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  • 24.11.2008 13:31

  • von Roman Wittemeier

Wurz: "Bei KERS bin ich sehr zuversichtlich"

Honda-Testpilot Alexander Wurz im Exklusiv-Interview über die Erkenntnisse vom Barcelona-Test und die wichtigen Schritte in Richtung 2009

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 2009 hat in Ansätzen bereits in der vergangenen Woche begonnen. Bei den drei zurückliegenden Testtagen in Barcelona packten einige Teams bereits sichtbare Neuerungen im Hinblich auf das kommende Jahr ans Auto. In Zeiten grundlegender Regeländerungen werden die Probeläufe noch mehr an Wert gewinnen. Alle Teams wollen sich im Winter möglichst einen Vorsprung erarbeiten. Wie die Entwicklung bei Honda läuft, beschrieb Testpilot Alexander Wurz im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News:

Alexander Wurz wird auch 2009 Testpilot bei Honda bleiben

Frage: "Alex, bei den Testfahrten in Barcelona in der vergangenen Woche gab es viel Neues zu entdecken. Wie waren deine Eindrücke?"
Alexander Wurz: "Grundsätzlich war der Test aus meiner Sicht sehr interessant. Man konnte sehen, wer mit welcher Spezifikation antritt. Bei solch einer großen Umstellung des Reglements weiß keiner, wer mit wie viel Abtrieb für das nächste Jahr rechnet. Für Insider und für mich als Fahrer war das daher sehr interessant, wer da wie angetreten ist."#w1#

"Bei BMW war es eben so, dass sie die Front- und Heckflügel geändert haben. Bei Honda haben wir den Frontflügel geändert, wir haben alle Luftleitbleche abgenommen. Lediglich beim Heckflügel haben wir das alte Modell gelassen. So hat halt jedes Team seine eigene Spezifikation am Auto gehabt. Letztlich kann man dann beim Testen selbst gar nicht mehr viel daraus schließen, um ehrlich zu sein."

Frontflügel: Nicht schön, aber wirksam

Frage: "Welchen Eindruck hattest du von eurem neuen Frontflügel?"
Wurz: "Grundsätzlich ist er beim Hinschauen nicht gerade formschön. Man muss sich wirklich daran gewöhnen, dass der Frontflügel sehr breit ist, aber beim Fahren ist er viel besser. Man kann näher heranfahren. Das hat den einfachen Grund: Wenn der Frontflügel tiefer liegt, dann ist die Chance geringer, dass die verwirbelte Luft unter dem Flügel den Luftstrom unter dem Auto stört."

Alexander Wurz probierte in Barcelona einen neuen Frontflügel aus Zoom

"Es entsteht eine bessere Strömung und dadurch können wir näher an den Konkurrenten heranfahren. Das ist schon einmal viel besser. Das wird das Überholen einfacher machen, das Hinterherfahren einfacher machen und wird sicherlich so für den Fan spannendere Rennen ergeben. Obwohl die Autos dann vielleicht nicht ganz so formschön sind, wie sie einmal waren."

Frage: "War euer neues Modell schon verstellbar?"
Wurz: "Wir hatten auch eine Konfiguration mit verstellbaren Elementen. Für das kommende Jahr schreibt das Reglement ja vor, dass man den Forntflügel verstellen kann."

Überholen wird 2009 einfacher

Frage: "Wie fühlt sich das Verstellen denn aus Fahrersicht an. Bedient man einfach nur ein bis zwei Knöpfe mehr, oder spürt man das deutlich beim Fahren?"
Wurz: "Es ist ein Knopf mehr. Und natürlich spüre ich das. Wenn ich als Testfahrer ein Verstellen des Frontflügels nicht spüren würde, dann wäre ich nicht zwölf Jahre in der Formel 1, sondern ganz schnell wieder draußen. Man spürt hier mindestens jedes halbe Grad."

"Im gesamten Paket der Regeländerungen mit KERS und mit Slicks, würde ich den Frontflügel als geringsten Faktor ansetzen." Alexander Wurz

Frage: "Es geht ja um deutlich mehr als ein halbes Grad. Der Radius geht bis zu sechs Grad. Ist dieses Element entscheidend, wenn es ums Hinterherfahren geht und darum, der 'Dirty Air' zu entfliehen?"
Wurz: "(überlegt) Jein, aber ich glaube eigentlich eher nicht. Ich glaube eher, es ist ein Gimmick, welches einige Teams geschickter einsetzen werden als andere. Das gleiche gilt auch für die Fahrer. Im gesamten Paket der Regeländerungen mit KERS und mit Slicks, würde ich den Frontflügel als geringsten Faktor ansetzen, wenn er das Überholen vereinfachen soll."

Frage: "Slicks ist ein gutes Stichwort: Wird der Spaß mit den neuen Reifen wieder größer?"
Wurz: "(lacht) Fürs Spaß haben sind wir nicht in der Formel 1, sondern fürs Leistung bringen. Aber wenn es mehr Spaß macht, ist das natürlich ein Bonus. Diesen Bonus haben wir auf jeden Fall mit den Slickreifen bekommen - das gilt für mich jedenfalls. Für meinen Fahrstil ist ein Slick, der auf der Vorderachse viel mehr Grip erzeugt und direktes Einlenken bietet, viel besser geeignet. Nicht so wie der letztjährige Bridgestone-Reifen. Für mich also viel besser, aber vielleicht für meine Karriere zwei Jahre zu spät."

