da vollkommen hinter mir. Sie meinten: 'Okay, wenn du etwas Gutes auf die Beine stellen willst, da hätten wir Indianapolis. Warum nicht?' Ich sagte: 'Nun ja, lasst mich das einmal auskundschaften.'"

"Das tat ich, denn einerseits möchte ich unbedingt Rennen fahren, andererseits will ich natürlich auch konkurrenzfähig sein. Es soll nicht lächerlich rüberkommen. Ich habe viele Fans und auch eine Familie, die mir ordentlich was zu hören geben werden, wenn ich nicht gut abschneide. Ich habe bereits damit begonnen, im Simulator zu fahren. Ich fahre auch mehr und mehr mit dem T125. Das ist der Stand der Dinge."

"Ich habe viele Fans und auch eine Familie, die mir ordentlich was zu hören geben werden, wenn ich nicht gut abschneide." Jean Alesi

Frage: "Viele Formel-1-Piloten waren nach dem Ende ihrer Formel-1-Karriere beim Indy 500 am Start, beispielsweise Nelson Piquet. Glücklich wurden sie dabei nicht immer. Macht dir das Sorgen?"
Alesi: "Solche Gedanken hatte ich nie. Ich wechselte direkt in die DTM und hatte eine fantastische Zeit mit Mercedes."

"Um ehrlich zu sein: Wenn du keinen Konzern hinter dir hast und du nach neuen Möglichkeiten Ausschau halten willst, wird es schwierig. Ich gehöre nun zu Lotus und aus diesem Grund ist es einfacher für mich, über Dinge wie Indianapolis nachzudenken. Wir bauen einen Motor für das kommende Jahr. Ich bin also sehr in die technische Seite involviert und nicht so sehr in die Materie, in welchem Team ich letztendlich unterkomme."

"Dann geht es darum, hinauszufahren, die Regeln zu befolgen und Farbe zu bekennen. In diesem Fall ist das sicher sehr interessant. Wir werden den V6-Turbomotor schon bald zur Verfügung haben. Wenn ich 'bald' sage, dann meine ich: Das Aggregat sollte vor dem Dezember bereit sein. Im Dezember wollen wir den Motor testen. Ich werde diese Probefahrten durchführen."

Noch in diesem Jahr wird getestet

Frage: "Und wo werden diese Testfahrten stattfinden?"
Alesi: "Wahrscheinlich in den Vereinigten Staaten. Das erste Rollout wird in Großbritannien durchgeführt, weil alles so neu ist. Es sieht ganz danach aus, dass die Einpassung des neuen Turbomotors in das Chassis nicht gar so einfach ist."

"Honda war schon mit Wheldon (Dan Wheldon; Anm. d. Red.) auf der Strecke. Er absolvierte das erste Rollout. Dabei hatten sie ein paar Probleme. Wir werden also nicht in den Vereinigten Staaten sein und uns stattdessen mit unserem Motoren-Bauer kurzschließen. Gewisse Schwierigkeiten aus der Ferne zu lösen, könnte zu viel Zeit kosten."

Frage: "Warum wirst du nicht gleich eine komplette Saison bestreiten, sondern nur ein Rennen?"
Alesi: "Weil alles neu für mich ist. Besser, nur einmal an den Start gehen, als vielleicht kein gutes Gefühl für eine andere Rennstrecke zu haben. Ich halte Indianapolis für eine einmalige Strecke, wo ich doch keine Erfahrung damit habe. Ich möchte mich auf diesen Kurs vorbereiten. Deshalb ist dies mein einziger Versuch."

"Ich möchte mich auf diesen Kurs vorbereiten. Deshalb ist dies mein einziger Versuch." Jean Alesi

Frage: "Weißt du schon, für welches Team du antreten wirst?"
Alesi: "Im Augenblick arbeitet Lotus mit KV zusammen. Ich werde natürlich einen Lotus fahren, denn das ist nun einmal die Ausgangslage."

Frage: "Hast du dir schon ein paar Videos dazu angesehen?"
Alesi: "Ich habe bereits einige Filme gesehen. Ich respektiere all dies sehr. In sämtlichen Jahrzehnten gab es bisher andere Geschichten. Die Sicherheit wurde immer wieder verbessert. Sie veränderten die Mauern."

"Das neue Aero-Kit von Dallara soll vor Überschlägen schützen und verhindern, dass jemand von hinten auf dich drauffliegen kann. Die Sicherheit hat sich für die Fahrer wirklich dramatisch verbessert. Ich denke, auch das entwickelt sich in eine gute Richtung."

