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  • 13.09.2013 19:21

  • von Dieter Rencken

Formel E: Berlin, London, Miami...

Interview mit Formel-E-Boss Alejandro Agag: Wie die zehn Rennen der ersten Saison zum Spektakel werden sollen - Ein schnelles Auto, ein langsameres?

(Motorsport-Total.com) - Im Spätsommer des kommenden Jahres soll die Formel E ihren Betrieb aufnehmen. Über den Winter sind zehn Rennen auf Stadtkursen geplant. Der Kalender für das Debütjahr ist nahezu fertiggestellt. Unter anderem tauchen die Namen Berlin, London und Los Angeles in der Liste auf. Auf der IAA in Frankfurt wurde nun der Spark-Renault SRT_01E vorgestellt - jenes Auto, das rein elektrisch für Spektakel sorgen soll. Am Rande der Autoshow traf sich 'Motorsport-Total.com' mit Formel-E-Geschäftsführer Alejandro Agag zum Interview.

Titel-Bild zur News: Alejandro Agag

Formel-E-Geschäftsführer Alejandro Agag bei der Vorstellung am Dienstag Zoom

Frage: "Alejandro, haben Sie das Auto hier nun zum ersten Mal gesehen?"
Alejandro Agag: "Ja, am Vorabend der Präsentation war das. Ich bin zur IAA gekommen und dann stand da dieses Auto - unter einer DHL-Abdeckung allerdings. Ich habe vorsichtig unter das Tuch geschaut. Das war das erste Mal, dass ich das neue Auto gesehen habe. Vorher kannte ich es nur von Fotos, aber ich war natürlich in den Designprozess involviert. Mein Team hat den Wagen auch erst in der vergangenen Woche erstmals zu Gesicht bekommen."

"Das Auto ist im August aufgebaut worden. Die Vorstellung auf der IAA ist ein Meilenstein für uns. Wir haben das Auto, können es zeigen. Dadurch wird das gesamte Projekt realer. Wir haben verschiedene Phasen durchlaufen. In der ersten Phase hieß es: 'Das wird niemals etwas'. In der zweite Phase sagte man, dass es 'vielleicht klappen könnte'. Jetzt ist die Phase, wo es heißt, dass es 'so aussieht, als würde es tatsächlich etwas werden'."

"Ich hoffe, dass wir nun den Schritt schaffen zu einem Abschnitt, der bedeutet, dass es wirklich alles funktioniert. So weit sind wir aber derzeit noch nicht. Jeder einzelne Schritt bringt uns aber diesem Ziel etwas näher. Es ist vor allem wichtig, welchen Eindruck die Menschen, die Partner, die Vertreter der Industrie bekommen. Es geht um Akzeptanz. Die Vorstellung des Autos auf der IAA ist ein wichtiger Schritt hin zur Feststellung, dass unsere Meisterschaft in die Realität umgesetzt wird."

Zehn Rennen in der ersten Saison

Frage: "Ihr habt wichtige und große Partner hinzugewonnen, obwohl die Meisterschaft noch gar nicht existiert. Wie habt ihr das geschafft?"
Agag: "Das ist eine wirklich tolle Entwicklung für uns. Das war von Anfang an unsere Hoffnung - oder sagen wir: unsere Idee. Wir hatten uns gedacht, dass die erste Motorsportserie der Welt mit Null-Emmission-Championat solche Unternehmen anziehen könnte. Sicher waren wir allerdings nicht. Heute sind wir natürlich viel sicherer, dass solche Unternehmen an Bord sein werden."

"Es stimmt schon, dass wir bisher noch kein einziges Rennen hatten. Wir sind sogar vom Start der Meisterschaft noch ein Jahr entfernt. Dass es jetzt schon solche Partner auf dem Auto gibt, die unser Konzept unterstützen, ist ein klares Signal, dass es ein hohes Potenzial besitzt. Wir müssen nun Leistung bringen. Die Partner sind da und sie mögen uns. Sie wetten sozusagen auf unser Konzept, auf unsere Idee. Diese Idee muss nun Realität werden. Wir müssen im kommenden Jahr 20 Autos in zehn Städten weltweit fahren lassen."

