Abt: "Mein Ziel ist die Formel 1"
Daniel Abt erlebte als Gesamtsiebter eine schwierige erste Saison in der Formel-3-Euroserie und gibt im Interview Auskunft über seine Pläne für die Zukunft
(Motorsport-Total.com) - Für Signature-Pilot Daniel Abt verlief die Saison 2011 in der Formel-3-Euroserie enttäuschend. Mit seinem Dallara-Volkswagen hatte der Sohn von Hans-Jürgen Abt gegen die Dallara-Mercedes über weite Strecken keine Chance. Ob er auch in der Saison 2012 in der Euroserie an den Start gehen wird, ist unklar. Der 18-Jährige sieht sich auch nach Alternativen um und hat dabei zwei Rennserien ganz oben auf seiner Liste stehen.
© Formel-3-Euroserie
Daniel Abt hat ein großes Ziel und will seinen eigenen Weg gehen
Im Interview spricht Abt über seine Saison in der Euroserie, über die Lehren, die er daraus zieht sowie seine Pläne für die mittelfristige und langfristige Zukunft.
Frage: "Daniel, was in diesem Jahr hat so funktioniert wie du es wolltest?"
Daniel Abt: "Um ehrlich zu sein, nicht viel. Der Start in das Jahr war schon schwierig und irgendwie ein Dämpfer. Wir haben dann natürlich probiert uns wieder heran zu kämpfen und den Rückstand aufzuholen. Es sah auch gar nicht so schlecht aus. Bis zum Norisring wurden wir besser und besser und waren dann auch einigermaßen dran. Aus unerklärlichen Gründen sind wir seit dem Norisring an jedem Rennwochenende gut eine Sekunde hinterher gefahren und mussten immer die vier Mercedes-Autos vor uns lassen. Das hat dann natürlich schon ein bisschen Frustration ins Team gebracht und war nicht wirklich einfach."
Frage: "Vor Beginn der Saison galt Signature als Team, wo man sein muss. Ist es rückblickend für dich in etwa so verlaufen wie am Roulette-Tisch: Du hast auf Rot und Schwarz setzen können und hast leider die falsche Farbe erwischt?"
Abt: "Im Nachhinein ist man immer schlauer. Für mich war im letzten Jahr klar, dass ich einen Volkswagen-Motor fahren möchte. Zudem war Signature das Meisterteam. Zu diesem Zeitpunkt war es also definitiv die richtige Entscheidung. Dass dann ein neuer Reifen kommt, der uns doch recht große Schwierigkeiten bereitet, das wusste natürlich vorher keiner. Das haben wir uns mit Sicherheit nicht ausgesucht, aber es ist irgendwo auch prägend und man lernt dazu, wenn man auch einmal so ein Jahr durchlebt und nicht immer im besten Auto sitzt."
Frage: "Wie bringst du dich dazu, nach diesem Ärger wieder nach vorn zu blicken und etwas anderes zu probieren, dass dich in die richtige Richtung führt?"
Abt: "Wenn ein Wochenende wirklich schlecht läuft, dann ist man schon einmal zwei Tage schlecht gelaunt, aber es hilft ja nicht, wenn man sich dann zuhause einsperrt und nur jammert. Man muss arbeiten und sein Bestes geben. Viel mehr kann man nicht tun. Wenn dann nichts Besseres dabei herauskommt, sind vielleicht auch die Umstände ein bisschen schuld. Wichtig ist, dass man für sich selbst einfach weiß, dass man 100 Prozent gibt und dass man voll da ist. Man muss natürlich auch schauen, dass der Zusammenhalt im Team bleibt und dass die Leute motiviert bleiben, sonst geht es einfach nicht."
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Abt stand mit dem Dallara-Volkswagen von Signature auf verlorenem Posten Zoom
Frage: "Machst du dir Gedanken darüber, dass nach der ersten Saison deiner Karriere, in der die Dinge nicht immer optimal liefen, etwas der Schwung raus sein könnte?"
Abt: "Nein. Ich bin überzeugt von mir und von dem, was ich kann. Während der vergangenen zwei Jahre hatte ich immer gute Umstände und konnte zeigen, dass ich kein schlechter Rennfahrer bin. Wenn dann einmal so ein Jahr wie dieses kommt, ist das natürlich nicht optimal. Ich glaube aber, es wäre schlimmer, wenn das jetzt mein zweites oder drittes Jahr in der Euroserie gewesen wäre. So gesehen habe ich es wohl noch ein bisschen besser erwischt als beispielsweise meine Teamkollegen. Ein solches Jahr hilft mir aber natürlich persönlich weiter, weil man lernt, mit einem schlechten Jahr umzugehen. Die beste Antwort wäre, im nächsten Jahr gestärkt daraus hervorzugehen und allen zu beweisen, dass es doch anders geht."