Frage: "Warst du schon einmal in Indianapolis?"
Alesi: "Ja, aber auf der anderen Seite und in nur einer Kurve..."

Erlag Alesi einer Verlockung?

Frage: "Führte dich die Aussicht auf fünf Millionen US-Dollar für einen Gaststart beim IndyCar-Rennen in Las Vegas in Versuchung?"
Alesi: "Eigentlich nicht. In Monza sprach ich mit Randy Bernard (IndyCar-Serienchef; Anm. d. Red.) und sagte ihm, dass ich an einem solchen Rennen kein Interesse habe. Mir geht es nicht um das Geld. Ich möchte einfach nur in Indianapolis fahren. In Las Vegas sind die Kurven anders geformt und auch das Banking ist anders als in Indianapolis."

Frage: "Machte deine Le-Mans-Teilnahme Lust auf mehr?"
Alesi: "Ich war im vergangenen Jahr mit einem GT-Fahrzeug am Start. Um ehrlich zu sein: Es war eine fantastische Woche, doch gemeinsam mit den Prototypen auf der Strecke zu sein, war ganz schön schwierig. Ich fuhr einen GT, doch einen Prototypen zu fahren ist sicher auch sehr knifflig. Wir sahen es bei McNish (Allan McNish; Anm. d. Red.) in diesem Jahr."

"Ich fuhr einen GT, doch einen Prototypen zu fahren ist sicher auch sehr knifflig." Jean Alesi

Frage: "Was war dein bis dato letztes Formel-Rennen?"
Alesi: "Suzuka 2001."

Frage: "Wie wirst du dich auf die 800 Linkskurven vorbereiten?"
Alesi: "Auf körperlicher Seite muss ich einzig und alleine etwas Gewicht verlieren. Im Oktober werde ich mit meinem Fahrrad auf Sizilien aktiv sein."

"Gemeinsam mit meinem Trainer werde ich die Sizilien-Tour bestreiten. Wichtig ist darüber hinaus der Aufbau von Muskeln. Da musst du stark sein, falls es zu einem Unfall kommt, aber nicht, weil die Arbeit am Lenkrad so hart wäre. Ich sprach mit den Ingenieuren und sie sagten mir, dass die Autos recht einfach zu fahren seien. Es sei nicht so anstrengend."

"Mental ist es aber durchaus fordernd. Wenn du deinen Kopf nicht alleine hochhalten kannst, gibt es eine Stütze. Also ist auch das kein Problem. Ich werde allerdings versuchen, meinen Nacken so zu stärken, dass ich meinen Kopf aufrecht halten kann."

Großes Trainingsprogramm vor dem Start

Frage: "Wie viele Stunden wirst du vor dem Rennen im Simulator verbringen?"
Alesi: "Das Programm orientiert sich an Tagen. Wir beginnen um neun Uhr morgens und hören um sechs Uhr abends auf. Dazwischen gibt es eine Stunde Pause."

"Zuletzt fuhr ich 165 Runden und lernte einfach nur unterschiedliche Setups kennen, unterschiedliche Benzinlevels und den Verschleiß der Reifen. Das waren die Themen bei unserer ersten Session. Beim nächsten Mal werde ich dann schon meinen Renningenieur bei mir haben, dass ich eine Beziehung zu ihm aufbauen und sehen kann, was es braucht."

"Beim nächsten Mal werde ich dann schon meinen Renningenieur bei mir haben." Jean Alesi

Frage: "Glaubst du, dein Fahrstil passt zu Indianapolis?"
Alesi: "In meiner Karriere holte ich zwei Pole-Positions - beide in Monza. Als ich das erste Mal im Simulator fuhr, kam ich auf 370 km/h. In der Formel 1 waren es 367 km/h."

"Die Geschwindigkeit ist also mehr oder weniger die gleiche. Der Unterschied ist, dass ich früher auch noch bremsen und die Richtung wechseln musste. Die Fähigkeit und das Gefühl für wenig Abtrieb ist etwas, das ich sehr mag. Strecken mit wenig Abtrieb liebte ich sehr. Indianapolis wird eine neue Erfahrung für mich."

Frage: "Könntest du dir vorstellen, über 2012 hinaus Rennen zu fahren?"
Alesi: "Ich bin ein großer Motorsport-Fan. Ich liebe es, Rennen zu fahren. Ich war schon oft versucht zu sagen, 'jetzt ist es vorbei'. Dann entspannte ich mich aber immer wieder und dachte: 'Warum sollte ich sagen, dass ich aufhöre?' Ich kann noch viele Rennen bestreiten, während ich immer älter werde. Im Augenblick ist mein Ziel schlicht der 27. Mai 2012."