Formel e formula E

Plane von DHL: Der Logistikpartner der Serie steht sichtbar fest Zoom

Frage: "Zehn Rennen stehen fest?"
Agag: "Das wird der Start sein. Im ersten Jahr sollen es zehn Rennen sein. Es gibt die Versuchung, mehr als zehn zu machen, aber der widerstehen wir. Wir wollen es nicht übertreiben und nicht zu viel machen. Allein zehn Rennen sind schon viel. Wenn wir zehn Rennen gut organisiert und umgesetzt bekommen, dann ist das schon eine tolle Leistung. Ich persönlich hätte gern nur acht gehabt. Nun machen wir zehn. Das schaffen wir, aber mehr als zehn sicher nicht. Im zweiten Jahr sollen es dann zwölf Rennen sein."

WEC-Piloten sollen Formel E fahren

Frage: "Die Saison läuft 2014 von September bis..."
Agag: "...bis Juni. In der ersten Saison haben wir also ein Rennen pro Monat. Im Folgejahr ist es dann ein Rennen circa alle drei Wochen."

Frage: "Warum haben Sie diesen Zeitraum anvisiert? Um der Formel 1 aus dem Weg zu gehen?"
Agag: "Natürlich ist einer der Gründe, nicht mit der Formel 1, der WEC oder anderen Serien zu kollidieren. Die WEC ist für uns mehr relevant als die Formel 1, weil Fahrer beide Serien fahren können. Kein Formel-1-Pilot wird beide Serien fahren, einige WEC-Fahrer aber sicherlich schon. Auch IndyCar-Fahrer könnten beides machen, oder zumindest an ein paar Rennen teilnehmen."

"So macht es also Sinn für uns. Auch in Sachen TV-Vermarktung ist es natürlich besser, wenn nicht gleichzeitig die Formel 1 oder anderer Rennsport läuft. Das alles ist auch Teil der Philosophie unserer Serie. Wir wollen anders sein, wollen nicht den Wettbewerb mit anderen Serien. Ganz sicher werden wir nicht in Konkurrenz zur Formel 1 auftreten, auch nicht als Konkurrent anderer Serien. Wir wollen anders sein, unsere eigenen Features haben. Das unterscheidet uns eben von anderen."

Frage: "Wie schwierig ist es, einen Rennkalender aufzustellen?"
Agag: "Das ist dermaßen schwierig - und dabei geht es bei uns nur um zehn Rennen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie schwierig das erst bei Serien ist, die 20 Rennen planen müssen. Und wir müssen uns um Terminkollisionen nicht einmal Sorgen machen. Unsere Rennen finden an Samstagen statt. Wir haben also nie Kollisionen mit Renntagen anderer Serien. Und dennoch ist es schwierig. Man muss Wetterbedingungen beachten, muss Ferienzeiten im Auge haben, muss andere Sportarten in den jeweiligen Ländern berücksichtigen. Unser Kalender wird am 27. September stehen."


Fotos: Präsentation des Spark-Renault SRT_01E


Vorerst nicht in Afrika und Australien

Frage: "Ist dies dann ein provisorischer Kalender?"
Agag: "Nein, nicht provisorisch. Der Kalender, über den am 27. September abgestimmt wird, ist endgültig."

Frage: "Wo werden die Rennen stattfinden?"
Agag: "Zwei in Nordamerika, zwei in Südamerika, drei in Asien und drei in Europa."

Frage: "Die Städte stehen bereits fest?"
Agag: "Ja, wir haben die zehn Schauplätze zusammen. Es stehen noch nicht alle Streckenführungen fest. Bei acht der zehn Schauplätze sind die Strecken aber sogar schon durch eine erste Besichtigung durch die FIA abgenommen. Wir stehen ganz gut da. An den meisten Orten haben wir professionelle Partner, die die Rennen veranstalten."