Frage: "Es heißt im Motorsport immer, wenn du Erfolg hast, hast du viele Freunde. Wenn du weniger Erfolg hast, gibt es mehr Leute, die alles besser wissen, aber das sind keine Freunde. Hast du das auch so festgestellt?"
Abt: "Natürlich wird man anders wahrgenommen wenn man alles gewinnt oder regelmäßig vorn mitfährt. Dann kommen viele Schulterklopfer und sagen: Du bist ein ganz Toller. Wenn es dann schlecht läuft, gibt es viele, die dann nicht mehr kommen oder schlecht reden. Die Leute, die mir wichtig sind - mein Umfeld und meine Familie - stehen aber komplett zu mir. Da gibt es keinen, der jetzt Druck auf mich aufbaut, weil es nicht läuft. Vielmehr stehen diese Leute hinter mir, was es für mich um einiges einfacher macht."
Frage: "Ist Roberto Merhi so viel besser als alle anderen oder ist er einfach zur passenden Zeit im passenden Team und hat den passenden Gasfuß erwischt?"
Abt: "Das ist schwer zu beurteilen. Dazu müsste man im gleichen Auto sitzen. Wenn man es von außen betrachtet, sieht man natürlich schon, dass sein Auto sehr gut funktioniert und dass er in diesem Jahr scheinbar wirklich im richtigen Auto sitzt. Gleichzeitig befindet er sich auf einem Höhenflug und kann es wirklich umsetzen. Man kann es hindrehen, wie man will. Unterm Strich hat er seine Sache gut gemacht und alles gewonnen. Dazu muss man ihm gratulieren und den Hut ziehen. Er ist Meister und das zählt am Ende."
Frage: "Mit welchen Erwartungen gehst du nach Macao? Da gibt es ja in Erinnerung an das vorige Jahr sicher eine Ecke, an die du denken wirst oder?"
Abt: "Absolut. Macao war schon ein Highlight. Da hat man gesehen, was theoretisch drin ist. Ich habe es im vorigen schon geschafft, kurzzeitig Führungsluft zu schnuppern. Also spricht nichts dagegen, warum das in diesem Jahr anders sein sollte. Zudem komme ich in diesem Jahr mit deutlich mehr Erfahrung dort hin. Man muss aber natürlich auch sehen, dass sehr viele gute Fahrer dort sind und in Macao alles passieren kann. Ich habe es im vergangenen Jahr besonders gemerkt: Ein kleiner Fehler und es ist ganz schnell vorbei. Unter normalen Umständen sollten wir aber vom Team her gut aufgestellt sein und ich werde natürlich alles geben, um einen einigermaßen würdigen Abschluss hinzubekommen."
Mehrere Optionen für 2012
Frage: "Was passiert mit dir im nächsten Jahr? Glaubst du, dass die Formel-3-Euroserie durch die neuen Autos eine schwierige Serie sein wird?"
Abt: "Ich würde sagen, die gesamte Szene ist im Moment sehr schwierig einzuschätzen. Man weiß nicht wirklich, wo man fahren soll. Es gibt einfach zu viele Serien. Wir hatten in diesem Jahr sehr wenige Fahrer in der Euroserie. Ich weiß noch nicht, wie es im nächsten Jahr weitergeht und ob da genügend Fahrer an den Start gehen werden. Dann gibt es natürlich noch andere Serien, die ich im Winter ausprobieren und mir bei Testfahrten ein bisschen anschauen werde. Im Moment ist es wirklich sehr schwer zu sagen, was Sinn macht. Fakt ist: Ich möchte im nächsten Jahr in einem Auto sitzen, mit dem ich gewinnen kann. Wenn so viele Neuerungen in eine Serie kommen, ist es aber nicht möglich vorauszusagen, welches Team das optimale Auto hinstellen wird."
Frage: "Du warst bei deinem Renault-World-Series-Test für Pons Racing als Rookie in Barcelona richtig gut unterwegs. Wäre diese Serie quasi als 'Nebenspur der GP2' denkbar, so wie es bei Sebastian Vettel oder Robert Kubica der Fall war?"
