• 02.06.2006 14:32

Zanardi will ein Beispiel für Lebensmut sein

Ein Jahr nach seinem ersten WTCC-Sieg kehrt Ex-Formel-1-Pilot Alessandro Zanardi ("Ich bin ein glücklicher Mensch!") nach Oschersleben zurück

(Motorsport-Total.com/sid) - Oschersleben - den Namen der 18.000-Seelen-Gemeinde in der Magdeburger Börde kann Alessandro Zanardi nicht korrekt aussprechen. Vergessen aber wird der Italiener den Ort nie, an dem er am 28. August 2005 Motorsportgeschichte schrieb. Mit seinem Sieg im Rennen der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) vollendete er sein unglaubliches Comeback.

Titel-Bild zur News: Alessandro Zanardi

Ein schillerndes Beispiel für Lebensmut und Zähigkeit: Alessandro Zanardi

"Dieser Erfolg an sich war fantastisch für mich", erinnert sich der 39-Jährige, der am Pfingstwochenende zum 7. und 8. WM-Lauf der Saison nach Oschersleben zurückkehrt. "Erst hinterher ist mir klar geworden, dass ich es ohne Beine geschafft habe."#w1#

Seit seinem Unfall ist Zanardi weltberühmt

Der Horrorunfall am 15. September 2001 auf dem Lausitzring hat dem ehemaligen Formel-1-Fahrer eine besondere Popularität beschert. Mit einer Mischung aus Neugier, Mitleid, Gruseln und Respekt wird er von vielen Außenstehenden betrachtet: "Viele Gesunde wissen nicht, wie sie mit einem Behinderten umgehen sollen, ob sie die Tür aufhalten sollen oder nicht. Das ist oft peinlich für sie", sagt Zanardi. "Ich mache dann einen Witz, und die Situation entspannt sich."

"Ich bin Vollprofi." Alessandro Zanardi

Er ist sich natürlich dessen bewusst, dass er vor allem wegen seiner Behinderung als Werbeträger eingesetzt wird. So wurde er eigens aus Venedig eingeflogen, um in Hamburg für das Rennen in Oschersleben die Werbetrommel zu rühren. Am Abend saß er bereits wieder im Flieger zurück nach Italien. Zanardi hat sich darauf eingelassen, es gehört zu seinem Job: "Ich bin Vollprofi."

Und er nutzt die Gelegenheit immer wieder, um nicht nur für die in Deutschland im Schatten der DTM stehende WTCC und seinen Vertragspartner BMW zu werben, sondern mit seinem Beispiel anderen Behinderten Mut zu machen und sein soziales Engagement zu promoten. In fließendem Englisch mit starkem italienischen Akzent erzählt Zanardi von seinen Projekten, erklärt ausführlich die technischen Schwierigkeiten, einen Handgasbetrieb an die Erfordernisse eines Rennautos anzupassen, erzählt, wie er seine Hüfte trainieren musste, um über die Prothese die notwendigen 80 Kilogramm Druck auf das Bremspedal zu bringen.

Richtig emotional wird er erst, wenn es um Hilfe für andere Kranke und Behinderte geht: "Neulich traf ich einen Mann, der seine dreijährige Tochter auf dem Arm trug, die ohne Beine geboren wurde", erzählt Zanardi. "Er meinte, meine Geschichte hätte ihm gezeigt, dass auch seine Tochter ein lebenswertes Leben führen kann."

Zanardi setzt sich für wohltätige Zwecke ein

Mit einer Stiftung unterstützt er ein Kinderkrankenhaus in Apulien, wo in einem historischen Gästehaus die Familien der kleinen Herzpatienten untergebracht werden: "Mein Schicksal ist nichts im Vergleich zu dem, was diese Kinder durchmachen", sagt er.

"Mein Ruf ist irgendwo zwischen einem Heiligen und einem Showgirl." Alessandro Zanardi

Rund 350.000 Euro hat er bereits zusammengetragen, etwa 150.000 fehlen noch. Zanardi hat deswegen bei 'ebay' ein Kaffeetrinken mit sich in Monza versteigert (7.500 Euro), eine Figur für den Trickfilm "Cars" synchronisiert (10.000 Euro) oder als Ehrengast an einem Galadinner teilgenommen, obwohl er gar keine Lust hatte (15.000 Euro): "Ich bin in Italien sehr populär", sagt er. "Mein Ruf ist irgendwo zwischen einem Heiligen und einem Showgirl."

Mit zwei Prothesen bewegt sich Zanardi mit Hilfe von zwei Stöcken sicher voran. Im Rennen fährt er wie jeder andere, bremst so spät wie möglich, sucht die Grenzen des Autos auszuloten und die optimale Linie zu finden. Für die Kollegen ist er ein ernsthafter Konkurrent, den es zu schlagen gilt.

"Man darf nicht darüber trauern, was man nicht mehr kann, sondern muss die Dinge genießen, die man tun kann", sagt der Familienvater. "Ich habe eine Frau, einen Sohn, bin finanziell unabhängig und kann tun, was ich liebe: Rennen fahren. Ich bin ein glücklicher Mensch!"