"Das sind Unternehmen, die beispielsweise schon solche City-Racing-Events gemacht haben. Das ist wichtig, denn so etwas ist nicht gerade leicht. Man braucht gute Ortskenntnis und naheliegende Kontakte. Wir arbeiten also immer mit Leuten vor Ort zusammen. In jedem Land sind es andere Leute, die genau wissen, wie man so etwas am besten umsetzen kann. Wir bekommen quasi schlüsselfertige Strecken vorbereitet, wo alles organisiert ist."

" Wir bekommen quasi schlüsselfertige Strecken vorbereitet." Alejandro Agag

Frage: "In welchen Städten gastiert die Formel E?"
Agag: "In den USA werden es Los Angeles und Miami sein, in Südamerika steht Buenos Aires fest. Das zweite Rennen dort haben wir noch nicht verkündet. Es ist nicht in Brasilien. In Europa fahren wir in Berlin und London. Rom wird wohl nicht klappen, aber wir haben einen anderen Schauplatz, den wir bald verkünden werden. In Rom gibt es einen neuen Bürgermeister, der nicht solch großes Interesse hat wie sein Vorgänger."

Wenn die Schwiegermutter...

Frage: "Ihre Schwiegermutter ist Bürgermeisterin von Madrid..."
Agag: "Ja, das stimmt, aber trotzdem werden wir nicht in Madrid fahren. Wir wollen keinerlei Interessenkonflikte oder Ähnliches. In Asien werden wir in Peking fahren, außerdem in Putrayaya in Malaysia. Hinzu kommt wohl Hongkong. Diese Option schauen wir uns jedenfalls genau an. In Australien fahren wir im ersten Jahr nicht, aber es ist wahrscheinlich, dass wir im zweiten Jahr in Adelaide fahren werden. Im zweiten Jahr wollen wir auch in Afrika sein. Erste Option wäre Südafrika, aber wir haben auch gewisse Möglichkeiten in Marokko."

Frage: "Es fährt sonst keine FIA-WM in Afrika..."
Agag: "Wir wollen unbedingt ein Rennen in Afrika. Es ist auch ein Kontinent. Und bei einer richtigen weltweiten Meisterschaft muss man auch Rennen in Afrika und Australien haben."

Frage: "Das Unternehmen Qualcomm, das die Formel E mit kabellosen Lademöglichkeiten versorgt, ist als Partner an Bord. Spielt das bei den Rennen eine Rolle?"
Agag: "Zu Beginn wird das erst einmal im Rennbetrieb noch keine Rolle spielen. Die Autos laufen 20 Minuten und jeder hat zwei Autos. Rechnet man Einführungsrunde und Boxenstopps hinzu, so dauert ein Rennen dann etwa eine Stunde. Wir basteln immer noch an dem Konzept. Die Tatsache, dass wir die erste Serie sind, wo ein Fahrer in zwei Autos fährt, bringt interessante Faktoren mit hinein."

Formel E Formula E

Auf der IAA in Frankfurt im Fokus: Der Spark-Renault der Formel E Zoom

"Die Autos könnten leistungsmäßig etwas unterschiedlich sein. Ein Auto ist vielleicht etwas schneller, das andere läuft vielleicht etwas länger. Eines könnte sozusagen das Sprintauto sein, das andere das Langstreckenauto. Vom Grundsatz her sind sie aber identisch. Nur der Fahrer wird wissen, in welchem er gerade sitzt. Das bringt in Bezug auf die Strategie natürlich sehr interessante Optionen, wann welcher Fahrer welches Auto verwendet."

Ein schnelles Auto, ein langsameres

Frage: "Also haben wir eine gewisse Varianz beim Tempo..."
Agag: "Ja, genau. Bei Elektrofahrzeugen stehen Speed und Reichweite in direkter Relation. Unsere Autos könnten Stunden fahren, wenn wir nur 100 km/h herausholen. Wenn man nur 20 Minuten fährt, aber richtig Druck macht, dann ist die Batterie früher leer. Es wird immer mindestens zwei Boxenstopps geben - nicht nur einen. Die Fahrer werden das Auto nicht wechseln, weil die Akkus leer sind, sondern wann immer sie wollen - entsprechend ihrer Strategie."

