• 21.10.2010 19:23

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Yeongam: Zwischen Nägeln und Schlangen

Die deutschen Fahrer sind von der Strecke in Yeongam angenehm überrascht, doch nach wie vor prägen Kuriositäten die Eindrücke vor Ort

(Motorsport-Total.com/SID) - Eine böse Falle entschärfte Sebastian Vettel am Donnerstag persönlich: Beim Rundgang über den neuen Formel-1-Kurs in Südkorea entdeckte der deutsche Titelkandidat einen Nagel, der direkt am Streckenrand zentimeterhoch aus der Erde ragte. Vettel buddelte ihn kurzentschlossen aus und entsorgte ihn. Dabei hatte der deutsche Titelkandidat noch Glück: Einige 100 Meter weiter wäre ihm eine offenbar giftige Schlange begegnet, die über die Strecke kroch...

Titel-Bild zur News: Bauarbeiten in Südkorea

Von wegen fertig: Die Randsteine wurden heute erst bemalt...

Die kuriosen Meldungen rund um das umstrittene Rennen in Yeongam nahe der Stadt Mokpo am Gelben Meer reißen nicht ab. Doch während die vom Aachener Spezialisten Hermann Tilke mitentwickelte Strecke die Piloten bei den ersten Inspektionen fast durchweg überzeugte, wundern sich die Stars über die Unterbringung ihrer Crew. Denn während die meisten Fahrer eine ordentliche Unterkunft bekamen, leben die Mechaniker und weiteren Teammitglieder häufig in schäbigen Stundenhotels.

"Das Einzige, was man verbessern müsste, ist die Hotelsituation", sagt Vettel. "Für uns Fahrer ist es ganz okay, aber nicht für die Teammitglieder." Auch Adrian Sutil ist seine gute Unterkunft fast schon unangenehm: "Beim Hotel hatte ich Glück", grinst der Force-India-Pilot. "Ich habe gehört, bei manchen sieht es anders aus." Nicht so bei Michael Schumacher: "Mit der Unterkunft bin ich zufrieden", versichert der Mercedes-Routinier. "Mein Zimmer hat Meerblick, aber wir waren schon an Plätzen, die nicht so angenehm waren."

Deutsche Fahrer angenehm überrascht

Einigkeit herrscht bei den deutschen Piloten vor dem richtungweisenden ersten Training, mit dem der neue Kurs am Freitag eingeweiht wird, über die Qualität der Strecke: "Ich bin sehr positiv überrascht", meint Schumacher. "Die Jungs sind sehr gut vorbereitet, die Strecke macht einen sehr guten Eindruck, eine gute Mischung aus verschiedenen Elementen. Es gibt lange Geraden, meiner Meinung nach auch Überholmöglichkeiten. Der letzte Teil ist schon fast wie ein Stadtkurs. Es ist eine Kombination von vielen verschiedenen Charakteristika."

"Ich habe gehört, dass die Tribünen am Sonntag voll sein sollen. Ich freue mich darauf, vor Fans zu fahren, für die die Formel 1 neu ist", blickt er den angekündigten 100.000 Fans entgegen. Lewis Hamilton meckert hingegen: "Es scheint aber viele Tribünen ohne Sitze zu geben." Vettel findet wie Schumacher, dass die die Zweifel im Vorfeld unbegründet waren: "Im Endeffekt wurde hier ein guter Job gemacht, fast alles ist fertig."

"Ich bin angenehm überrascht", lobt auch Nico Hülkenberg. "Bis Kurve vier kann man sich einen guten Windschatten holen und dann ausscheren. Ich glaube schon, dass es hier Überholmöglichkeiten gibt. Dann kommt mit Kurve fünf und sechs eine schwierige Passage und Kurve elf ist auch interessant. Sieht nach Spaß aus!" Landsmann Nick Heidfeld spricht sogar von einem "großartigen" Layout: "Es ist zwar noch nicht alles fertig, aber es sieht nach allem, was ich in den vergangenen Wochen gehört habe, besser als erwartet aus."