Abt: "Meiner Meinung nach ist diese Serie im nächsten Jahr sehr gut aufgestellt. Es kommt ein neues Auto, das im Vergleich zu einem GP2-Boliden nicht mehr viel langsamer ist. Zudem fährt die Serie auf tollen Strecken und ich glaube, dass auch die Fahrer, die dort im nächsten Jahr fahren werden, gut sind. Die Serie ist definitiv nicht schlecht und ich habe mich bei meinem Test wirklich wohl gefühlt, aber man muss es genau überlegen. Durch das neue Auto können sich auch dort wieder viele Dinge drehen. Ich werde jetzt einfach alle Serien ausprobieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Dann werden wir uns alle zusammensetzen und genau überlegen, was Sinn macht."
Frage: "Ist die GP2 für dich auch eine Option oder käme das zu früh?"
Abt: "Die GP2 wäre für mich meiner Meinung nach zu früh. Ich würde es mir schon zutrauen, so ein Auto fahren zu können, weil ich glaube, dass der Unterschied zu einem Fahrzeug aus der Renault-World-Series nicht mehr so groß ist. In der GP2 kommt man aber kaum zum Fahren und es gibt dort einfach Fahrer, die das Auto schon kennen. Für mich ist jetzt einfach wichtig, Erfahrung zu sammeln und viele Kilometer fahren zu können. In die GP2 musst du im Grunde als gemachter Rennfahrer einsteigen, um allen zeigen zu können, wo es langgeht. Das sollte das Ziel sein und dafür ist es meiner Meinung nach jetzt noch zu früh."
Frage: "Welche Serien außer der Renault-World-Series und der Formel-3-Euroserie kommen für dich für die nächste Saison in Frage?"
Abt: "Es gibt noch die GP3-Serie und die Britische Formel-3-Serie. Das sind für mich die Serien, die in Frage kommen, wobei ich nicht so der Fan von der Britischen Formel 3 bin. GP3, World Series und Euroserie sind die drei Dinge, zwischen denen ich jetzt überlege und die ich auch testen werde."
Kein Wechsel in den Tourenwagensport geplant
Frage: "Bei der Renault-World-Series steht Renault schon im Namen. Das ist nicht gerade die Marke, mit der Abt tagtäglich zu tun hat. Ist das ein Problem?"
Abt: "Das glaube ich nicht. Mein Ziel ist die Formel 1 und dort gibt es weder VW noch Audi. Aus diesem Grund wäre es für mich nicht sinnvoll, mich an die Marke zu binden. Wenn es so wäre, müsste ich in den Tourenwagensport wechseln. Natürlich haben wir eine familiäre Bindung, aber es ist nicht so, dass ich einen Vertrag mit Audi oder sonstwem habe. Ich gehe einfach meinen Weg, aber wenn Audi oder VW sich dazu entscheiden sollten, in die Formel 1 zu gehen, würde ich das natürlich sehr begrüßen. Solange sie dort nicht sind, muss ich einfach auf andere Aggregate und Hersteller zurückgreifen."
Frage: "Spätestens Paul di Resta hat gezeigt, dass der Weg in Richtung Formel 1 nicht nur über Formelserien sondern auch über die DTM führen kann. Wäre das für dich auch ein denkbares Szenario?"
Abt: "Das ist schwierig. Paul di Resta hat den Grundstein für die Formel 1 in der Formel-3-Euroserie gelegt. Er ist dort Champion geworden und hat Vettel geschlagen. Dann ist er einfach nicht zum richtigen Zeitpunkt dagewesen, weshalb es Vettel etwas leichter hatte. Ungeachtet dessen war der Weg geebnet und Mercedes hat ihn von Grund auf unterstützt. Wenn ich jetzt in die DTM gehen würde, wäre für mich klarerweise Audi das Ziel. Audi hat aber einfach nicht das Sprungbrett, um mich in die Formel 1 pushen."
Frage: "Hast du schon einmal ein DTM-Fahrzeug getestet?"
Abt: "Nein, ich saß noch nie in einem DTM-Auto außer einmal als Beifahrer. Ich hätte darauf schon einmal Lust, aber es wäre für mich eher Spaß. Es ist nicht so, dass ich sage, ich möchte jetzt unbedingt da rein. Ich möchte mich wirklich auf die Formel-Schiene konzentrieren, das weiterhin durchziehen und dann hoffentlich mein Ziel erreichen."