• 08.02.2011 12:37

  • von Roman Wittemeier

Zuversicht: Warum Kubica es schaffen kann

David Coulthard beschreibt spezielle Lenktechniken und Formel-1-Kräfte: "Robert kann es schaffen" - John Booth: "Man kann diese Jungs nicht in Watte packen"

(Motorsport-Total.com) - Die Saisonvorbereitungen in der Formel 1 sind deutlich in den Hintergrund getreten. Die Szene blickt sorgenvoll nach Italien, wo Renault-Star Robert Kubica bei einem Rallyeunfall schwere Verletzungen erlitt. Die rechte Hand des Polen, die bei dem Unglück erheblich verletzt wurde, ist mittlerweile erfolgreich operiert worden. Die Mediziner konnten die Funktionsfähigkeit der Hand offenbar wieder herstellen - wie gut, ist allerdings noch nicht klar.

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

Fans und Fahrerkollegen wollen Robert Kubica bald wieder im Cockpit sehen

Den anfangs schlimmen Meldungen um Lebensgefahr und bleibende Schäden sind nun deutlich optimistischere Aussagen gefolgt. Man spricht zwar einerseits viel über den schwierigen Genesungsprozess, andererseits aber auch schon über einen Termin eines möglichen Kubica-Comebacks. Flavio Briatore geht davon aus, dass der Pole in einem halben Jahr wieder fahren kann, die Ärzte sprechen eher von einem Jahr oder mehr.

"Robert hat vor fünf Jahren bei einem Unfall fast einen Arm verloren. Trotzdem hat ihn das nicht vom Fahren abgehalten", meint Marussia-Virgin-Teamchef John Booth. Der hemdsärmlige Brite sieht den gesamten Vorfall schockiert, ordnet ihn aber realistisch ein. "Man kann diese Jungs nicht in Watte packen", meint Booth. "Renault hatte das Gefühl, dass sie das Beste aus Robert herausholen, wenn sie ihm diese Freiheiten geben."

Piloten wollen immer nur Vollgas

"Ich bin sicher, dass Teamchef Eric Boullier und das gesamte Team ganz genau wissen, was sie tun", sagt der britische Teamchef. "Vor einigen Wochen waren wir mit unseren Piloten Timo und Jerome beim Skifahren. Wir haben ihnen vorher gesagt, dass sie die Piste nicht verlassen sollen und blah-blah. Aber als wir aus dem Lift stiegen, gab es für die beiden nur noch Vollgas. So sind sie eben. Das macht sie so gut. So etwas darf man doch nicht bremsen, oder?"

Kubica ist nicht der einzige Formel-1-Pilot mit gefährlichen Freizeitbeschäftigungen. Michael Schumacher fährt gern Rennmotorräder, geht gern zum Fallschirmspringen. Auch Timo Glock schwingt sich gern mal in einen Rallyeboliden. "Man kann Rennfahrer kaum von so etwas abhalten", sagt der Deutsche. "Rallyesport ist faszinierend. Es macht so viel Spaß. Wenn man mal solch ein Auto fahren durfte, dann will man es immer wieder tun. Robert hatte vielleicht einfach Pech, war im falschen Moment am falschen Ort."

John Booth meint, dass Formel-1-Fahrer ohnehin nicht zu bremsen sind Zoom

Nicht nur Rallyeausflüge können die Formel-1-Karriere jäh beenden, jede Teilnahme am Straßenverkehr ist gefährlich - statistisch gesehen passieren die meisten Zwischenfälle dort, wo es niemand erwartet: im Haushalt. David Coulthard überlebte im Jahr 2000 einen Flugzeugabsturz, bei dem beide Piloten ihr Leben verloren. Der Schotte kam damals nahezu ohne Blassuren davon, hatte einfach nur riesiges Glück.

Der heutige DTM-Pilot hat die Nachricht vom heftigen Kubica-Crash mit großer Bestürzung vernommen, blickt aber mit Optimismus nach vorn. Der Pole wird zurückkommen können, meint Coulthard. "Er ist ein extrem talentierter, beliebter und respektierter Fahrer", so der Schotte in der 'BBC'. Er hofft auf ein schnelles Comeback des Renault-Piloten, das unter gewissen Voraussetzungen durchaus möglich sei.

