• 23.05.2007 18:09

  • von Inga Stracke

Wurz: "So einen Silikonauflauf gibt es weltweit selten"

Alexander Wurz im Interview über die Absurdität und Faszination von Monaco, Stadtkurse im Allgemeinen und seinen lockeren Umgang mit dem VIP-Wahnsinn

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Alex, euer Williams ist aerodynamisch sehr aufgeräumt, hat wenig Flügel. Könnte das hier in Monaco vom Abtrieb her ein Problem werden?"
Alexander Wurz: "Da kann ich keine Antwort geben. Es stimmt, dass unser Auto auf Effizienz konstruiert ist und dass das auf anderen Strecken besser ist als hier, aber es geht hier nicht immer nur um den maximalen Abtrieb, sondern auch um die Balance und darum, wie wohl du dich im Auto fühlst. Wir reden über Hundertstel und Zehntel, die im Mittelfeld entscheidend sind. Da kann kein Experte der Welt eine Vorhersage treffen."

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Alexander Wurz unplugged: Der Österreicher sagt, was er denkt...

Frage: "Wenn man öfter auf Stadtkursen fährt, wie es künftig der Fall sein wird, muss man die Formel-1-Autos vielleicht sogar anders bauen. Ist das nicht ein Riesenaufwand?"
Wurz: "Der Kostenfaktor der Formel 1 - es ist immer das gleiche Thema: Das Geld, das die Leute reinbekommen, geben sie auch wieder aus. Wir sind eine weltweit fahrende Werbeplattform, die so und so viel Geld einnimmt - und das wird ausgegeben. Aus. Das kann man mit dem Reglement nicht beschneiden. Wenn wir nicht testen dürfen, dann geben wir eben im Simulator Geld aus."#w1#

Extremer als Monaco geht nicht mehr

Frage: "Kannst du dir vorstellen, dass dann spezielle Autos für spezielle Strecken gebaut würden?"
Wurz: "Nein, das glaube ich nicht. Das ist hier schon das Extreme, mit Straßen, die hängen und Buckeln haben. Auf den neuen Stadtkursen wird das anders sein, denn die werden neu asphaltiert und neu gebaut, um zumindest von der Bodenbeschaffenheit dem Formel-1-Standard zu entsprechen. Da ist hier schon das Extrem, glaube ich - und wird auch das Extrem bleiben."

"Wenn du ein kurzes Auto hast, hast du weniger Downforce." Alexander Wurz

Frage: "Wenn du das ideale Auto für Monaco bauen müsstest, wie würde es aussehen?"
Wurz: "Vom Radstand her wäre es vielleicht kürzer, aber da muss man den Kompromiss sehen zwischen Länge und Downforce. Wenn du ein kurzes Auto hast, hast du weniger Downforce."

Frage: "Was kann man in puncto Sicherheit in Monaco noch besser machen?"
Wurz: "Grundsätzlich fährt man auf einem Stadtkurs zwischen den Mauern. Es ist einleuchtend, dass ein Stadtkurs potenziell gefährlicher ist als eine permanente Rennstrecke mit hohen Auslaufzonen. Deshalb muss man vieles im Vorhinein bedenken, wenn man einen Stadtkurs plant. Monaco macht das sehr gut. Im Verhältnis zwischen der Anzahl der Unfälle und der Anzahl der Verletzungen steigt die Strecke sehr gut aus, weil die Geschwindigkeiten in den Schlüsselstellen, in denen es keine Auslaufzonen gibt, doch recht gering sind. So etwas gilt es auch in Zukunft umzusetzen."

Frage: "Glaubst du, dass sich die Stadtkurse negativ auf das Racing, auf die Überholmanöver auswirken werden? In Monaco heißt es ja jedes Jahr, man kann nicht überholen..."
Wurz: "Ja, aber es ist dennoch ein Spektakel, bei dem viele Leute zuschauen. Es geht ja nicht immer nur um das Überholen. Die Formel 1 hat ihre Einschaltquoten nicht nur wegen des Überholens, sondern wegen der Gesamtshow. Das Überholen ist ein Teil der Show, aber wenn es coole Aufnahmen in der Stadt gibt, dann ist das meines Erachtens für den TV-Zuschauer genauso interessant, wie wenn es in Malaysia auf 15 Meter breiter Strecke ein Überholmanöver gibt. Das muss dann jeder Zuschauer für sich selbst beantworten."

