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Zu viele Beschränkungen - Fehlen der Formel 1 Innovationen?

Einschränkungen in der Aerodynamik, eingefrorene Motorenentwicklung - Verhindert die Formel 1 durch ihre aktuellen Regeln wirklich große Innovationen?

(Motorsport-Total.com) - Die zunehmende Reglementierung in der Formel 1 gefällt nicht jedem. Mit jedem Jahr scheinen die Spielräume für die Designer und Ingenieure immer kleiner zu werden - und damit auch der Raum für wirklich große Innovationen. Red-Bull-Chefdesigner Adrian Newey hatte angesichts dieser Tatsache bereits davor gewarnt, dass sich die Königsklasse bald zu einer "GP1" entwickeln könnte.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey

Adrian Newey ist in seinen Möglichkeiten momentan ziemlich eingeschränkt Zoom

Allerdings gehen die Meinungen in der Formel 1 bei diesem Thema auseinander. "Ich bin mir da nicht so sicher", sagt Toro Rossos Technikchef James Key und erklärt: "Schauen wir uns doch an, was 2009 passiert ist, als es ebenfalls neue Regeln gab. Die Situation war der, die wir jetzt im Aero-Bereich haben, ziemlich ähnlich. Damals tauchten Dinge wie der F-Schacht oder der angeblasene Diffusor auf."

"Davor hatten wir nie solch ein Level an Innovation erreicht, dabei war es damals viel eingeschränkter. Ich denke, dass es aus Sicht eines Ingenieurs auch innerhalb dieser Beschränkungen noch immer sehr interessant sein kann." Ähnlich sieht es auch Caterhams Gerry Hughes: "Ich denke, die Regeln bilden einen Rahmen, in dem alle arbeiten müssen. Da ist es ganz egal, wie sie geformt sind."

Newey warnt vor Kostenexplosion

"Die Aero-Regeln umfassen mehrere Jahre, also denke ich, dass es genug Bereiche für Innovationen geben wird. Es wird immer Bereiche geben, in denen die Beschränkungen größer sind. Ich denke, es macht die Formel 1 zur Formel 1, dass es immer Innovationen gibt." Trotzdem ist es unbestreitbar, dass den Designern immer mehr Ketten angelegt werden.

Die von Key angesprochenen technischen Raffinessen wie F-Schacht oder angeblasener Diffusor sind mittlerweile verboten, da die FIA Grauzonen in den Regeln, die solche Innovationen möglich machen, meist umgehend ausbessert. Newey selbst erklärt: "Als Ingenieure hätten wir wohl gerne eine Regelung wie in der CanAm-Serie, wo es eine maximale Länge und Breite gibt und man innerhalb dessen machen kann, was man möchte."

McLaren

Der F-Schacht von McLaren war 2010 eine echte Innovation in der Formel 1 Zoom

"Realistisch gesehen ist das heutzutage aber nicht praktikabel. Daher denke ich, dass es sehr schwierig ist, die Balance zwischen maximaler Freiheit und einer, bei der die Kosten nicht komplett außer Kontrolle geraten, zu finden. Sonst entsteht ein Ausgabenkrieg, ohne dass sich die Performance der Fahrzeuge stark unterscheidet."

"Wenn wir zu viele Freiheiten haben, dann besteht die Möglichkeit, dass es ein Team in jedem Jahr richtig hinbekommt und sich dann alle darüber beschweren würde, dass die Rennen etwas langweilig seien. Leider ist das auch in diesem Jahr teilweise passiert, aber das ist eine andere Sache", so Newey, der damit auf Mercedes anspielt, das der Konkurrenz 2014 regelmäßig um die Ohren fährt.

Mercedes fährt davon

Genau das ist für McLarens Geschäftsführer Jonathan Neale aber auch ein Zeichen dafür, dass die anderen Teams noch lange nicht an den Grenzen des Reglements angekommen sind. Er erklärt: "Ich denke, wir können davon ausgehen, dass wir ein viel engeres Feld als momentan sehen würden, wenn die Designer sich eingeschränkt fühlen würden und nicht mehr wüssten, wohin sie noch gehen sollten."

"Mercedes hat eindeutig ein Paket zusammengestellt, das in vielen Bereichen effektiv ist. Der Rest von uns muss hart arbeiten, um das aufzuholen. Wenn das einfach wäre, dann hätten wir es schon geschafft. Ich denke also, dass es noch eine Menge gibt, was wir uns anschauen können." Einen großen Vorteil genießt Mercedes auch durch seinen Antriebsstrang, der momentan ohne Zweifel der beste der Formel 1 ist.

Die Silberpfeile profitieren aktuell davon, dass die Entwicklung der Aggregate während der Saison eingefroren ist. Renault und Ferrari können momentan also nicht aufholen. "Ich denke, dass die Homologation auf der Antriebsseite eine Regel ist, der alle zugestimmt haben. Wenn in Sachen Zuverlässigkeit oder sonst irgendwo ein Ungleichgewicht herrscht, dann kann das erste Jahr sehr hart für manche sein", erklärt Key.


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Großbritannien


"Ich denke, dass es da zwei Seiten gibt", sagt der Brite weiter und ergänzt: "In manchen Bereichen, wie dem Chassis oder dem Antrieb, gibt es diese Beschränkungen, die etwas entmutigend sein können. Gleichzeitig fördert es aber auch die Innovation, denn du hast dann weniger Bereiche, die du dir ansehen musst, und dann entstehen häufig gute Ideen. Ich denke, dass das genauso interessant ist."

