• 07.12.2014 10:23

  • von Edi Nikolic

Palmer und der Formel-1-Aufstieg: "Es geht nur mit viel Geld"

GP2-Champion Jolyon Palmer spricht im Interview über seine Chancen in der Formel 1 und berichtet vom ersten Test für Force India

(Motorsport-Total.com) - Jolyon Palmer steht vor einem Dilemma. Obwohl er 2014 in überzeugender Manier den Titel in der GP2 gewonnen hat, ist wie bei seinen Vorgängern Fabio Leimer und Davide Valsecchi ein direkter Aufstieg in die Formel 1 nicht in Sicht. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht Palmer über seiner Optionen in der Königsklasse und erklärt, warum er einen soliden Testfahrerjob einem Renncockpit bei einem Hinterbänklerteam vorziehen würde.

Titel-Bild zur News: Jolyon Palmer

Jolyon Palmer gewann im vierten Anlauf die GP2-Meisterschaft Zoom

Außerdem blickt der 23-Jährige auf seine GP2-Saison zurück, in der er durch konstant starke Leistungen schon früh auf dem Weg zum Titel war. Außerdem berichtet Palmer von seinem ersten Formel-1-Test für Force India, bei dem ihn vor allem das hohe Drehmoment des Turbo-Hybrid-Antriebs überrascht hat.

Frage: "Jolyon, du hast unmittelbar nach dem Saisonfinale deine ersten Runden in einem Formel-1-Auto gedreht. Wie war für dich die Umstellung von der GP2?"
Jolyon Palmer: "Ich denke, ich habe es ziemlich gut hinbekommen, obwohl ich ja nicht sehr viele Runden drehen konnte. Die ganzen Abläufe sind durchaus vergleichbar und auch was den Kurvenspeed betrifft, ist da nicht wirklich ein Unterschied. Das einzige, dass mich wirklich überrascht hat, ist das Drehmoment und die Leistung des Turbo-Hybrids. Da muss man mit dem Gasfuß schon unheimlich sensibel umgehen und man hat ständig durchdrehende Räder."

Frage: "Du hattest 2014 eine fantastische Saison in der GP2. Wie ist das Gefühl, amtierender Champion der offiziellen Formel-1-Nachwuchsserie zu sein?"
Palmer: "Es fühlt sich unglaublich an. Der Wettbewerb war in der GP2 schon immer sehr groß, aber speziell in dieser Saison war die Leistungsdichte so groß wie schon lange nicht mehr. Ja, ich bin wirklich glücklich, weil wir immer konkurrenzfähig waren und kaum Fehler gemacht haben."

Jolyon Palmer

Jolyon Palmer sicherte sich schon in Sotschi den Titel der GP2 Zoom

Frage: "Du hast insgesamt zwölfmal auf dem Podium gestanden, davon viermal ganz oben. Was war das Geheimnis deines Erfolgs?"
Palmer: "Immer und überall anzugreifen, ständig auf Sieg zu fahren und sich von vornherein nicht mit Platz zwei zufrieden zu geben. Wir hatten einen tollen Saisonstart in Bahrain, dann ging es auch in Barcelona, Monte Carlo und in den darauffolgenden Rennen gut weiter."

"Wir waren in der Lage, um jede Pole-Position und damit um den Sieg im Hauptrennen zu kämpfen und wenn wir nicht gewonnen haben, sind wir meistens zumindest Zweiter oder Dritter geworden. Der einzige Fehler ist uns in Monza passiert, wo wir zu wenig Sprit getankt hatten und von ganz hinten starten mussten. Aber sogar dort haben wir das Ruder noch herumgerissen und mit einem Sieg im Sprintrennen abgeschlossen."

"GP2 ist die stärkste Nachwuchsserie"

Frage: "Bei so viel starken Fahrern in der Serie: Ab wann war diese rekordverdächtige Saison für dich abzusehen?"
Palmer: "Ich wusste schon vergangenes Jahr, als ich die Saison mit Carlin wirklich gut abgeschlossen hatte, dass es 2014 möglich sein sollte, die GP2 zu gewinnen. Insbesondere mit DAMS, die aus mir wirklich noch einmal alles herausgeholt haben. Ich bin also absolut zuversichtlich in die Saison eingestiegen, wusste, was ich zu tun hatte und hab es ohne Fehler hinbekommen."