Coulthard über Lenkkräfte und Gespür

"Wichtig ist, dass die Feinmotorik funktioniert. Die brauchst du, wenn du ein Formel-1-Auto am Limit bewegen willst", beschreibt Coulthard. "Kraft in Unterarmen und in den Händen ist wichtig. Dein Körper ist im Fahrzeug fest angeschnallt. Entscheidend ist, dass der Fahrer in der Lage ist, auch Füße und Hände jederzeit präzise in Position zu halten. Grundvoraussetzung für Robert ist also, dass er bei starken Lenkkräften gegenhalten kann."

"In einem Formel-1-Auto wirken teils bis zu 5G, dabei muss man immer in der Lage sein, in einigen Kurven feine Lenkbewegungen auszuführen. Die Autos haben zwar Servolenkung, aber du brauchst vor allem Ausdauer", erklärt der Schotte die Bedingungen bei der schnellen Fahrt. "Vorm Einlenken in schnelle Ecken klammerst du dich regelrecht ans Lenkrad."

David Coulthard

David Coulthard kennt die Lenkkräfte in der Formel 1 ganz genau Zoom

"Es ist nicht ganz so, wie mit einem Stab über einen Tümpel voller Piranhas springen zu müssen - es ist ohnehin individuell unterschiedlich. Aber man muss schon die Kraft haben, um sich in Position zu halten." Coulthard erklärt, dass es selbst bei perfekter Fitness manchmal schwer falle, die nötigen Kräfte aufzubringen. "Ich hatte da meine eigene Technik. Ich habe den Ellbogen am Cockpitrand angelehnt und es so als Stütze gebraucht."

"Dann klemmt man das Lenkrad mit Daumen und Hand ein, damit es in Position bleibt. In schnellen Kurven wie beispielsweise Pouhon in Spa-Francorchamps können kleinste Wackler böse Folgen haben. Da arbeiten die Reifen und das Chassis dermaßen, sodass du es einfach nur halten musst. Wenn du eingreifen musst, dann nur über das Gaspedal. In schnelle Kurven tauchst du ein und ziehst es durch. Anders geht es nicht", erklärt Coulthard und macht somit die Anstrengungen im Cockpit sehr greifbar.

Kubica soll es beweisen dürfen

Neben viel Kraft sei allerdings auch Feingefühl gefragt. Man müsse die Rückmeldung vom Lenkrad jederzeit schnell spüren können, damit Korrekturen zeitnah möglich sind. "Man spürt quasi eine Art 'Gewicht' im Lenkrad. Wenn man beispielsweise auf einen Ölfleck kommt, dann wird es plötzlich ganz leicht. Man reagiert dann ganz schnell, noch bevor das Auto übersteuern oder untersteuern kann."

Die Feinmotorik sei ein weiterer wichtiger Faktor. Immerhin müssen die Formel-1-Piloten unzählige Knöpfe und Schalter bedienen können, Fingerfertigkeit ist gefragt. Geschaltet wird in der Königsklasse mit Wippen hinter dem Lenkrad. "Aber es gibt keine Regel, die besagt, dass man das nicht vielleicht auch anders lösen kann", schränkt Coulthard ein.

Bei allen wichtigen Voraussetzungen: Der Ex-Grand-Prix-Pilot hält ein Kubica-Comeback für möglich. "Wenn Robert es schafft, ein gewisses Gewicht am ausgestreckten Arm rotieren zu lassen, dann kann er es packen. Er braucht viel Entschlossenheit dafür, aber die hat er, wie er schon mehrfach bewiesen hat. Allein die Tatsache, dass er es als erster Pilot aus Polen in die Formel 1 geschafft hat, sagt einiges aus. Er ist früh nach Italien gegangen, hat auf viele Dinge verzichtet."

Vor allem der Daumen muss zielsicher auf die Knöpfe drücken können Zoom

Sobald die nötige Kraft wieder vorhanden sei, könne man einen Versuch wagen. "Die Hände müssen zupacken können. Letztlich besteht der Rest nur aus Knochen und Muskeln", sagt Coulthard, der sich ein Comeback von Kubica wünscht. Der Pole sei überall beliebt und respektiert, ein umgänglicher Mensch. "Er ist offen und ist alles andere als ein Superstar. Er weiß genau, dass er in einer privilegierten Welt lebt."

Coulthard hält Kubica für einen kommenden Weltmeister, würde ihn für ein eigenes Team ganz oben auf der Wunschliste sehen. "Es gibt aber immer wieder Fahrer, die im Falle eines Falles mit dem Druck nicht umgehen können, wenn sie endlich ein WM-verdächtiges Auto haben. Aber den Eindruck macht er auf mich nicht. Das ist so ein Bauchgefühl bei mir. Lasst uns hoffen, dass er zurückkommen kann und es uns beweist."