Zwei Youngster auf dem Vormarsch

Frage: "Bei Honda war während des Tests viel los. Es gab insgesamt vier Piloten im Cockpit. Wie haben sich die Youngster Bruno Senna und Lucas di Grassi geschlagen?"
Wurz: "Beide haben sich sehr gut gemacht. Sie wissen ja auch, was auf dem Spiel steht. Es ist nicht einfach nur eine Testmöglichkeit für junge Fahrer gewesen, sondern da geht es ja auch eventuell auch um ein Renncockpit für die beiden. Entsprechend waren sie nicht nur mit vollem Einsatz dabei, sondern auch etwas angespannt. Für mich war das schön und lustig zu beobachten."

Bruno Senna

Bruno Senna ist neben Lucas di Grassi ein Kandidat für ein Honda-Cockpit Zoom

"Ich habe mich ein bisschen selbst darin gesehen - vor ein paar Jahren, als ich in der selben Situation war. Ich muss aber sagen, dass ich nicht allzu viel Zeit mit den beiden verbingen konnte, weil mein eigenes Testprogramm sehr dicht gedrängt war. Ich war unmittelbar vor dem Test noch in der Fabrik, wegen vieler technischer Dinge. Ich hatte also nicht so die große Möglichkeit, mich mit beiden Fahrern intensiv zu beschäftigen."

Frage: "Welcher der beiden Youngster geht aus deiner Sicht als Punktsieger aus dem Test hervor?"
Wurz: "Das kann ich nicht beurteilen."

Frage: "Honda hat vor Weihnachten noch zwei weitere Tests, ihr habt also ein straffes Programm. Was steht als nächster Schritt an? Kommt bald ein neuer Heckflügel hinzu?"
Wurz: "Das weiß ich ehrlich gesagt im Augenblick nicht. Das ergibt sich meist sehr kurzfristig. Das kommt auch auf Daten aus dem Windkanal an und auf den Produktionsstatus. Ich glaube aber, das ist erstmal nicht unsere Priorität. Wir sind relativ komfortabel mit dem Heckflügel, den wir jetzt haben."

"Wir simulieren natürlich den Abtrieb des kommenden Jahres. Das kann man mit kleineren Flügelementen einfach anstellen. Ich glaube nicht, dass es einen großartigen Unterschied macht beim Strömungsverlauf unter dem Auto und das ist das Wichtigste. Daher werden wir auch den Rest des Jahres mit dem 2008er Heckflügel antreten. Allerdings mit dem Rest des Autos in 2009er Konfiguration."

Die wichtige Rolle der Testfahrer

Frage: "Dein Landsmann und Testfahrerkollege Christian Klien hat kürzlich gesagt, dass den Testpiloten neuerdings eine viel wichtigere Rolle zukomme. Siehst du das ähnlich?"
Wurz: "Naja, ich muss ganz ehrlich sagen, das kommt auf den Testpiloten an. Den richtig guten Testpiloten ist immer schon der selbe hohe Wert beigemessen worden. Er kennt das jetzt vielleicht erst aus einer anderen Sicht, weil er jetzt das zweite Jahr in dieser Rolle steckt. Ich weiß sehr wohl, dass ich im Falle von mir und meinem Freund Pedro de la Rosa wohl sagen würde, dass wir beiden in den letzten Jahren den Testfahrer definiert haben."

"Den richtig guten Testpiloten ist immer schon der selbe hohe Wert beigemessen worden." Alexander Wurz

"Der Job war immer schon sehr wichtig. Egal, ob man viel oder wenig testen kann und auch egal, ob Reglementänderung oder nicht. Die Teams haben erkannt, dass es nicht nur einen braucht, der Erfahrung hat, das Auto schnell bewegen kann und die Materie versteht, sondern auch aktiv mitdenken kann, in welche Richtung man gehen sollte und welche Entscheidungen getroffen werden bei der Entwicklung des Autos. Da geht es nicht nur um kurzfristige Abstimmungsarbeiten, sondern auch um langfristige Entwicklungen - auch teilweise abseits der Strecke: im Teamgefüge zum Beispiel."

Frage: "Bist du bezüglich eines Aufschwungs von Honda für das kommende Jahr guter Dinge?"
Wurz: "Schaun wir mal. Die Karten werden aufgrund der Reglement-Umstellung relativ neu gemischt. Ich bin sehr gespannt, was man beim Motorenreglement sagen wird. Ob nun also eine Motoranpassung stattfinden wird, oder nicht. Das muss man mit beachten. Und beim Rest? Bei KERS bin ich sehr zuversichtlich, bei Aerodynamik müssen wir abwarten."

"Ich glaube, die Einführung der Slicks kommt unserer aerodynamischen Philosophie eher entgegen. Es geht dabei um die Verformung des Vorderreifens unter Abtrieb. Das hat sehr viel Einfluss auf das Strömungsverhalten unter dem Auto. Da verformt sich ein Slickreifen deutlich anders als der Profilreifen von vorher. Ich glaube: Aufschwung ja, aber wie hoch der sein kann, weiß ich nicht. Das traue ich mich nicht zu beurteilen."

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