Mehr Möglichkeiten bei den Antrieben

Rob White von Renault ergänzt: "Die sportliche Regularien, die die Homologation beinhalten, geben ganz genau vor, was man darf und was nicht. Es ist ziemlich einfach: Ohne die Zustimmung der FIA darfst du gar nichts machen." Sollte Renault nun plötzlich eine Lösung finden, dann seien diese Regeln "eine Beschränkung, denn du kannst sie vermutlich nicht verwenden, wenn dein Antrieb dadurch schneller wird."

"Andererseits beschützt es dich, wenn dein Gegenspieler diese Wunderwaffe findet und sie benutzen möchte. Diese Regeln wurden über eine gewisse Zeit mit einiger Voraussicht und dem Wissen darüber was passiert, wenn man die Antriebe einfriert, erstellt. Durch dieses progressive Einfrieren und die Entwicklung, die jedes Jahr erlaubt ist, gibt es ein Fenster, in dem man Möglichkeiten hat."

Noch sind Änderungen an den Antrieben also möglich, doch ab 2018 soll die Entwicklung dann komplett eingefroren werden. Ein Punkt, der Newey Sorgen bereitet: "Es ist nicht ganz klar, was passiert, wenn der Entwicklungsstopp immer konkreter wird und ein Antriebsstrang dann einen Vorteil hat oder klar zurückliegt. Dann bist du in einer Position, in der du deine Leistung nicht mehr erhöhen kannst, denn deine Entwicklung ist dann eingefroren."

"Es ist ziemlich einfach: Ohne die Zustimmung der FIA darfst du gar nichts machen." Rob White

"Dann bist du auf ewig zum Hintererfahren verdammt. Aber ich denke, dass das etwas ist, worüber man diskutieren kann. Da sollte es eine Lösung geben, besonders weil alle Autos jetzt Drehmomentsensoren haben. Diese Sensoren sind sehr zuverlässig und geben ein gutes Signal. Dadurch ist es für die FIA möglich, sich die Ausgabe dieser Daten anzuschauen und festzustellen, wo alle stehen."

"Wenn also ein bestimmter Antrieb und eine Ölfirma einen Vorteil gegenüber den anderen haben, dann können sie das sehen, und wenn sie das wollen, dann können sie allen, die in einem eingefrorenen Bereich hinterher sind, erlauben, sich anzupassen." Red Bulls Chefdesigner hofft hier also im Notfall auf ein Einlenken der FIA.


Der neue Renault-Motor für 2014

Momentan ist das laut White aber sowieso noch kein Thema: "In der Welt der Antriebe sind wir - zumindest momentan - noch nicht an diesem Punkt angelangt, denn unsere Beschränkungen sind ziemlich kompliziert. Es gibt für uns ein paar wenige Dinge in den Regeln, die eindeutig festgelegt sind. Und es gibt tausende Dinge, die es nicht sind."

Symonds verteidigt Umbruch

Alle Renault- und Ferrari-Fans dürfen also etwas aufatmen, denn ganz offensichtlich haben die beiden Firmen noch eine Menge Möglichkeiten, um die Lücke zu Mercedes zu schließen - allerdings frühestens nach dieser Saison. Pat Symonds kann die ganze Aufregung sowieso nicht nachvollziehen und erklärt: "Ich finde es bemerkenswert, dass man uns einen Mangel an Innovation vorwirft, wenn wir gerade erst den innovativsten Antrieb vorgestellt haben, denn es seit Jahren gab."

"Und dabei rede ich nicht nur vom Rennsport. Jeder Aspekt des Antriebs ist unglaublich. Selbst mit der Benzindirekteinspritzung fahren wir so schnell, was ein ziemlicher Durchbruch ist. Die Energierückgewinnung ist ebenfalls ein Durchbruch. Selbst im Chassis finden sich einige clevere Ideen wieder", verrät der technische Direktor des Williams-Teams.

"Ich würde zustimmen, dass wir nicht mehr die Freiheit bei den Regeln genießen, die wir vor 20 oder 30 Jahren hatten", sagt Symonds weiter und ergänzt: "Aber wir haben auch gar nicht das Geld, um diese Dinge zu machen. Allerdings sind wir noch immer wissbegierig und heutzutage liegen eine Menge Innovationen im Detail und die sind alle sehr relevant."


Fotostrecke: Die erste Turbo-Ära der Formel 1

Auch Newey hatte bereits vor einer möglichen Kostenexplosion gewarnt. Ein Punkt, den auch White unterstreicht: "Ich denke, wir müssen extrem vorsichtig sein, wenn es um unbeabsichtigte Konsequenzen geht. Wenn die Sachen zu sehr festgeschrieben werden, dann kommt man in eine ziemlich schlechte Situation, in der man nur dann einen Vorteil bekommen kann, wenn man extrem viel Geld ausgibt."

"Eine Menge Performance kann durch Sprit- und Schmiermittel-Entwicklung gewonnen werden." Jonathan Neale

Stattdessen fordert Neale die Teams auf, auch in anderen Bereichen nach Lösungen zu suchen: "Es gibt noch immer Raum (für Innovationen; Anm. d. Red.) und eine Menge Performance kann durch Sprit- und Schmiermittel-Entwicklung gewonnen werden, die nicht eingefroren sind." In der Formel 1 hat es immer Innovationen gegeben und das wird sich wohl auch in den kommenden Jahren nicht ändern. Allerdings findet man die größten Innovationen dann vielleicht in anderen Bereichen.