Fotos: Großer Preis von Südkorea, Pre-Events


Die Bedenken, ob der erst vor zwei Wochen fertiggestellte Asphalt die 700-PS-Autos mit vermutlich rund 320 km/h in der Spitze überhaupt aushält, sind nach einer entsprechenden Versicherung des Architekten Tilke zumindest geringer geworden. "Die Sorge ist schon noch da", meint der Sauber-Pilot, der die Bedenken vieler im Vorfeld laut ausgesprochen hatte. Aber: "Herr Tilke hat gesagt, dass alles halten wird. Er hat in der Hinsicht mehr Erfahrung als ich, deshalb glaube ich ihm."

Fast wortgleich fällt das Statement von Nico Rosberg nach einer Erkundungstour mit dem Roller aus: "Zu Beginn der Runde gibt es einige langsame Kurven, dann folgen mittelschnelle Kombinationen. Aus Sicht des Autos dominieren die langsamen Kurven. Ich glaube, man kann auf dieser Strecke auch gut überholen." Hülkenberg ergänzt: "Wenn der Asphalt hält, sollte alles gut gehen. Wir dürfen uns nicht verrückt machen." Und Sutil bemerkt: "Es ist überall noch etwas dreckig, aber auf den ersten Blick gefällt mir die Strecke."

Extrem rutschige Bedingungen bei Regen?

"Ich bin schon gespannt", rechnet Heidfeld jedoch mit möglichen Schwierigkeiten bei schlechtem Wetter, "wie es wird, wenn mehr Autos fahren, ob es zum Beispiel öliger wird und was das bedeutet, falls es regnen sollte." Rosberg, der finnische Gene in sich trägt, würde sich über ein solches Spektakel hingegen freuen: "Daran habe ich schon gedacht. Vielleicht kommen dann meine Rallye-Talente zum Vorschein!"

Doch auch der so gelobte Kurs scheint nicht frei von Mängeln zu sein. Heidfeld moniert zum Beispiel die letzte Kurve: "Da sind rechts und links direkt Mauern. Das verstehe ich nicht ganz, vor allem wenn man bedenkt, dass es ein neuer Kurs ist und dort eigentlich viel Platz wäre." Rosberg sieht an dieser Stelle "weniger Probleme", dafür bei der "kniffligen" Kurve 16, die seiner Meinung nach zu wenig Auslauf bietet: "Der Winkel ist dort ziemlich scharf und die Mauern stehen knapp an der Strecke. Da müssen wir nochmal drüber diskutieren."

Schlange in Yeongam

Hier eine Schlange, dort ein Nagel: Yeongam wirkt noch provisorisch Zoom

"Die Mauern sind hart und manchmal tun sie weh", ergänzt Rubens Barrichello, "aber auf der anderen Seite können sie dich rechtzeitig abbremsen, auf eine positive Art. Es hängt davon ab, wie ein Crash abläuft, aber die Mauern können auch gut sein. In Indianapolis scheinen sie damit kein Problem zu haben. Wir haben auch woanders Mauern, etwa in Valencia, in Montréal. Ich würde nur zu gern wissen, ob sie permanent sind oder nicht, denn sie scheinen ja viel Platz zu haben, um Auslaufzonen zu bauen."

"Erinnert ihr euch noch an die Premiere in Indianapolis? Da sind manche Autos auf 300 km/h gekommen, andere auf 320, denn es gab lange Geraden und dann große Kurven. Dadurch konnten die Teams auswählen, welche Flügeleinstellung sie fahren", erinnert sich Grand-Prix-Rekordler außerdem. "Ich bin sicher, dass auf dieser Strecke manche Autos zehn km/h schneller sein werden als andere - in manchen Bereichen. Das wird eine gute Show."

Alle Theorie hat am Freitag ein Ende - endlich! "Allein vom Rumlaufen kann man nicht bewerten, wie viel Grip die Strecke hat", erklärt Heidfeld. Sutil testete den Kurs nicht nur im Simulator, sondern auch virtuell auf der PlayStation, "aber in Echt ist alles dann ja doch wieder anders". Und Renault-Hoffnung Robert Kubica vermutet, dass die Strecke im Training "viel rutschiger sein wird, als alle glauben". In wenigen Stunden werden wir es wissen...