Erfahrung kann, muss aber nicht von Vorteil sein

Frage: "In Monaco werden auch viele Rahmenrennen gefahren. Wie wichtig ist es für die Nachwuchsfahrer, so einen Kurs über die Jahre kennen zu lernen?"
Wurz: "Es gibt Fahrer, die kommen her, ohne gefahren zu sein, sind trotzdem schnell. Andere kennen sie und sind auch gut. Keine Ahnung."

"Man wird sehen, dass die Rangordnung nie viel anders ist, mit ein paar Ausreißern." Alexander Wurz

Frage: "Adrian Sutil soll gesagt haben, dass er hier in Monaco genauso gut sein kann wie Lewis Hamilton. Spielt das Auto hier eine so geringe Rolle?"
Wurz: "Das meint er sicher als Fahrer, unabhängig vom Paket. Im Verhältnis ist es aber sicher so, dass der Fahrer eine größere Rolle spielt als woanders. Man wird auch wieder sehen, dass die Rangordnung nie viel anders ist, mit ein paar Ausreißern, aber grundsätzlich sitzt du in diesem Ding, das um Millionen konstruiert wurde, mit vier Auflageflächen über die Bridgestone-Reifen am Boden - der Fahrer kann die Grenzen der Physik ausloten, manche besser als andere, aber er kann sie nicht verschieben. Und die Grenzen der Physik errechnen sich eben aus dem Auto, das da konstruiert wurde. Das ist auf einer permanenten Strecke genauso der Fall wie auf einem Stadtkurs."

"Dementsprechend kann man kaum Verschiebungen erwarten, aber es gibt immer wieder Leute, die sich schneller zurechtfinden und dementsprechend ein bisschen besser ausschauen als sonst."

Frage: "Wie sieht es mit dem Wetter aus, angeblich könnte es am Sonntag regnen?"
Wurz: "Ja. Es gibt eine Vorhersage für Südostwind - und der bringt hier immer schlechtes Wetter. Mal schauen, ob sich der Wind durchsetzt, denn dann wird es lustig oder nicht lustig - wie man das dann eben sieht."

Regen würde alles noch schwieriger machen

"Wir haben das bei jedem Regen-Grand-Prix in Monaco gesehen - da kommen nur wenige Fahrzeuge ins Ziel." Alexander Wurz

Frage: "Das wäre dann ja wirklich ein Glücksspiel hier, nicht wahr?"
Wurz: "Ja. Wir haben das bei jedem Regen-Grand-Prix in Monaco gesehen - da kommen nur wenige Fahrzeuge ins Ziel. Irgendwann waren es sogar nur vier, glaube ich. Das zeigt, wie schwierig die monegassischen Straßen im Regen sind."

Frage: "In den vergangenen sechs Jahren gab es hier sechs verschiedene Sieger..."
Wurz: "Cool (grinst; Anm. d. Red.)!"

Frage: "Dein Vater hat gesagt, er erwartet hier ein Gemetzel..."
Wurz: "Bei ihm am Esstisch vielleicht (lacht; Anm. d. Red.)!"

Frage: "Nein, sondern weil es so viele junge Fahrer gibt, die nicht nachgeben werden."
Wurz: "Für mich ist das gleich wie bei allen anderen Strecken. Vier Rennen lang hatten wir fast keine Fahrkarambolagen. Da muss ich meinem Vater widersprechen. Aber wir werden es am Sonntag eh sehen."

Frage: "Monaco steht ja auch immer für Promis und VIPs. Wen hast du in den letzten Jahren hier gesehen oder vielleicht sogar kennen gelernt?"
Wurz: "Ich muss ehrlich sagen: Mir ist das völlig egal - von A bis Z. Ich lebe mein Leben. Wenn ich irgendjemanden kennen lerne, der mit mir auf derselben Wellenlänge ist, dann ist es gehupft wie gesprungen, ob er im Supermarkt an der Kasse steht oder ein Superstar ist. Ich suche mir meine Freunde nicht nach dem Bekanntheitsgrad aus."

Frage: "Aber für die Fans macht gerade das Monaco zu etwas Besonderem..."
Wurz: "Monaco ist sowieso ein Wahnsinn. Hier müsste man Eintritt verlangen, um überhaupt nach Monaco zu kommen, denn hier sieht man von normalen Leuten über coole und ganz fesche Mädels bis hin zu schauderhaften Figuren, die zu 60 Prozent modifiziert sind - so einen Silikonauflauf gibt es weltweit selten -, wirklich alles. Irrwitzig, was da abläuft. Das hat schon Showcharakter."