"Wenn im ersten Auto noch Kapazität übrig ist und sie springen ins zweite Auto für den zweiten Stint, dann können sie im letzten Stint nochmal auf das andere wechseln. Jeder Boxenstopp bringt neue Dinge mit sich, es wird viel Strategie im Rennen geben. Wir wollen möglichst viel aus der Tatsache machen, dass wir jeweils zwei Autos haben. Dies hat natürlich auch Nachteile, aber eben auch Vorteile und Möglichkeiten, die es zu erforschen gilt."

Frage: "Wie kann man dem Publikum diese neuen Aspekte nahebringen?"
Agag: "Wir wollen solch ein Rennen zu einem ganz neuen Erlebnis machen. Qualcomm wird uns dabei helfen. Die Menschen können das Rennen auf ihren Handys oder Tablets verfolgen. Wir wollen, dass die Fans die gleichen Daten vor Augen haben wie die Teamchefs. Es soll interaktive Möglichkeiten geben. Zum Beispiel, dass Fans in einem Kanal abstimmen können und so ihrem Lieblingsfahrer zu einem zusätzlichen Push-to-Pass verhelfen. Sie werden online spielen können. Wir arbeiten an einem Computerspiel, in dem die Fans mit einem virtuellen Fahrzeug am echten Rennen teilnehmen können. Es gibt diverse Ideen, wie wir unsere Serie zu einem neuen Erlebnis machen."

"Wir wollen, dass die Fans die gleichen Daten vor Augen haben wie die Teamchefs." Alejandro Agag

"Generation Digital" ist Zielgruppe

Frage: "Wie sieht es mit der TV-Präsenz aus?"
Agag: "Im Bereich TV sieht es sehr gut aus. Wir haben eine Vereinbarung mit Fox Sports unterzeichnet, sodass wir in den USA zu sehen sein werden. Das ist der Schlüssel. Sie zeigen uns auch in 87 weiteren Ländern in Asien, Afrika und Südamerika. In Europa ist Italien mit in diesem Paket. Die anderen europäischen Sender gehen wir Schritt für Schritt an. In einigen Ländern haben wir noch Rechte zu vergeben. Zum Beispiel für das Free-TV in Asien. Aber das meiste ist bei Fox."

"Fox steht voll hinter uns. Sie wollen unbedingt dabei sein, weil sie einen neuen weltweiten Kanal namens Fox Sport 1 aufmachen. Sie haben einige andere aufgekauft. In Asien haben sie Star die ESPN-Sparte abgenommen, in Europa haben sie Sky und in Lateinamerika ist Fox Sports der stärkste Kanal. Sie wollen das alles unter einer Marke bündeln. Sie haben zum Beispiel die Ultimate-Fighting-Championship und einige andere Sportarten. Sie wollten auch eine weltweite Motorsportserie. Und das sind wir."

Formel E

Futuristisches Design: Der Formel-E-Bolide sieht ungewöhnlich aus Zoom

Frage: "Den Sender Speed haben sie aber gerade erst zugemacht..."
Agag: "Ja, Speed haben sie dichtgemacht. Das wird jetzt auch Fox Sports 1. Wir kommen also im passenden Moment. Wir haben eine enge Bindung und sie helfen uns bei der Promotion der Serie - was natürlich sehr gut ist. Jetzt schauen wir, wie wir uns in europäischen Ländern entsprechend darstellen können. Wir erwarten 20 bis 25 Millionen Live-Zuschauer bei jedem Rennen. Es sollten zu gleichen Teilen weibliche und männliche Zuschauer sein, vornehmlich unter 30 Jahren. Also die Generation, die im digitalen Zeitalter lebt und es liebt."

Frage: "Wie hört sich das Auto an?"
Agag: "Wie ein Jet."