Frage: Die GP2 ist wieder unbestritten die Nummer 1 unter den Nachwuchsserien mit den besten Leuten aus der Renault-World-Series, der GP3 und der Formel 3. Und trotzdem ist ein Titelgewinn hier noch nicht gleichbedeutend mit dem Aufstieg in den Grand-Prix-Zirkus..."
Palmer: "Zunächst bin ich einmal froh über mein eigenes Leistungsniveau, das ich gegen diese Fahrer zeigen konnte. Wir wissen, dass Nasr 2015 in der Forme 1 sein wird und, dass in den nächsten Jahren auch einige andere aus der GP2 folgen werden, hoffentlich mich eingeschlossen. Ich bin also glücklich, dass ich mich gegen all diese Fahrer ziemlich überzeugend durchsetzen konnte."

"Die GP2 ist definitiv wesentlich stärker besetzt als all die anderen Nachwuchsklassen, aber wir müssen auch verstehen, dass es in der Formel 1 gerade jetzt ums Geld geht. Wenn man also nicht in einem Nachwuchsprogramm unterwegs ist, wie Verstappen, den man schon nach einem Jahr im Rennauto in die Formel 1 holt, geht es nur mit viel Geld. Es ist natürlich enttäuschend, wenn man einen Nasr im direkten Kampf ganz klar beherrscht hat und er dann noch vor mir mit einem Riesenbudget in die Formel 1 aufsteigt. Wie auch immer: Ich kann auf meine eigene Leistung stolz sein und konzentriere mich jetzt einzig und allein auf meine eigenen Möglichkeiten."


Fotostrecke: Alle Meister der Formel 2/GP2 seit 2005

Frage: Wie realistisch würdest Du Deine Perspektiven im Moment einschätzen?
Palmer: "Ich habe schon ein paar Optionen in die Formel 1 aufzusteigen. Im Moment aber noch nicht in der Rolle eines Grand-Prix-Piloten. Von den Renncockpits sind 18 bereits voll, da schaut es also nicht gut aus. Die einzige Chance wäre natürlich das vor kurzem diskutierte Konzept mit den drei Autos pro Team oder es tut sich bei Caterham und Marussia noch einmal etwas."

"Realistisch betrachtet wird es aber auf eine Ersatzfahrerrolle hinauslaufen, wobei es wichtig ist, es unter den richtigen Voraussetzungen zu tun. Mit vielen Testkilometern und einer realistischen Chance, 2016 aufzusteigen. 2015 ist vermutlich das schwierigste Jahr in dieser Hinsicht, mit so wenigen Cockpits und einer extrem starken Abhängigkeit von Sponsorengeldern."

Renncockpit in der Formel 1 nicht um jeden Preis

Frage: Mit der Unsicherheit am Ende des Feldes ist es schwierig, die besten Perspektiven abzuwägen. Kann man aus deinem Testeinsatz bei Force India schon ein wenig deine grundsätzliche Herangehensweise herauslesen?"
Palmer: "Genau das ist der Punkt. Da gibt es momentan so viele Fragezeichen am hinteren Ende des Feldes. Marussia hat die letzten Rennwochenenden auslassen müssen. Caterham hat es gerade noch nach Abu Dhabi geschafft, wobei ich keine Ahnung habe, ob sie in der nächsten Saison noch am Start sein werden."

Jolyon Palmer

In Abu Dhabi testete Jolyon Palmer für Force India Zoom

"Das heißt, wenn es zusätzlich zu den 18 Renncockpits noch weitere geben sollte werden wir genau abwägen, ob ich unter den gegebenen Umständen auch in der Lage sein könnte, meine fahrerischen Fähigkeiten zu zeigen. Sollten die Voraussetzungen nicht gegeben sein, wäre ich lieber Testfahrer in einem besseren Umfeld, um mich perfekt auf meine Zukunft vorbereiten zu können."

Frage: Du bist ein echter Vollblut-Racer, aber andererseits auch ein wohl erzogener junger Mann. Gibt es noch etwas, das man über dich wissen sollte?"
Palmer: "Ich betreibe generell viel Sport, spiele Fußball und verfolge natürlich auch den Profisport im Fernsehen. Das heißt, ich bin auf dem Gebiet also ziemlich normal gestrickt. Außerdem komme ich abseits der stressigen Rennwochenenden auch gerne mit Freunden zusammen und genieße dann auch meine Freizeit."

Frage: "Und ich denke, Du hast es als Engländer auch genossen, dass Dein Landsmann, Lewis Hamilton am Ende seinen Titel in der Tasche hatte."
Palmer: "Es ist fantastisch, dass es Lewis geschafft hat, aber dann gab es auch noch Alex Lynn, der die GP3 gewonnen hat und mich in der GP2. England hat in Abu Dhabi also, wenn man so will, einen Hattrick geschafft."